Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.FÜNFTES BUCH. KAPITEL IX. publik und Monarchie, worüber die Entscheidung bereits gefallenwar, sondern ein Kampf um den Besitz der Krone Roms zwischen Pompeius und Caesar. Aber keiner der Prätendenten fand seine Rechnung dabei die rechte Parole auszusprechen; er hätte damit den ganzen sehr ansehnlichen Theil der Bürgerschaft, der den Fortbestand der Republik wünschte und an dessen Möglichkeit glaubte, dem Gegner geradezu ins Lager getrieben. Die alten Schlachtrufe, wie sie Gracchus und Drusus, Cinna und Sulla angestimmt hatten, wie verbraucht und inhaltslos sie auch wa- ren, blieben immer noch gut zum Feldgeschrei für den Kampf der beiden um die Alleinherrschaft ringenden Generale. Wenn auch für den Augenblick sowohl Pompeius wie Caesar officiell sich zu der sogenannten Popularpartei rechneten, so konnte es doch keinen Augenblick zweifelhaft sein, dass Caesar das Volk und den demokratischen Fortschritt, Pompeius die Aristokratie und die legitime Verfassung auf sein Panier schreiben werde. Caesar hatte keine Wahl. Er war von Haus aus und sehr ernst- lich Demokrat, die Monarchie wie er sie verstand mehr dem Na- men als der Sache nach von dem gracchischen Volksregiment verschieden; und er war ein zu hochsinniger und zu tiefer Staats- mann, um seine Farben zu decken und unter einem anderen als seinem eigenen Wappen zu fechten. Der materielle Gewinn frei- lich, den dies Feldgeschrei ihm eintrug, war sehr gering; er be- schränkte in der Hauptsache sich darauf, dass er dadurch der Unbequemlichkeit überhoben ward das Königthum beim Namen zu nennen und mit dem verfehmten Namen die Masse der Lauen und die eigenen Anhänger zu consterniren. Positiven Gewinn brachte die demokratische Fahne kaum noch, seit die gracchi- schen Ideale durch Clodius schändlich und lächerlich geworden waren; denn wo gab es jetzt, abgesehen etwa von den Transpa- danern, einen Kreis von irgend welcher Bedeutung, der durch den populären Schlachtruf zur Theilnahme an dem Kampfe sich hätte bestimmen lassen? -- Damit wäre auch Pompeius Rolle in dem bevorstehenden Kampf entschieden gewesen, wenn nicht ohnehin schon es sich von selbst verstanden hätte, dass er in den- selben eintreten musste als der Feldherr der legitimen Republik. Ihn hatte wenn je einen die Natur zum Glied einer Aristokratie be- stimmt und nur durch sehr zufällige und sehr egoistische Motive war er als Ueberläufer aus dem aristokratischen in das demokrati- sche Lager geführt worden. Es konnte nicht fehlen, dass er jetzt wieder auf seine sullanischen Traditionen zurückkam; es war das nicht bloss sachgemäss, sondern in jeder Beziehung unmittelbar FÜNFTES BUCH. KAPITEL IX. publik und Monarchie, worüber die Entscheidung bereits gefallenwar, sondern ein Kampf um den Besitz der Krone Roms zwischen Pompeius und Caesar. Aber keiner der Prätendenten fand seine Rechnung dabei die rechte Parole auszusprechen; er hätte damit den ganzen sehr ansehnlichen Theil der Bürgerschaft, der den Fortbestand der Republik wünschte und an dessen Möglichkeit glaubte, dem Gegner geradezu ins Lager getrieben. Die alten Schlachtrufe, wie sie Gracchus und Drusus, Cinna und Sulla angestimmt hatten, wie verbraucht und inhaltslos sie auch wa- ren, blieben immer noch gut zum Feldgeschrei für den Kampf der beiden um die Alleinherrschaft ringenden Generale. Wenn auch für den Augenblick sowohl Pompeius wie Caesar officiell sich zu der sogenannten Popularpartei rechneten, so konnte es doch keinen Augenblick zweifelhaft sein, daſs Caesar das Volk und den demokratischen Fortschritt, Pompeius die Aristokratie und die legitime Verfassung auf sein Panier schreiben werde. Caesar hatte keine Wahl. Er war von Haus aus und sehr ernst- lich Demokrat, die Monarchie wie er sie verstand mehr dem Na- men als der Sache nach von dem gracchischen Volksregiment verschieden; und er war ein zu hochsinniger und zu tiefer Staats- mann, um seine Farben zu decken und unter einem anderen als seinem eigenen Wappen zu fechten. Der materielle Gewinn frei- lich, den dies Feldgeschrei ihm eintrug, war sehr gering; er be- schränkte in der Hauptsache sich darauf, daſs er dadurch der Unbequemlichkeit überhoben ward das Königthum beim Namen zu nennen und mit dem verfehmten Namen die Masse der Lauen und die eigenen Anhänger zu consterniren. Positiven Gewinn brachte die demokratische Fahne kaum noch, seit die gracchi- schen Ideale durch Clodius schändlich und lächerlich geworden waren; denn wo gab es jetzt, abgesehen etwa von den Transpa- danern, einen Kreis von irgend welcher Bedeutung, der durch den populären Schlachtruf zur Theilnahme an dem Kampfe sich hätte bestimmen lassen? — Damit wäre auch Pompeius Rolle in dem bevorstehenden Kampf entschieden gewesen, wenn nicht ohnehin schon es sich von selbst verstanden hätte, daſs er in den- selben eintreten muſste als der Feldherr der legitimen Republik. Ihn hatte wenn je einen die Natur zum Glied einer Aristokratie be- stimmt und nur durch sehr zufällige und sehr egoistische Motive war er als Ueberläufer aus dem aristokratischen in das demokrati- sche Lager geführt worden. Es konnte nicht fehlen, daſs er jetzt wieder auf seine sullanischen Traditionen zurückkam; es war das nicht bloſs sachgemäſs, sondern in jeder Beziehung unmittelbar <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0336" n="326"/><fw place="top" type="header">FÜNFTES BUCH. KAPITEL IX.</fw><lb/> publik und Monarchie, worüber die Entscheidung bereits gefallen<lb/> war, sondern ein Kampf um den Besitz der Krone Roms zwischen<lb/> Pompeius und Caesar. Aber keiner der Prätendenten fand seine<lb/> Rechnung dabei die rechte Parole auszusprechen; er hätte damit<lb/> den ganzen sehr ansehnlichen Theil der Bürgerschaft, der den<lb/> Fortbestand der Republik wünschte und an dessen Möglichkeit<lb/> glaubte, dem Gegner geradezu ins Lager getrieben. Die alten<lb/> Schlachtrufe, wie sie Gracchus und Drusus, Cinna und Sulla<lb/> angestimmt hatten, wie verbraucht und inhaltslos sie auch wa-<lb/> ren, blieben immer noch gut zum Feldgeschrei für den Kampf<lb/> der beiden um die Alleinherrschaft ringenden Generale. Wenn<lb/> auch für den Augenblick sowohl Pompeius wie Caesar officiell<lb/> sich zu der sogenannten Popularpartei rechneten, so konnte es<lb/> doch keinen Augenblick zweifelhaft sein, daſs Caesar das Volk<lb/> und den demokratischen Fortschritt, Pompeius die Aristokratie<lb/> und die legitime Verfassung auf sein Panier schreiben werde.<lb/> Caesar hatte keine Wahl. Er war von Haus aus und sehr ernst-<lb/> lich Demokrat, die Monarchie wie er sie verstand mehr dem Na-<lb/> men als der Sache nach von dem gracchischen Volksregiment<lb/> verschieden; und er war ein zu hochsinniger und zu tiefer Staats-<lb/> mann, um seine Farben zu decken und unter einem anderen als<lb/> seinem eigenen Wappen zu fechten. Der materielle Gewinn frei-<lb/> lich, den dies Feldgeschrei ihm eintrug, war sehr gering; er be-<lb/> schränkte in der Hauptsache sich darauf, daſs er dadurch der<lb/> Unbequemlichkeit überhoben ward das Königthum beim Namen<lb/> zu nennen und mit dem verfehmten Namen die Masse der Lauen<lb/> und die eigenen Anhänger zu consterniren. 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FÜNFTES BUCH. KAPITEL IX.
publik und Monarchie, worüber die Entscheidung bereits gefallen
war, sondern ein Kampf um den Besitz der Krone Roms zwischen
Pompeius und Caesar. Aber keiner der Prätendenten fand seine
Rechnung dabei die rechte Parole auszusprechen; er hätte damit
den ganzen sehr ansehnlichen Theil der Bürgerschaft, der den
Fortbestand der Republik wünschte und an dessen Möglichkeit
glaubte, dem Gegner geradezu ins Lager getrieben. Die alten
Schlachtrufe, wie sie Gracchus und Drusus, Cinna und Sulla
angestimmt hatten, wie verbraucht und inhaltslos sie auch wa-
ren, blieben immer noch gut zum Feldgeschrei für den Kampf
der beiden um die Alleinherrschaft ringenden Generale. Wenn
auch für den Augenblick sowohl Pompeius wie Caesar officiell
sich zu der sogenannten Popularpartei rechneten, so konnte es
doch keinen Augenblick zweifelhaft sein, daſs Caesar das Volk
und den demokratischen Fortschritt, Pompeius die Aristokratie
und die legitime Verfassung auf sein Panier schreiben werde.
Caesar hatte keine Wahl. Er war von Haus aus und sehr ernst-
lich Demokrat, die Monarchie wie er sie verstand mehr dem Na-
men als der Sache nach von dem gracchischen Volksregiment
verschieden; und er war ein zu hochsinniger und zu tiefer Staats-
mann, um seine Farben zu decken und unter einem anderen als
seinem eigenen Wappen zu fechten. Der materielle Gewinn frei-
lich, den dies Feldgeschrei ihm eintrug, war sehr gering; er be-
schränkte in der Hauptsache sich darauf, daſs er dadurch der
Unbequemlichkeit überhoben ward das Königthum beim Namen
zu nennen und mit dem verfehmten Namen die Masse der Lauen
und die eigenen Anhänger zu consterniren. Positiven Gewinn
brachte die demokratische Fahne kaum noch, seit die gracchi-
schen Ideale durch Clodius schändlich und lächerlich geworden
waren; denn wo gab es jetzt, abgesehen etwa von den Transpa-
danern, einen Kreis von irgend welcher Bedeutung, der durch
den populären Schlachtruf zur Theilnahme an dem Kampfe sich
hätte bestimmen lassen? — Damit wäre auch Pompeius Rolle
in dem bevorstehenden Kampf entschieden gewesen, wenn nicht
ohnehin schon es sich von selbst verstanden hätte, daſs er in den-
selben eintreten muſste als der Feldherr der legitimen Republik.
Ihn hatte wenn je einen die Natur zum Glied einer Aristokratie be-
stimmt und nur durch sehr zufällige und sehr egoistische Motive
war er als Ueberläufer aus dem aristokratischen in das demokrati-
sche Lager geführt worden. Es konnte nicht fehlen, daſs er jetzt
wieder auf seine sullanischen Traditionen zurückkam; es war das
nicht bloſs sachgemäſs, sondern in jeder Beziehung unmittelbar
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