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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT.
Pompeius nicht lange nachher von einer ernsthaften Krankheit
genas, ward seine Wiederherstellung durch ganz Italien mit all
dem obligaten Freudigkeitsceremoniell gefeiert, das bei solchen
Gelegenheiten in Monarchien üblich ist. Die Machthaber zeigten
sich befriedigt: schon am 1. Aug. 702 legte Pompeius die Dic-
tatur nieder und theilte das Consulat mit seinem Clienten Metellus
Scipio. -- Mit alle dem war der Opposition nicht jede Gelegen-
heit sich zu äussern abgeschnitten; dies konnte nur gelingen,
wenn man aus dem Leben der Nation die Volkswahlen, die Ge-
schwornengerichte und die Litteratur gänzlich ausstrich. Aber
bemerkenswerth ist es, dass Pompeius, indem er der Opposition
Fesseln anlegte, zugleich ihr durch seine Ungeschicklichkeit und
innerliche Verkehrtheit wieder Vorschub that und ihr selbst unter
seiner Dictatur einzelne für ihn empfindliche Triumphe verschaffte.
Dass die Tendenzmassregeln, die die Herrscher zur Befestigung
ihrer Macht ergriffen, officiell als im Interesse der öffentlichen
Ruhe und Ordnung getroffene Verfügungen charakterisirt wur-
den und die Machthaber jeden Bürger, der die Anarchie nicht
wolle, als mit ihnen wesentlich einverstanden bezeichneten, war
in der Ordnung. Aber Pompeius trieb es mit dieser durchsich-
tigen Fiction so weit, dass er zu Mitgliedern der Specialcommis-
sion zur Untersuchung des letzten Auflaufs statt sicherer Werk-
zeuge die achtbarsten Männer aller Parteien, sogar Cato er-
nannte und seinen Einfluss auf das Gericht wesentlich dazu an-
wandte um die Ordnung zu handhaben und das in den Gerich-
ten dieser Zeit hergebrachte Spectakeln seinen Anhängern so
gut wie den Gegnern unmöglich zu machen. Diese Neutralität
des Regenten sah man den Urtheilen des Specialhofes an. Die
Geschwornen wagten zwar nicht Milo selbst freizusprechen;
aber die meisten untergeordneten Angeklagten von der Partei
der republikanischen Opposition gingen frei aus, während die
Verurtheilung unnachsichtlich diejenigen traf, die in dem letzten
Krawall für Clodius, das heisst für die Machthaber Partei ge-
nommen hatten, unter ihnen nicht wenige von Pompeius ver-
trautesten Freunden, sogar seinen Candidaten zum Consulat Hy-
psaeus und die Volkstribune Plancus und Rufus, die in seinem
Interesse die Emeute dirigirt hatten. Wenn Pompeius deren Ver-
urtheilung nicht hinderte um unparteiisch zu erscheinen, so war
dies eine Albernheit, und eine zweite, dass er denn doch wieder
in Nebendingen zu Gunsten seiner Freunde seine eigenen Gesetze
verletzte, zum Beispiel im Prozess des Plancus als Charakterzeuge
auftrat, und einzelne ihm besonders nahe stehende Angeklagte,

POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT.
Pompeius nicht lange nachher von einer ernsthaften Krankheit
genas, ward seine Wiederherstellung durch ganz Italien mit all
dem obligaten Freudigkeitsceremoniell gefeiert, das bei solchen
Gelegenheiten in Monarchien üblich ist. Die Machthaber zeigten
sich befriedigt: schon am 1. Aug. 702 legte Pompeius die Dic-
tatur nieder und theilte das Consulat mit seinem Clienten Metellus
Scipio. — Mit alle dem war der Opposition nicht jede Gelegen-
heit sich zu äuſsern abgeschnitten; dies konnte nur gelingen,
wenn man aus dem Leben der Nation die Volkswahlen, die Ge-
schwornengerichte und die Litteratur gänzlich ausstrich. Aber
bemerkenswerth ist es, daſs Pompeius, indem er der Opposition
Fesseln anlegte, zugleich ihr durch seine Ungeschicklichkeit und
innerliche Verkehrtheit wieder Vorschub that und ihr selbst unter
seiner Dictatur einzelne für ihn empfindliche Triumphe verschaffte.
Daſs die Tendenzmaſsregeln, die die Herrscher zur Befestigung
ihrer Macht ergriffen, officiell als im Interesse der öffentlichen
Ruhe und Ordnung getroffene Verfügungen charakterisirt wur-
den und die Machthaber jeden Bürger, der die Anarchie nicht
wolle, als mit ihnen wesentlich einverstanden bezeichneten, war
in der Ordnung. Aber Pompeius trieb es mit dieser durchsich-
tigen Fiction so weit, daſs er zu Mitgliedern der Specialcommis-
sion zur Untersuchung des letzten Auflaufs statt sicherer Werk-
zeuge die achtbarsten Männer aller Parteien, sogar Cato er-
nannte und seinen Einfluſs auf das Gericht wesentlich dazu an-
wandte um die Ordnung zu handhaben und das in den Gerich-
ten dieser Zeit hergebrachte Spectakeln seinen Anhängern so
gut wie den Gegnern unmöglich zu machen. Diese Neutralität
des Regenten sah man den Urtheilen des Specialhofes an. Die
Geschwornen wagten zwar nicht Milo selbst freizusprechen;
aber die meisten untergeordneten Angeklagten von der Partei
der republikanischen Opposition gingen frei aus, während die
Verurtheilung unnachsichtlich diejenigen traf, die in dem letzten
Krawall für Clodius, das heiſst für die Machthaber Partei ge-
nommen hatten, unter ihnen nicht wenige von Pompeius ver-
trautesten Freunden, sogar seinen Candidaten zum Consulat Hy-
psaeus und die Volkstribune Plancus und Rufus, die in seinem
Interesse die Emeute dirigirt hatten. Wenn Pompeius deren Ver-
urtheilung nicht hinderte um unparteiisch zu erscheinen, so war
dies eine Albernheit, und eine zweite, daſs er denn doch wieder
in Nebendingen zu Gunsten seiner Freunde seine eigenen Gesetze
verletzte, zum Beispiel im Prozeſs des Plancus als Charakterzeuge
auftrat, und einzelne ihm besonders nahe stehende Angeklagte,

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[309/0319] POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT. Pompeius nicht lange nachher von einer ernsthaften Krankheit genas, ward seine Wiederherstellung durch ganz Italien mit all dem obligaten Freudigkeitsceremoniell gefeiert, das bei solchen Gelegenheiten in Monarchien üblich ist. Die Machthaber zeigten sich befriedigt: schon am 1. Aug. 702 legte Pompeius die Dic- tatur nieder und theilte das Consulat mit seinem Clienten Metellus Scipio. — Mit alle dem war der Opposition nicht jede Gelegen- heit sich zu äuſsern abgeschnitten; dies konnte nur gelingen, wenn man aus dem Leben der Nation die Volkswahlen, die Ge- schwornengerichte und die Litteratur gänzlich ausstrich. Aber bemerkenswerth ist es, daſs Pompeius, indem er der Opposition Fesseln anlegte, zugleich ihr durch seine Ungeschicklichkeit und innerliche Verkehrtheit wieder Vorschub that und ihr selbst unter seiner Dictatur einzelne für ihn empfindliche Triumphe verschaffte. Daſs die Tendenzmaſsregeln, die die Herrscher zur Befestigung ihrer Macht ergriffen, officiell als im Interesse der öffentlichen Ruhe und Ordnung getroffene Verfügungen charakterisirt wur- den und die Machthaber jeden Bürger, der die Anarchie nicht wolle, als mit ihnen wesentlich einverstanden bezeichneten, war in der Ordnung. Aber Pompeius trieb es mit dieser durchsich- tigen Fiction so weit, daſs er zu Mitgliedern der Specialcommis- sion zur Untersuchung des letzten Auflaufs statt sicherer Werk- zeuge die achtbarsten Männer aller Parteien, sogar Cato er- nannte und seinen Einfluſs auf das Gericht wesentlich dazu an- wandte um die Ordnung zu handhaben und das in den Gerich- ten dieser Zeit hergebrachte Spectakeln seinen Anhängern so gut wie den Gegnern unmöglich zu machen. Diese Neutralität des Regenten sah man den Urtheilen des Specialhofes an. Die Geschwornen wagten zwar nicht Milo selbst freizusprechen; aber die meisten untergeordneten Angeklagten von der Partei der republikanischen Opposition gingen frei aus, während die Verurtheilung unnachsichtlich diejenigen traf, die in dem letzten Krawall für Clodius, das heiſst für die Machthaber Partei ge- nommen hatten, unter ihnen nicht wenige von Pompeius ver- trautesten Freunden, sogar seinen Candidaten zum Consulat Hy- psaeus und die Volkstribune Plancus und Rufus, die in seinem Interesse die Emeute dirigirt hatten. Wenn Pompeius deren Ver- urtheilung nicht hinderte um unparteiisch zu erscheinen, so war dies eine Albernheit, und eine zweite, daſs er denn doch wieder in Nebendingen zu Gunsten seiner Freunde seine eigenen Gesetze verletzte, zum Beispiel im Prozeſs des Plancus als Charakterzeuge auftrat, und einzelne ihm besonders nahe stehende Angeklagte,

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/319>, abgerufen am 24.11.2024.