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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL VIII.
Opposition. Die bestehenden Wahlvorschriften wurden durch
ein besonderes Gesetz wiederholt eingeschärft und durch ein
anderes gegen die Wahlumtriebe, das für alle seit 684 begange-
nen Vergehen dieser Art rückwirkende Kraft erhielt, die bisher
darauf gesetzten Strafen gesteigert. Die Geschwornencommis-
sionen blieben zwar bestehen, aber das Recusationsrecht ward
beschränkt und, was vielleicht noch wichtiger war, der Redefrei-
heit in den Gerichten Grenzen gesetzt, indem sowohl die Zahl
der Advocaten als die jedem zugemessene Sprechzeit durch Maxi-
malsätze beschränkt und die eingerissene Unsitte neben den
That- auch noch Charakterzeugen oder sogenannte ,Lobredner'
zu Gunsten des Angeklagten beizubringen untersagt ward. Der
gehorsame Senat decretirte auf Pompeius Wink, dass durch den
Raufhandel auf der appischen Strasse das Vaterland in Gefahr
gerathen sei; demnach wurde für alle mit demselben zusammen-
hängenden Verbrechen durch ein Ausnahmegesetz eine Special-
commission bestellt, deren Mitglieder geradezu von Pompeius
ernannt wurden. Es ward auch ein Versuch gemacht dem cen-
sorischen Amt wieder eine ernstliche Bedeutung zu verschaffen
und durch dasselbe die tiefzerrüttete Bürgerschaft von dem
schlimmsten Gesindel zu säubern. -- Alle diese Massregeln er-
folgten unter dem Drucke des Säbels. In Folge der Erklärung
des Senats, dass das Vaterland gefährdet sei, rief Pompeius in
ganz Italien die dienstpflichtige Mannschaft unter die Waffen und
nahm sie in Eid und Pflicht; vorläufig ward eine ausreichende
und zuverlässige Truppe in das Capitol verlegt; bei jeder oppo-
sitionellen Regung drohte Pompeius mit bewaffnetem Einschrei-
ten und stellte während der Prozessverhandlungen über die Er-
mordung des Clodius allem Herkommen zuwider auf der Ge-
richtsstätte selbst Wache auf. -- Der Plan zur Wiederbelebung
der Censur scheiterte daran, dass unter der servilen Senatsma-
jorität Niemand sittlichen Muth und Autorität genug besass, um
sich um ein solches Amt auch nur zu bewerben; übrigens er-
reichten die Machthaber ihren Zweck: die Opposition zu demü-
thigen und die Zügel straffer anzuziehen, vollkommen. Milo ward
von den Geschwornen verurtheilt (8. April 703), Catos Bewer-
bung um das Consulat für 703 von den Machthabern vereitelt.
Die Reden- und Pamphletenopposition erhielt durch die neue
Prozessordnung einen Schlag, von dem sie sich nicht wieder er-
holt hat; die gefürchtete gerichtliche Beredsamkeit ward damit
von dem politischen Gebiet verdrängt und trug fortan die Zü-
gel der Monarchie. Man fing an in diese sich zu finden. Als

FÜNFTES BUCH. KAPITEL VIII.
Opposition. Die bestehenden Wahlvorschriften wurden durch
ein besonderes Gesetz wiederholt eingeschärft und durch ein
anderes gegen die Wahlumtriebe, das für alle seit 684 begange-
nen Vergehen dieser Art rückwirkende Kraft erhielt, die bisher
darauf gesetzten Strafen gesteigert. Die Geschwornencommis-
sionen blieben zwar bestehen, aber das Recusationsrecht ward
beschränkt und, was vielleicht noch wichtiger war, der Redefrei-
heit in den Gerichten Grenzen gesetzt, indem sowohl die Zahl
der Advocaten als die jedem zugemessene Sprechzeit durch Maxi-
malsätze beschränkt und die eingerissene Unsitte neben den
That- auch noch Charakterzeugen oder sogenannte ‚Lobredner‘
zu Gunsten des Angeklagten beizubringen untersagt ward. Der
gehorsame Senat decretirte auf Pompeius Wink, daſs durch den
Raufhandel auf der appischen Straſse das Vaterland in Gefahr
gerathen sei; demnach wurde für alle mit demselben zusammen-
hängenden Verbrechen durch ein Ausnahmegesetz eine Special-
commission bestellt, deren Mitglieder geradezu von Pompeius
ernannt wurden. Es ward auch ein Versuch gemacht dem cen-
sorischen Amt wieder eine ernstliche Bedeutung zu verschaffen
und durch dasselbe die tiefzerrüttete Bürgerschaft von dem
schlimmsten Gesindel zu säubern. — Alle diese Maſsregeln er-
folgten unter dem Drucke des Säbels. In Folge der Erklärung
des Senats, daſs das Vaterland gefährdet sei, rief Pompeius in
ganz Italien die dienstpflichtige Mannschaft unter die Waffen und
nahm sie in Eid und Pflicht; vorläufig ward eine ausreichende
und zuverlässige Truppe in das Capitol verlegt; bei jeder oppo-
sitionellen Regung drohte Pompeius mit bewaffnetem Einschrei-
ten und stellte während der Prozeſsverhandlungen über die Er-
mordung des Clodius allem Herkommen zuwider auf der Ge-
richtsstätte selbst Wache auf. — Der Plan zur Wiederbelebung
der Censur scheiterte daran, daſs unter der servilen Senatsma-
jorität Niemand sittlichen Muth und Autorität genug besaſs, um
sich um ein solches Amt auch nur zu bewerben; übrigens er-
reichten die Machthaber ihren Zweck: die Opposition zu demü-
thigen und die Zügel straffer anzuziehen, vollkommen. Milo ward
von den Geschwornen verurtheilt (8. April 703), Catos Bewer-
bung um das Consulat für 703 von den Machthabern vereitelt.
Die Reden- und Pamphletenopposition erhielt durch die neue
Prozeſsordnung einen Schlag, von dem sie sich nicht wieder er-
holt hat; die gefürchtete gerichtliche Beredsamkeit ward damit
von dem politischen Gebiet verdrängt und trug fortan die Zü-
gel der Monarchie. Man fing an in diese sich zu finden. Als

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[308/0318] FÜNFTES BUCH. KAPITEL VIII. Opposition. Die bestehenden Wahlvorschriften wurden durch ein besonderes Gesetz wiederholt eingeschärft und durch ein anderes gegen die Wahlumtriebe, das für alle seit 684 begange- nen Vergehen dieser Art rückwirkende Kraft erhielt, die bisher darauf gesetzten Strafen gesteigert. Die Geschwornencommis- sionen blieben zwar bestehen, aber das Recusationsrecht ward beschränkt und, was vielleicht noch wichtiger war, der Redefrei- heit in den Gerichten Grenzen gesetzt, indem sowohl die Zahl der Advocaten als die jedem zugemessene Sprechzeit durch Maxi- malsätze beschränkt und die eingerissene Unsitte neben den That- auch noch Charakterzeugen oder sogenannte ‚Lobredner‘ zu Gunsten des Angeklagten beizubringen untersagt ward. Der gehorsame Senat decretirte auf Pompeius Wink, daſs durch den Raufhandel auf der appischen Straſse das Vaterland in Gefahr gerathen sei; demnach wurde für alle mit demselben zusammen- hängenden Verbrechen durch ein Ausnahmegesetz eine Special- commission bestellt, deren Mitglieder geradezu von Pompeius ernannt wurden. Es ward auch ein Versuch gemacht dem cen- sorischen Amt wieder eine ernstliche Bedeutung zu verschaffen und durch dasselbe die tiefzerrüttete Bürgerschaft von dem schlimmsten Gesindel zu säubern. — Alle diese Maſsregeln er- folgten unter dem Drucke des Säbels. In Folge der Erklärung des Senats, daſs das Vaterland gefährdet sei, rief Pompeius in ganz Italien die dienstpflichtige Mannschaft unter die Waffen und nahm sie in Eid und Pflicht; vorläufig ward eine ausreichende und zuverlässige Truppe in das Capitol verlegt; bei jeder oppo- sitionellen Regung drohte Pompeius mit bewaffnetem Einschrei- ten und stellte während der Prozeſsverhandlungen über die Er- mordung des Clodius allem Herkommen zuwider auf der Ge- richtsstätte selbst Wache auf. — Der Plan zur Wiederbelebung der Censur scheiterte daran, daſs unter der servilen Senatsma- jorität Niemand sittlichen Muth und Autorität genug besaſs, um sich um ein solches Amt auch nur zu bewerben; übrigens er- reichten die Machthaber ihren Zweck: die Opposition zu demü- thigen und die Zügel straffer anzuziehen, vollkommen. Milo ward von den Geschwornen verurtheilt (8. April 703), Catos Bewer- bung um das Consulat für 703 von den Machthabern vereitelt. Die Reden- und Pamphletenopposition erhielt durch die neue Prozeſsordnung einen Schlag, von dem sie sich nicht wieder er- holt hat; die gefürchtete gerichtliche Beredsamkeit ward damit von dem politischen Gebiet verdrängt und trug fortan die Zü- gel der Monarchie. Man fing an in diese sich zu finden. Als

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/318>, abgerufen am 24.11.2024.