Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT. zugleich lächerlich war. Man liess es geschehen, dass er bei Ge-legenheit der Anträge des Trebonius den Widerstand auf dem Marktplatz wieder einmal bis zum Handgemenge trieb und dass er im Senat den Antrag stellte den Pronconsul Caesar wegen seines treulosen Benehmens gegen die Usipeten und Tencterer diesen Barbaren auszuliefern. Man nahm es hin, dass Marcus Favonius, Catos Sancho, nachdem der Senat den Beschluss ge- fasst hatte die Legionen Caesars auf die Staatskasse zu überneh- men, zur Thür der Curie sprang und die Gefahr des Vaterlandes auf die Gasse hinausrief; dass derselbe in seiner scurrilen Art die weisse Binde, die Pompeius um sein krankes Bein trug, ein deplacirtes Diadem hiess; dass der Consular Lentulus Marcellinus, da die Bürger ihm Beifall klatschten, es wohlgethan nannte jetzt zu klatschen, da es noch dem Bürger gestattet sei seine Meinung zu äussern; dass der Volkstribun Gaius Ateius Capito den Cras- sus bei seinem Abzug nach Syrien in allen Formen damaliger Theologie öffentlich den bösen Geistern überantwortete. Im Gan- zen waren dies eitle Demonstrationen einer verbissenen Minori- tät; doch war dieselbe nicht völlig ohne Bedeutung, indem sie theils der im Stillen gährenden republikanischen Opposition Nah- rung und Parole gab, theils auch wohl die Senatsmajorität, die doch im Grunde ganz dieselben Gesinnungen gegen die Macht- haber hegte, zu einzelnen oppositionellen Beschlüssen fortriss. Auch die Majorität fühlte das Bedürfniss wenigstens zuweilen und in untergeordneten Dingen ihrem verhaltenen Groll Luft zu ma- chen und namentlich, nach der Weise der widerwillig Servilen, ihren Groll gegen die grossen Feinde in der Wuth gegen die klei- nen auszulassen. Wo es nur anging, ward den Werkzeugen der Machthaber ein leiser Fusstritt versetzt: so wurde Gabinius das erbetene Dankfest verweigert (698), so Piso aus der Provinz abberufen, so vom Senat Trauer angelegt, als der Volkstribun Gaius Cato die Wahlen für 699 so lange hinderte, als der oppo- sitionelle Consul Marcellinus noch im Amte war. Sogar Cicero, wie demüthig er immer vor den Machthabern sich neigte, liess doch auch eine ebenso giftige wie geschmacklose Broschüre ge- gen Caesars Schwiegervater Piso ausgehen. Aber all diese kleinen oppositionellen Velleitäten der Senatsmajorität und nicht minder der resultatlose Widerstand der Minorität zeigen nur um so deut- licher, dass das Regiment wie einst von der Bürgerschaft auf den Senat, so jetzt von diesem auf die Machthaber übergegan- gen und der Senat schon nicht viel mehr war als ein monarchi- scher Staatsrath. ,Kein Mensch', klagten die Anhänger der ge- POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT. zugleich lächerlich war. Man lieſs es geschehen, daſs er bei Ge-legenheit der Anträge des Trebonius den Widerstand auf dem Marktplatz wieder einmal bis zum Handgemenge trieb und daſs er im Senat den Antrag stellte den Pronconsul Caesar wegen seines treulosen Benehmens gegen die Usipeten und Tencterer diesen Barbaren auszuliefern. Man nahm es hin, daſs Marcus Favonius, Catos Sancho, nachdem der Senat den Beschluſs ge- faſst hatte die Legionen Caesars auf die Staatskasse zu überneh- men, zur Thür der Curie sprang und die Gefahr des Vaterlandes auf die Gasse hinausrief; daſs derselbe in seiner scurrilen Art die weiſse Binde, die Pompeius um sein krankes Bein trug, ein deplacirtes Diadem hieſs; daſs der Consular Lentulus Marcellinus, da die Bürger ihm Beifall klatschten, es wohlgethan nannte jetzt zu klatschen, da es noch dem Bürger gestattet sei seine Meinung zu äuſsern; daſs der Volkstribun Gaius Ateius Capito den Cras- sus bei seinem Abzug nach Syrien in allen Formen damaliger Theologie öffentlich den bösen Geistern überantwortete. Im Gan- zen waren dies eitle Demonstrationen einer verbissenen Minori- tät; doch war dieselbe nicht völlig ohne Bedeutung, indem sie theils der im Stillen gährenden republikanischen Opposition Nah- rung und Parole gab, theils auch wohl die Senatsmajorität, die doch im Grunde ganz dieselben Gesinnungen gegen die Macht- haber hegte, zu einzelnen oppositionellen Beschlüssen fortriſs. Auch die Majorität fühlte das Bedürfniſs wenigstens zuweilen und in untergeordneten Dingen ihrem verhaltenen Groll Luft zu ma- chen und namentlich, nach der Weise der widerwillig Servilen, ihren Groll gegen die groſsen Feinde in der Wuth gegen die klei- nen auszulassen. Wo es nur anging, ward den Werkzeugen der Machthaber ein leiser Fuſstritt versetzt: so wurde Gabinius das erbetene Dankfest verweigert (698), so Piso aus der Provinz abberufen, so vom Senat Trauer angelegt, als der Volkstribun Gaius Cato die Wahlen für 699 so lange hinderte, als der oppo- sitionelle Consul Marcellinus noch im Amte war. Sogar Cicero, wie demüthig er immer vor den Machthabern sich neigte, lieſs doch auch eine ebenso giftige wie geschmacklose Broschüre ge- gen Caesars Schwiegervater Piso ausgehen. Aber all diese kleinen oppositionellen Velleitäten der Senatsmajorität und nicht minder der resultatlose Widerstand der Minorität zeigen nur um so deut- licher, daſs das Regiment wie einst von der Bürgerschaft auf den Senat, so jetzt von diesem auf die Machthaber übergegan- gen und der Senat schon nicht viel mehr war als ein monarchi- scher Staatsrath. ‚Kein Mensch‘, klagten die Anhänger der ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0309" n="299"/><fw place="top" type="header">POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT.</fw><lb/> zugleich lächerlich war. Man lieſs es geschehen, daſs er bei Ge-<lb/> legenheit der Anträge des Trebonius den Widerstand auf dem<lb/> Marktplatz wieder einmal bis zum Handgemenge trieb und daſs<lb/> er im Senat den Antrag stellte den Pronconsul Caesar wegen<lb/> seines treulosen Benehmens gegen die Usipeten und Tencterer<lb/> diesen Barbaren auszuliefern. Man nahm es hin, daſs Marcus<lb/> Favonius, Catos Sancho, nachdem der Senat den Beschluſs ge-<lb/> faſst hatte die Legionen Caesars auf die Staatskasse zu überneh-<lb/> men, zur Thür der Curie sprang und die Gefahr des Vaterlandes<lb/> auf die Gasse hinausrief; daſs derselbe in seiner scurrilen Art<lb/> die weiſse Binde, die Pompeius um sein krankes Bein trug, ein<lb/> deplacirtes Diadem hieſs; daſs der Consular Lentulus Marcellinus,<lb/> da die Bürger ihm Beifall klatschten, es wohlgethan nannte jetzt<lb/> zu klatschen, da es noch dem Bürger gestattet sei seine Meinung<lb/> zu äuſsern; daſs der Volkstribun Gaius Ateius Capito den Cras-<lb/> sus bei seinem Abzug nach Syrien in allen Formen damaliger<lb/> Theologie öffentlich den bösen Geistern überantwortete. Im Gan-<lb/> zen waren dies eitle Demonstrationen einer verbissenen Minori-<lb/> tät; doch war dieselbe nicht völlig ohne Bedeutung, indem sie<lb/> theils der im Stillen gährenden republikanischen Opposition Nah-<lb/> rung und Parole gab, theils auch wohl die Senatsmajorität, die<lb/> doch im Grunde ganz dieselben Gesinnungen gegen die Macht-<lb/> haber hegte, zu einzelnen oppositionellen Beschlüssen fortriſs.<lb/> Auch die Majorität fühlte das Bedürfniſs wenigstens zuweilen und<lb/> in untergeordneten Dingen ihrem verhaltenen Groll Luft zu ma-<lb/> chen und namentlich, nach der Weise der widerwillig Servilen,<lb/> ihren Groll gegen die groſsen Feinde in der Wuth gegen die klei-<lb/> nen auszulassen. Wo es nur anging, ward den Werkzeugen der<lb/> Machthaber ein leiser Fuſstritt versetzt: so wurde Gabinius das<lb/> erbetene Dankfest verweigert (698), so Piso aus der Provinz<lb/> abberufen, so vom Senat Trauer angelegt, als der Volkstribun<lb/> Gaius Cato die Wahlen für 699 so lange hinderte, als der oppo-<lb/> sitionelle Consul Marcellinus noch im Amte war. Sogar Cicero,<lb/> wie demüthig er immer vor den Machthabern sich neigte, lieſs<lb/> doch auch eine ebenso giftige wie geschmacklose Broschüre ge-<lb/> gen Caesars Schwiegervater Piso ausgehen. Aber all diese kleinen<lb/> oppositionellen Velleitäten der Senatsmajorität und nicht minder<lb/> der resultatlose Widerstand der Minorität zeigen nur um so deut-<lb/> licher, daſs das Regiment wie einst von der Bürgerschaft auf<lb/> den Senat, so jetzt von diesem auf die Machthaber übergegan-<lb/> gen und der Senat schon nicht viel mehr war als ein monarchi-<lb/> scher Staatsrath. ‚Kein Mensch‘, klagten die Anhänger der ge-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [299/0309]
POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT.
zugleich lächerlich war. Man lieſs es geschehen, daſs er bei Ge-
legenheit der Anträge des Trebonius den Widerstand auf dem
Marktplatz wieder einmal bis zum Handgemenge trieb und daſs
er im Senat den Antrag stellte den Pronconsul Caesar wegen
seines treulosen Benehmens gegen die Usipeten und Tencterer
diesen Barbaren auszuliefern. Man nahm es hin, daſs Marcus
Favonius, Catos Sancho, nachdem der Senat den Beschluſs ge-
faſst hatte die Legionen Caesars auf die Staatskasse zu überneh-
men, zur Thür der Curie sprang und die Gefahr des Vaterlandes
auf die Gasse hinausrief; daſs derselbe in seiner scurrilen Art
die weiſse Binde, die Pompeius um sein krankes Bein trug, ein
deplacirtes Diadem hieſs; daſs der Consular Lentulus Marcellinus,
da die Bürger ihm Beifall klatschten, es wohlgethan nannte jetzt
zu klatschen, da es noch dem Bürger gestattet sei seine Meinung
zu äuſsern; daſs der Volkstribun Gaius Ateius Capito den Cras-
sus bei seinem Abzug nach Syrien in allen Formen damaliger
Theologie öffentlich den bösen Geistern überantwortete. Im Gan-
zen waren dies eitle Demonstrationen einer verbissenen Minori-
tät; doch war dieselbe nicht völlig ohne Bedeutung, indem sie
theils der im Stillen gährenden republikanischen Opposition Nah-
rung und Parole gab, theils auch wohl die Senatsmajorität, die
doch im Grunde ganz dieselben Gesinnungen gegen die Macht-
haber hegte, zu einzelnen oppositionellen Beschlüssen fortriſs.
Auch die Majorität fühlte das Bedürfniſs wenigstens zuweilen und
in untergeordneten Dingen ihrem verhaltenen Groll Luft zu ma-
chen und namentlich, nach der Weise der widerwillig Servilen,
ihren Groll gegen die groſsen Feinde in der Wuth gegen die klei-
nen auszulassen. Wo es nur anging, ward den Werkzeugen der
Machthaber ein leiser Fuſstritt versetzt: so wurde Gabinius das
erbetene Dankfest verweigert (698), so Piso aus der Provinz
abberufen, so vom Senat Trauer angelegt, als der Volkstribun
Gaius Cato die Wahlen für 699 so lange hinderte, als der oppo-
sitionelle Consul Marcellinus noch im Amte war. Sogar Cicero,
wie demüthig er immer vor den Machthabern sich neigte, lieſs
doch auch eine ebenso giftige wie geschmacklose Broschüre ge-
gen Caesars Schwiegervater Piso ausgehen. Aber all diese kleinen
oppositionellen Velleitäten der Senatsmajorität und nicht minder
der resultatlose Widerstand der Minorität zeigen nur um so deut-
licher, daſs das Regiment wie einst von der Bürgerschaft auf
den Senat, so jetzt von diesem auf die Machthaber übergegan-
gen und der Senat schon nicht viel mehr war als ein monarchi-
scher Staatsrath. ‚Kein Mensch‘, klagten die Anhänger der ge-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |