Es war dies die eine der Aristokratie sich darbietende Möglichkeit des endlichen Sieges. Aber es gab noch einen anderen und ehren- volleren Weg. Warum nicht die Machthaber mit offenem Visir angreifen? warum cassirte nicht ein entschlossener und namhaf- ter Mann an der Spitze des Senats die ausserordentlichen Gewal- ten als verfassungswidrig und rief die sämmtlichen Republikaner Italiens gegen die Tyrannen und deren Anhang unter die Waffen? Möglicher Weise konnte es auch auf diesem Wege gelingen die Senatsherrschaft noch einmal zu restauriren. Allerdings spielte man hohes Spiel; aber vielleicht war auch hier, wie oft, der mu- thigste Entschluss zugleich der klügste.
Im Herbst 697 that Pompeius die ersten Schritte um mit Hülfe des Senats seine politische Stellung zu verbessern. Er knüpfte wieder an an das, wodurch er elf Jahre zuvor seine Macht begründet hatte: an die Brotpreise in der Hauptstadt, die eben damals wie vor dem gabinischen Gesetz eine drückende Höhe er- reicht hatten. Ob sie durch besondere Machinationen hinaufge- trieben worden waren, wie deren Clodius bald dem Pompeius, bald dem Cicero und diese wieder jenem Schuld gaben, lässt sich nicht entscheiden; die fortwährende Piraterie, die Leere des öf- fentlichen Schatzes und die lässige und unordentliche Ueberwa- chung der Kornzufuhr durch die Regierung reichten übrigens auch ohne politischen Kornwucher an sich schon vollkommen aus, um in einer fast lediglich auf überseeische Zufuhr ange- wiesenen Grossstadt Brottheurungen herbeizuführen. Pompeius Plan war sich vom Senat die Oberaufsicht über das Getreidewe- sen im ganzen Umfang des römischen Reiches und zu diesem Endzwecke theils das unbeschränkte Verfügungsrecht über die römische Staatskasse, theils Heer und Flotte übertragen zu las- sen so wie ein Commando, welches nicht bloss über das ganze römische Reich sich erstreckte, sondern dem auch in jeder Pro- vinz das des Statthalters wich -- kurz er beabsichtigte eine ver- besserte Auflage des gabinischen Gesetzes zu veranstalten, woran sich sodann die Führung des eben damals schwebenden aegypti- schen Krieges (S. 146) ebenso von selbst angeschlossen haben würde wie die des mithradatischen an die Razzia gegen die Pira- ten. Wie sehr auch die Opposition gegen die neuen Dynasten in den letzten Jahren Boden gewonnen hatte, es stand dennoch, als diese Angelegenheit im Sept. 697 im Senat zur Verhandlung kam, die Majorität des Senats noch unter dem Bann des von Caesar erregten Schreckens. Gehorsam nahm sie im Princip ihn an und zwar auf Antrag des Marcus Cicero, der hier den ersten Beweis
FÜNFTES BUCH. KAPITEL VIII.
Es war dies die eine der Aristokratie sich darbietende Möglichkeit des endlichen Sieges. Aber es gab noch einen anderen und ehren- volleren Weg. Warum nicht die Machthaber mit offenem Visir angreifen? warum cassirte nicht ein entschlossener und namhaf- ter Mann an der Spitze des Senats die auſserordentlichen Gewal- ten als verfassungswidrig und rief die sämmtlichen Republikaner Italiens gegen die Tyrannen und deren Anhang unter die Waffen? Möglicher Weise konnte es auch auf diesem Wege gelingen die Senatsherrschaft noch einmal zu restauriren. Allerdings spielte man hohes Spiel; aber vielleicht war auch hier, wie oft, der mu- thigste Entschluſs zugleich der klügste.
Im Herbst 697 that Pompeius die ersten Schritte um mit Hülfe des Senats seine politische Stellung zu verbessern. Er knüpfte wieder an an das, wodurch er elf Jahre zuvor seine Macht begründet hatte: an die Brotpreise in der Hauptstadt, die eben damals wie vor dem gabinischen Gesetz eine drückende Höhe er- reicht hatten. Ob sie durch besondere Machinationen hinaufge- trieben worden waren, wie deren Clodius bald dem Pompeius, bald dem Cicero und diese wieder jenem Schuld gaben, lässt sich nicht entscheiden; die fortwährende Piraterie, die Leere des öf- fentlichen Schatzes und die lässige und unordentliche Ueberwa- chung der Kornzufuhr durch die Regierung reichten übrigens auch ohne politischen Kornwucher an sich schon vollkommen aus, um in einer fast lediglich auf überseeische Zufuhr ange- wiesenen Groſsstadt Brottheurungen herbeizuführen. Pompeius Plan war sich vom Senat die Oberaufsicht über das Getreidewe- sen im ganzen Umfang des römischen Reiches und zu diesem Endzwecke theils das unbeschränkte Verfügungsrecht über die römische Staatskasse, theils Heer und Flotte übertragen zu las- sen so wie ein Commando, welches nicht bloſs über das ganze römische Reich sich erstreckte, sondern dem auch in jeder Pro- vinz das des Statthalters wich — kurz er beabsichtigte eine ver- besserte Auflage des gabinischen Gesetzes zu veranstalten, woran sich sodann die Führung des eben damals schwebenden aegypti- schen Krieges (S. 146) ebenso von selbst angeschlossen haben würde wie die des mithradatischen an die Razzia gegen die Pira- ten. Wie sehr auch die Opposition gegen die neuen Dynasten in den letzten Jahren Boden gewonnen hatte, es stand dennoch, als diese Angelegenheit im Sept. 697 im Senat zur Verhandlung kam, die Majorität des Senats noch unter dem Bann des von Caesar erregten Schreckens. Gehorsam nahm sie im Princip ihn an und zwar auf Antrag des Marcus Cicero, der hier den ersten Beweis
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FÜNFTES BUCH. KAPITEL VIII.
Es war dies die eine der Aristokratie sich darbietende Möglichkeit
des endlichen Sieges. Aber es gab noch einen anderen und ehren-
volleren Weg. Warum nicht die Machthaber mit offenem Visir
angreifen? warum cassirte nicht ein entschlossener und namhaf-
ter Mann an der Spitze des Senats die auſserordentlichen Gewal-
ten als verfassungswidrig und rief die sämmtlichen Republikaner
Italiens gegen die Tyrannen und deren Anhang unter die Waffen?
Möglicher Weise konnte es auch auf diesem Wege gelingen die
Senatsherrschaft noch einmal zu restauriren. Allerdings spielte
man hohes Spiel; aber vielleicht war auch hier, wie oft, der mu-
thigste Entschluſs zugleich der klügste.
Im Herbst 697 that Pompeius die ersten Schritte um mit
Hülfe des Senats seine politische Stellung zu verbessern. Er
knüpfte wieder an an das, wodurch er elf Jahre zuvor seine Macht
begründet hatte: an die Brotpreise in der Hauptstadt, die eben
damals wie vor dem gabinischen Gesetz eine drückende Höhe er-
reicht hatten. Ob sie durch besondere Machinationen hinaufge-
trieben worden waren, wie deren Clodius bald dem Pompeius,
bald dem Cicero und diese wieder jenem Schuld gaben, lässt sich
nicht entscheiden; die fortwährende Piraterie, die Leere des öf-
fentlichen Schatzes und die lässige und unordentliche Ueberwa-
chung der Kornzufuhr durch die Regierung reichten übrigens
auch ohne politischen Kornwucher an sich schon vollkommen
aus, um in einer fast lediglich auf überseeische Zufuhr ange-
wiesenen Groſsstadt Brottheurungen herbeizuführen. Pompeius
Plan war sich vom Senat die Oberaufsicht über das Getreidewe-
sen im ganzen Umfang des römischen Reiches und zu diesem
Endzwecke theils das unbeschränkte Verfügungsrecht über die
römische Staatskasse, theils Heer und Flotte übertragen zu las-
sen so wie ein Commando, welches nicht bloſs über das ganze
römische Reich sich erstreckte, sondern dem auch in jeder Pro-
vinz das des Statthalters wich — kurz er beabsichtigte eine ver-
besserte Auflage des gabinischen Gesetzes zu veranstalten, woran
sich sodann die Führung des eben damals schwebenden aegypti-
schen Krieges (S. 146) ebenso von selbst angeschlossen haben
würde wie die des mithradatischen an die Razzia gegen die Pira-
ten. Wie sehr auch die Opposition gegen die neuen Dynasten in
den letzten Jahren Boden gewonnen hatte, es stand dennoch, als
diese Angelegenheit im Sept. 697 im Senat zur Verhandlung kam,
die Majorität des Senats noch unter dem Bann des von Caesar
erregten Schreckens. Gehorsam nahm sie im Princip ihn an und
zwar auf Antrag des Marcus Cicero, der hier den ersten Beweis
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/298>, abgerufen am 22.12.2024.
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