Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT. feierlicher Weise, übrigens durch die Bande des Titus AnniusMilo geschützt gegen die Clodianer, brachten beide Consuln nach vorgängigem Senatsbeschluss einen Antrag an die Bürgerschaft dem Consular Cicero die Rückkehr zu gestatten und der Senat rief sämmtliche verfassungstreue Bürger auf bei der Abstimmung nicht zu fehlen. Wirklich versammelte sich am Tage der Abstim- mung (4. Aug. 697) in Rom namentlich aus den Landstädten eine ungewöhnliche Anzahl angesehener Männer. Die Reise des Consulars von Brundisium nach der Hauptstadt gab Gelegenheit zu einer Reihe ähnlicher nicht minder glänzender Manifestationen der öffentlichen Meinung. Das neue Bündniss zwischen dem Se- nat und der verfassungstreuen Bürgerschaft ward bei dieser Ge- legenheit gleichsam öffentlich bekannt gemacht und eine Art Re- vue über die letztere gehalten, deren überraschend günstiges Er- gebniss nicht wenig dazu beitrug den gesunkenen Muth der Ari- stokratie wieder aufzurichten. Die seltene Ungeschicklichkeit, die Pompeius in der Leitung der der Coalition ergebenen Fraction des Senats entwickelte, und die Rathlosigkeit der sich selbst über- lassenen Clientel steigerten noch ferner den Einfluss, den die An- hänger der gestürzten Regierung im Senat wieder anfingen zu ge- winnen. Endlich ward die unwürdige Stellung, die Pompeius gegen Clodius einnahm, dem Ansehen der Coalition ebenso schädlich wie der Nobilität förderlich. Für einen muthigen und geschickten Spie- ler stand damals -- 697 -- das Spiel des Adels noch keines- wegs verzweifelt. Das Verhältniss der beiden Machthaber, deren Coalition den Staat beherrschte, hatte sich verschoben und ge- lockert, seit Caesar übermächtig neben Pompeius sich gestellt und diesen genöthigt hatte um eine neue Machtstellung zu wer- ben; es war wahrscheinlich, dass, wenn er dieselbe erlangte, es damit auf die eine oder die andere Weise zum Bruch und zum Kampfe kam. Wenn in diesem Pompeius allein blieb, so war seine Niederlage freilich kaum zweifelhaft und die Verfassungs- partei fand in diesem Fall nach beendigtem Kampfe sich nur statt unter der Zwei- unter der Einherrschaft. Allein wenn die Nobi- lität gegen Caesar dasselbe Mittel wandte, durch das dieser seine bisherigen Siege erfochten hatte, und eine Coalition mit dem schwächeren Nebenbuhler einging, so war es wahrscheinlich, dass mit einem Feldherrn wie Pompeius, mit einem Heere wie das der Verfassungstreuen war, der Sieg der Coalition blieb; nach dem Siege aber mit Pompeius fertig zu werden konnte, nach den Be- weisen von politischer Unfähigkeit, die derselbe zeither gege- ben, nicht als eine besonders schwierige Aufgabe erscheinen. -- POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT. feierlicher Weise, übrigens durch die Bande des Titus AnniusMilo geschützt gegen die Clodianer, brachten beide Consuln nach vorgängigem Senatsbeschluſs einen Antrag an die Bürgerschaft dem Consular Cicero die Rückkehr zu gestatten und der Senat rief sämmtliche verfassungstreue Bürger auf bei der Abstimmung nicht zu fehlen. Wirklich versammelte sich am Tage der Abstim- mung (4. Aug. 697) in Rom namentlich aus den Landstädten eine ungewöhnliche Anzahl angesehener Männer. Die Reise des Consulars von Brundisium nach der Hauptstadt gab Gelegenheit zu einer Reihe ähnlicher nicht minder glänzender Manifestationen der öffentlichen Meinung. Das neue Bündniſs zwischen dem Se- nat und der verfassungstreuen Bürgerschaft ward bei dieser Ge- legenheit gleichsam öffentlich bekannt gemacht und eine Art Re- vue über die letztere gehalten, deren überraschend günstiges Er- gebniſs nicht wenig dazu beitrug den gesunkenen Muth der Ari- stokratie wieder aufzurichten. Die seltene Ungeschicklichkeit, die Pompeius in der Leitung der der Coalition ergebenen Fraction des Senats entwickelte, und die Rathlosigkeit der sich selbst über- lassenen Clientel steigerten noch ferner den Einfluſs, den die An- hänger der gestürzten Regierung im Senat wieder anfingen zu ge- winnen. Endlich ward die unwürdige Stellung, die Pompeius gegen Clodius einnahm, dem Ansehen der Coalition ebenso schädlich wie der Nobilität förderlich. Für einen muthigen und geschickten Spie- ler stand damals — 697 — das Spiel des Adels noch keines- wegs verzweifelt. Das Verhältniſs der beiden Machthaber, deren Coalition den Staat beherrschte, hatte sich verschoben und ge- lockert, seit Caesar übermächtig neben Pompeius sich gestellt und diesen genöthigt hatte um eine neue Machtstellung zu wer- ben; es war wahrscheinlich, daſs, wenn er dieselbe erlangte, es damit auf die eine oder die andere Weise zum Bruch und zum Kampfe kam. Wenn in diesem Pompeius allein blieb, so war seine Niederlage freilich kaum zweifelhaft und die Verfassungs- partei fand in diesem Fall nach beendigtem Kampfe sich nur statt unter der Zwei- unter der Einherrschaft. Allein wenn die Nobi- lität gegen Caesar dasselbe Mittel wandte, durch das dieser seine bisherigen Siege erfochten hatte, und eine Coalition mit dem schwächeren Nebenbuhler einging, so war es wahrscheinlich, daſs mit einem Feldherrn wie Pompeius, mit einem Heere wie das der Verfassungstreuen war, der Sieg der Coalition blieb; nach dem Siege aber mit Pompeius fertig zu werden konnte, nach den Be- weisen von politischer Unfähigkeit, die derselbe zeither gege- ben, nicht als eine besonders schwierige Aufgabe erscheinen. — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0297" n="287"/><fw place="top" type="header">POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT.</fw><lb/> feierlicher Weise, übrigens durch die Bande des Titus Annius<lb/> Milo geschützt gegen die Clodianer, brachten beide Consuln nach<lb/> vorgängigem Senatsbeschluſs einen Antrag an die Bürgerschaft<lb/> dem Consular Cicero die Rückkehr zu gestatten und der Senat<lb/> rief sämmtliche verfassungstreue Bürger auf bei der Abstimmung<lb/> nicht zu fehlen. 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Die seltene Ungeschicklichkeit, die<lb/> Pompeius in der Leitung der der Coalition ergebenen Fraction<lb/> des Senats entwickelte, und die Rathlosigkeit der sich selbst über-<lb/> lassenen Clientel steigerten noch ferner den Einfluſs, den die An-<lb/> hänger der gestürzten Regierung im Senat wieder anfingen zu ge-<lb/> winnen. Endlich ward die unwürdige Stellung, die Pompeius gegen<lb/> Clodius einnahm, dem Ansehen der Coalition ebenso schädlich wie<lb/> der Nobilität förderlich. Für einen muthigen und geschickten Spie-<lb/> ler stand damals — 697 — das Spiel des Adels noch keines-<lb/> wegs verzweifelt. 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POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT.
feierlicher Weise, übrigens durch die Bande des Titus Annius
Milo geschützt gegen die Clodianer, brachten beide Consuln nach
vorgängigem Senatsbeschluſs einen Antrag an die Bürgerschaft
dem Consular Cicero die Rückkehr zu gestatten und der Senat
rief sämmtliche verfassungstreue Bürger auf bei der Abstimmung
nicht zu fehlen. Wirklich versammelte sich am Tage der Abstim-
mung (4. Aug. 697) in Rom namentlich aus den Landstädten
eine ungewöhnliche Anzahl angesehener Männer. Die Reise des
Consulars von Brundisium nach der Hauptstadt gab Gelegenheit
zu einer Reihe ähnlicher nicht minder glänzender Manifestationen
der öffentlichen Meinung. Das neue Bündniſs zwischen dem Se-
nat und der verfassungstreuen Bürgerschaft ward bei dieser Ge-
legenheit gleichsam öffentlich bekannt gemacht und eine Art Re-
vue über die letztere gehalten, deren überraschend günstiges Er-
gebniſs nicht wenig dazu beitrug den gesunkenen Muth der Ari-
stokratie wieder aufzurichten. Die seltene Ungeschicklichkeit, die
Pompeius in der Leitung der der Coalition ergebenen Fraction
des Senats entwickelte, und die Rathlosigkeit der sich selbst über-
lassenen Clientel steigerten noch ferner den Einfluſs, den die An-
hänger der gestürzten Regierung im Senat wieder anfingen zu ge-
winnen. Endlich ward die unwürdige Stellung, die Pompeius gegen
Clodius einnahm, dem Ansehen der Coalition ebenso schädlich wie
der Nobilität förderlich. Für einen muthigen und geschickten Spie-
ler stand damals — 697 — das Spiel des Adels noch keines-
wegs verzweifelt. Das Verhältniſs der beiden Machthaber, deren
Coalition den Staat beherrschte, hatte sich verschoben und ge-
lockert, seit Caesar übermächtig neben Pompeius sich gestellt
und diesen genöthigt hatte um eine neue Machtstellung zu wer-
ben; es war wahrscheinlich, daſs, wenn er dieselbe erlangte, es
damit auf die eine oder die andere Weise zum Bruch und zum
Kampfe kam. Wenn in diesem Pompeius allein blieb, so war
seine Niederlage freilich kaum zweifelhaft und die Verfassungs-
partei fand in diesem Fall nach beendigtem Kampfe sich nur statt
unter der Zwei- unter der Einherrschaft. Allein wenn die Nobi-
lität gegen Caesar dasselbe Mittel wandte, durch das dieser seine
bisherigen Siege erfochten hatte, und eine Coalition mit dem
schwächeren Nebenbuhler einging, so war es wahrscheinlich, daſs
mit einem Feldherrn wie Pompeius, mit einem Heere wie das der
Verfassungstreuen war, der Sieg der Coalition blieb; nach dem
Siege aber mit Pompeius fertig zu werden konnte, nach den Be-
weisen von politischer Unfähigkeit, die derselbe zeither gege-
ben, nicht als eine besonders schwierige Aufgabe erscheinen. —
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