Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT. bei der Coalition von 694 Verschiedenes an den Tag gekommen,was für das Sonnenlicht noch keineswegs reif war: die Verban- nung Catos und Ciceros, welche die öffentliche Meinung, wie sehr auch die Machthaber dabei sich zurückhielten und sogar sich die Miene gaben sie zu beklagen, mit ungeirrtem Tact auf ihre wahren Urheber zurückführte, und die Verschwägerung zwischen Caesar und Pompeius erinnerten mit unerfreulicher Deutlichkeit an monarchische Ausweisungsdecrete und Familienallianzen. Auch das grössere Publicum, das den politischen Ereignissen ferner stand, ward aufmerksam auf die immer bestimmter her- vortretenden Grundlagen der künftigen Monarchie. Von dem Augenblick an, wo man begriff, dass es Caesar nicht um eine Modification der republicanischen Verfassung zu thun sei, son- dern dass es sich handle um Sein oder Nichtsein der Republik, werden unfehlbar eine Menge der besten Männer, die bisher sich zur Popularpartei gerechnet und in Caesar ihr Haupt verehrt hatten, auf die entgegengesetzte Seite übergetreten sein. Nicht mehr allein in den Salons und den Landhäusern des regierenden Adels wurden die Reden von den ,drei Dynasten', dem ,drei- köpfigen Ungeheuer' vernommen. Caesars consularischen Reden horchte die Menge dichtgedrängt, ohne dass Zuruf oder Beifall aus ihr erscholl; keine Hand regte sich zum Klatschen, wenn der demokratische Consul in das Theater trat. Wohl aber pfiff man, wo eines der Werkzeuge der Machthaber öffentlich sich sehen liess, und selbst gesetzte Männer klatschten, wenn ein Schauspie- ler eine antimonarchische Sentenz oder eine Anspielung gegen Pompeius vorbrachte. Ja als Cicero ausgewiesen werden sollte, legten eine grosse Zahl -- angeblich zwanzigtausend -- Bürger grösstentheils aus den Mittelklassen nach dem Beispiel des Senats das Trauergewand an. ,Nichts ist jetzt populärer', heisst es in einem Briefe aus dieser Zeit, ,als der Hass der Popularpartei'. Die Machthaber liessen Andeutungen fallen, dass durch solche Oppo- sition leicht die Ritter ihre neuen Sonderplätze im Theater, der gemeine Mann sein Brotkorn einbüssen könne; man nahm sich darauf mit den Aeusserungen des Unwillens vielleicht etwas mehr in Acht, aber die Stimmung blieb die gleiche. Mit besserem Er- folg ward der Hebel der materiellen Interessen angesetzt. Caesars Gold floss in Strömen. Scheinreiche mit zerrütteten Finanzen, einflussreiche in Geldverlegenheiten befangene Damen, verschul- dete junge Adliche, bedrängte Kaufleute und Banquiers gingen entweder selbst nach Gallien, um an der Quelle zu schöpfen, oder wandten sich an Caesars hauptstädtische Agenten; und nicht POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT. bei der Coalition von 694 Verschiedenes an den Tag gekommen,was für das Sonnenlicht noch keineswegs reif war: die Verban- nung Catos und Ciceros, welche die öffentliche Meinung, wie sehr auch die Machthaber dabei sich zurückhielten und sogar sich die Miene gaben sie zu beklagen, mit ungeirrtem Tact auf ihre wahren Urheber zurückführte, und die Verschwägerung zwischen Caesar und Pompeius erinnerten mit unerfreulicher Deutlichkeit an monarchische Ausweisungsdecrete und Familienallianzen. Auch das gröſsere Publicum, das den politischen Ereignissen ferner stand, ward aufmerksam auf die immer bestimmter her- vortretenden Grundlagen der künftigen Monarchie. Von dem Augenblick an, wo man begriff, daſs es Caesar nicht um eine Modification der republicanischen Verfassung zu thun sei, son- dern daſs es sich handle um Sein oder Nichtsein der Republik, werden unfehlbar eine Menge der besten Männer, die bisher sich zur Popularpartei gerechnet und in Caesar ihr Haupt verehrt hatten, auf die entgegengesetzte Seite übergetreten sein. Nicht mehr allein in den Salons und den Landhäusern des regierenden Adels wurden die Reden von den ‚drei Dynasten‘, dem ‚drei- köpfigen Ungeheuer‘ vernommen. Caesars consularischen Reden horchte die Menge dichtgedrängt, ohne daſs Zuruf oder Beifall aus ihr erscholl; keine Hand regte sich zum Klatschen, wenn der demokratische Consul in das Theater trat. Wohl aber pfiff man, wo eines der Werkzeuge der Machthaber öffentlich sich sehen lieſs, und selbst gesetzte Männer klatschten, wenn ein Schauspie- ler eine antimonarchische Sentenz oder eine Anspielung gegen Pompeius vorbrachte. Ja als Cicero ausgewiesen werden sollte, legten eine groſse Zahl — angeblich zwanzigtausend — Bürger gröſstentheils aus den Mittelklassen nach dem Beispiel des Senats das Trauergewand an. ‚Nichts ist jetzt populärer‘, heiſst es in einem Briefe aus dieser Zeit, ‚als der Haſs der Popularpartei‘. Die Machthaber lieſsen Andeutungen fallen, daſs durch solche Oppo- sition leicht die Ritter ihre neuen Sonderplätze im Theater, der gemeine Mann sein Brotkorn einbüſsen könne; man nahm sich darauf mit den Aeuſserungen des Unwillens vielleicht etwas mehr in Acht, aber die Stimmung blieb die gleiche. Mit besserem Er- folg ward der Hebel der materiellen Interessen angesetzt. Caesars Gold floſs in Strömen. Scheinreiche mit zerrütteten Finanzen, einfluſsreiche in Geldverlegenheiten befangene Damen, verschul- dete junge Adliche, bedrängte Kaufleute und Banquiers gingen entweder selbst nach Gallien, um an der Quelle zu schöpfen, oder wandten sich an Caesars hauptstädtische Agenten; und nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0295" n="285"/><fw place="top" type="header">POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT.</fw><lb/> bei der Coalition von 694 Verschiedenes an den Tag gekommen,<lb/> was für das Sonnenlicht noch keineswegs reif war: die Verban-<lb/> nung Catos und Ciceros, welche die öffentliche Meinung, wie<lb/> sehr auch die Machthaber dabei sich zurückhielten und sogar sich<lb/> die Miene gaben sie zu beklagen, mit ungeirrtem Tact auf ihre<lb/> wahren Urheber zurückführte, und die Verschwägerung zwischen<lb/> Caesar und Pompeius erinnerten mit unerfreulicher Deutlichkeit<lb/> an monarchische Ausweisungsdecrete und Familienallianzen.<lb/> Auch das gröſsere Publicum, das den politischen Ereignissen<lb/> ferner stand, ward aufmerksam auf die immer bestimmter her-<lb/> vortretenden Grundlagen der künftigen Monarchie. 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Wohl aber pfiff man,<lb/> wo eines der Werkzeuge der Machthaber öffentlich sich sehen<lb/> lieſs, und selbst gesetzte Männer klatschten, wenn ein Schauspie-<lb/> ler eine antimonarchische Sentenz oder eine Anspielung gegen<lb/> Pompeius vorbrachte. Ja als Cicero ausgewiesen werden sollte,<lb/> legten eine groſse Zahl — angeblich zwanzigtausend — Bürger<lb/> gröſstentheils aus den Mittelklassen nach dem Beispiel des Senats<lb/> das Trauergewand an. ‚Nichts ist jetzt populärer‘, heiſst es in<lb/> einem Briefe aus dieser Zeit, ‚als der Haſs der Popularpartei‘. Die<lb/> Machthaber lieſsen Andeutungen fallen, daſs durch solche Oppo-<lb/> sition leicht die Ritter ihre neuen Sonderplätze im Theater, der<lb/> gemeine Mann sein Brotkorn einbüſsen könne; man nahm sich<lb/> darauf mit den Aeuſserungen des Unwillens vielleicht etwas mehr<lb/> in Acht, aber die Stimmung blieb die gleiche. Mit besserem Er-<lb/> folg ward der Hebel der materiellen Interessen angesetzt. 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POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT.
bei der Coalition von 694 Verschiedenes an den Tag gekommen,
was für das Sonnenlicht noch keineswegs reif war: die Verban-
nung Catos und Ciceros, welche die öffentliche Meinung, wie
sehr auch die Machthaber dabei sich zurückhielten und sogar sich
die Miene gaben sie zu beklagen, mit ungeirrtem Tact auf ihre
wahren Urheber zurückführte, und die Verschwägerung zwischen
Caesar und Pompeius erinnerten mit unerfreulicher Deutlichkeit
an monarchische Ausweisungsdecrete und Familienallianzen.
Auch das gröſsere Publicum, das den politischen Ereignissen
ferner stand, ward aufmerksam auf die immer bestimmter her-
vortretenden Grundlagen der künftigen Monarchie. Von dem
Augenblick an, wo man begriff, daſs es Caesar nicht um eine
Modification der republicanischen Verfassung zu thun sei, son-
dern daſs es sich handle um Sein oder Nichtsein der Republik,
werden unfehlbar eine Menge der besten Männer, die bisher sich
zur Popularpartei gerechnet und in Caesar ihr Haupt verehrt
hatten, auf die entgegengesetzte Seite übergetreten sein. Nicht
mehr allein in den Salons und den Landhäusern des regierenden
Adels wurden die Reden von den ‚drei Dynasten‘, dem ‚drei-
köpfigen Ungeheuer‘ vernommen. Caesars consularischen Reden
horchte die Menge dichtgedrängt, ohne daſs Zuruf oder Beifall
aus ihr erscholl; keine Hand regte sich zum Klatschen, wenn der
demokratische Consul in das Theater trat. Wohl aber pfiff man,
wo eines der Werkzeuge der Machthaber öffentlich sich sehen
lieſs, und selbst gesetzte Männer klatschten, wenn ein Schauspie-
ler eine antimonarchische Sentenz oder eine Anspielung gegen
Pompeius vorbrachte. Ja als Cicero ausgewiesen werden sollte,
legten eine groſse Zahl — angeblich zwanzigtausend — Bürger
gröſstentheils aus den Mittelklassen nach dem Beispiel des Senats
das Trauergewand an. ‚Nichts ist jetzt populärer‘, heiſst es in
einem Briefe aus dieser Zeit, ‚als der Haſs der Popularpartei‘. Die
Machthaber lieſsen Andeutungen fallen, daſs durch solche Oppo-
sition leicht die Ritter ihre neuen Sonderplätze im Theater, der
gemeine Mann sein Brotkorn einbüſsen könne; man nahm sich
darauf mit den Aeuſserungen des Unwillens vielleicht etwas mehr
in Acht, aber die Stimmung blieb die gleiche. Mit besserem Er-
folg ward der Hebel der materiellen Interessen angesetzt. Caesars
Gold floſs in Strömen. Scheinreiche mit zerrütteten Finanzen,
einfluſsreiche in Geldverlegenheiten befangene Damen, verschul-
dete junge Adliche, bedrängte Kaufleute und Banquiers gingen
entweder selbst nach Gallien, um an der Quelle zu schöpfen, oder
wandten sich an Caesars hauptstädtische Agenten; und nicht
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