Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT. schen Zustand das Verlangen nach einer starken auf Militärmachtgegründeten Regierung in den Gemüthern der politisch indiffe- rent Gesinnten lebendig angefacht worden sei. Auch abgesehen davon, dass diese neutrale Bürgerschaft hauptsächlich ausserhalb Rom zu suchen war und also von dem hauptstädtischen Crawal- liren nicht unmittelbar berührt ward, so waren diejenigen Gemü- ther, die überhaupt durch solche Motive sich bestimmen liessen, schon durch frühere Erfahrungen, namentlich die catilinarische Verschwörung, gründlich zum Autoritätsprincip bekehrt worden; auf die eigentlichen Aengsterlinge aber wirkte die Furcht vor der von jeder Usurpation unzertrennlichen ungeheuren Krise bei wei- tem nachdrücklicher als die Furcht vor der blossen Fortdauer der im Grunde doch sehr oberflächlichen hauptstädtischen Anarchie. Das einzige Ergebniss derselben, das geschichtlich in Anschlag kommt, ist die peinliche Stellung, in die Pompeius durch die An- griffe der Clodianer gerieth und durch die sein weiteres Verfah- ren wesentlich mit bedingt ward. Wie wenig Pompeius auch die Initiative liebte und verstand, POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT. schen Zustand das Verlangen nach einer starken auf Militärmachtgegründeten Regierung in den Gemüthern der politisch indiffe- rent Gesinnten lebendig angefacht worden sei. Auch abgesehen davon, daſs diese neutrale Bürgerschaft hauptsächlich auſserhalb Rom zu suchen war und also von dem hauptstädtischen Crawal- liren nicht unmittelbar berührt ward, so waren diejenigen Gemü- ther, die überhaupt durch solche Motive sich bestimmen lieſsen, schon durch frühere Erfahrungen, namentlich die catilinarische Verschwörung, gründlich zum Autoritätsprincip bekehrt worden; auf die eigentlichen Aengsterlinge aber wirkte die Furcht vor der von jeder Usurpation unzertrennlichen ungeheuren Krise bei wei- tem nachdrücklicher als die Furcht vor der bloſsen Fortdauer der im Grunde doch sehr oberflächlichen hauptstädtischen Anarchie. Das einzige Ergebniſs derselben, das geschichtlich in Anschlag kommt, ist die peinliche Stellung, in die Pompeius durch die An- griffe der Clodianer gerieth und durch die sein weiteres Verfah- ren wesentlich mit bedingt ward. Wie wenig Pompeius auch die Initiative liebte und verstand, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0293" n="283"/><fw place="top" type="header">POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT.</fw><lb/> schen Zustand das Verlangen nach einer starken auf Militärmacht<lb/> gegründeten Regierung in den Gemüthern der politisch indiffe-<lb/> rent Gesinnten lebendig angefacht worden sei. Auch abgesehen<lb/> davon, daſs diese neutrale Bürgerschaft hauptsächlich auſserhalb<lb/> Rom zu suchen war und also von dem hauptstädtischen Crawal-<lb/> liren nicht unmittelbar berührt ward, so waren diejenigen Gemü-<lb/> ther, die überhaupt durch solche Motive sich bestimmen lieſsen,<lb/> schon durch frühere Erfahrungen, namentlich die catilinarische<lb/> Verschwörung, gründlich zum Autoritätsprincip bekehrt worden;<lb/> auf die eigentlichen Aengsterlinge aber wirkte die Furcht vor der<lb/> von jeder Usurpation unzertrennlichen ungeheuren Krise bei wei-<lb/> tem nachdrücklicher als die Furcht vor der bloſsen Fortdauer der<lb/> im Grunde doch sehr oberflächlichen hauptstädtischen Anarchie.<lb/> Das einzige Ergebniſs derselben, das geschichtlich in Anschlag<lb/> kommt, ist die peinliche Stellung, in die Pompeius durch die An-<lb/> griffe der Clodianer gerieth und durch die sein weiteres Verfah-<lb/> ren wesentlich mit bedingt ward.</p><lb/> <p>Wie wenig Pompeius auch die Initiative liebte und verstand,<lb/> so ward er doch durch die Verhältnisse gezwungen aus sei-<lb/> ner bisherigen Passivität herauszutreten. Die verdrieſsliche und<lb/> schimpfliche Lage, in die ihn Clodius versetzt hatte, muſste auf<lb/> die Länge selbst seine träge Natur zu Haſs und Zorn entflammen.<lb/> Aber weit wichtiger war die Verwandlung, die in seinem Verhält-<lb/> niſs zu Caesar stattgefunden hatte. Wenn von den beiden ver-<lb/> bündeten Machthabern Pompeius in der übernommenen Thätig-<lb/> keit vollkommen bankerott geworden war, so hatte Caesar aus<lb/> seiner Competenz etwas zu machen gewuſst, was jede Berech-<lb/> nung wie jede Befürchtung weit hinter sich lieſs. Ohne wegen<lb/> der Erlaubniſs viel anzufragen hatte Caesar durch Aushebungen<lb/> in seiner groſsentheils von römischen Bürgern bewohnten süd-<lb/> lichen Provinz sein Heer verdoppelt, hatte mit diesem, statt von<lb/> Norditalien aus über Rom Wache zu halten, die Alpen überschrit-<lb/> ten, eine neue kimbrische Invasion im Beginn erstickt und bin-<lb/> nen zwei Jahren (696. 697) die römischen Waffen bis an den<lb/> Rhein und den Kanal getragen. Solchen Thatsachen gegenüber<lb/> ging selbst der aristokratischen Taktik des Ignorirens und Ver-<lb/> kleinerns der Athem aus. Der oft als Zärtling Verhöhnte war<lb/> jetzt der Abgott der Armee, der gefeierte sieggekrönte Held, des-<lb/> sen junge Lorbeern die welken des Pompeius überglänzten und<lb/> dem sogar der Senat die nach glücklichen Feldzügen üblichen<lb/> Ehrenbezeigungen schon 697 in reicherem Maſse zuerkannte,<lb/> als sie je Pompeius zu Theil geworden waren. Pompeius<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [283/0293]
POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT.
schen Zustand das Verlangen nach einer starken auf Militärmacht
gegründeten Regierung in den Gemüthern der politisch indiffe-
rent Gesinnten lebendig angefacht worden sei. Auch abgesehen
davon, daſs diese neutrale Bürgerschaft hauptsächlich auſserhalb
Rom zu suchen war und also von dem hauptstädtischen Crawal-
liren nicht unmittelbar berührt ward, so waren diejenigen Gemü-
ther, die überhaupt durch solche Motive sich bestimmen lieſsen,
schon durch frühere Erfahrungen, namentlich die catilinarische
Verschwörung, gründlich zum Autoritätsprincip bekehrt worden;
auf die eigentlichen Aengsterlinge aber wirkte die Furcht vor der
von jeder Usurpation unzertrennlichen ungeheuren Krise bei wei-
tem nachdrücklicher als die Furcht vor der bloſsen Fortdauer der
im Grunde doch sehr oberflächlichen hauptstädtischen Anarchie.
Das einzige Ergebniſs derselben, das geschichtlich in Anschlag
kommt, ist die peinliche Stellung, in die Pompeius durch die An-
griffe der Clodianer gerieth und durch die sein weiteres Verfah-
ren wesentlich mit bedingt ward.
Wie wenig Pompeius auch die Initiative liebte und verstand,
so ward er doch durch die Verhältnisse gezwungen aus sei-
ner bisherigen Passivität herauszutreten. Die verdrieſsliche und
schimpfliche Lage, in die ihn Clodius versetzt hatte, muſste auf
die Länge selbst seine träge Natur zu Haſs und Zorn entflammen.
Aber weit wichtiger war die Verwandlung, die in seinem Verhält-
niſs zu Caesar stattgefunden hatte. Wenn von den beiden ver-
bündeten Machthabern Pompeius in der übernommenen Thätig-
keit vollkommen bankerott geworden war, so hatte Caesar aus
seiner Competenz etwas zu machen gewuſst, was jede Berech-
nung wie jede Befürchtung weit hinter sich lieſs. Ohne wegen
der Erlaubniſs viel anzufragen hatte Caesar durch Aushebungen
in seiner groſsentheils von römischen Bürgern bewohnten süd-
lichen Provinz sein Heer verdoppelt, hatte mit diesem, statt von
Norditalien aus über Rom Wache zu halten, die Alpen überschrit-
ten, eine neue kimbrische Invasion im Beginn erstickt und bin-
nen zwei Jahren (696. 697) die römischen Waffen bis an den
Rhein und den Kanal getragen. Solchen Thatsachen gegenüber
ging selbst der aristokratischen Taktik des Ignorirens und Ver-
kleinerns der Athem aus. Der oft als Zärtling Verhöhnte war
jetzt der Abgott der Armee, der gefeierte sieggekrönte Held, des-
sen junge Lorbeern die welken des Pompeius überglänzten und
dem sogar der Senat die nach glücklichen Feldzügen üblichen
Ehrenbezeigungen schon 697 in reicherem Maſse zuerkannte,
als sie je Pompeius zu Theil geworden waren. Pompeius
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |