Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT. eines Parteichefs; wie denn zum Beispiel Clodius nach einanderfür die herrschende Demokratie, für den Senat und für Crassus gefochten oder zu fechten vorgegeben hat. Farbe hielten die Bandenführer nur insofern, als sie ihre persönlichen Feinde, wie Clodius den Cicero, Milo den Clodius, unerbittlich verfolgten, wogegen die Parteistellung ihnen nur als Schachzug in diesen Personenfehden diente. Man könnte ebenso gut ein Charivari auf Noten setzen als die Geschichte dieses politischen Hexen- sabbaths schreiben wollen; es liegt auch nichts daran all die Mordthaten, Häuserbelagerungen, Brandstiftungen und sonsti- gen Räuberscenen inmitten einer Weltstadt aufzuzählen und nachzurechnen, wie oft die Scala vom Zischen und Schreien zum Anspeien und Niedertreten und von da zum Steinewerfen und Schwerterzücken durchgemacht ward. Der Protagonist auf diesem politischen Lumpentheater war jener Publius Clodius, dessen, wie schon erwähnt ward (S. 199), die Machthaber sich gegen Cato und Cicero bedienten. Sich selbst überlassen trieb dieser einflussreiche, talentvolle, energische und in sei- nem Metier in der That musterhafte Parteigänger zuerst ultra- demokratische Politik, gab den Städtern das Getreide umsonst, beschränkte das Recht der Censoren sittenlose Bürger zu be- mäkeln, untersagte den Beamten durch religiöse Hindernisse in den Gang der Comitialmaschine einzugreifen und beseitigte wieder die Schranken, die kurz zuvor (690), um dem Banden- wesen zu steuern, dem Associationsrecht der niederen Klas- sen gesetzt worden waren. Wenn dazu noch das Gesetz hin- zutrat, das Clodius bereits entworfen hatte und als Prätor 702 einzubringen gedachte, welches den Freigelassenen und den im thatsächlichen Besitz der Freiheit lebenden Sclaven die gleichen politischen Rechte mit den Freigeborenen gab, so konnte der neue Numa der Freiheit und Gleichheit sein Werk für vollen- det erklären, und es war die Zeit gekommen, wo der Urheber all dieser tapferen Verfassungsbesserungen den süssen Pöbel der Hauptstadt einladen konnte in dem auf einer seiner Brand- stätten am Palatin von ihm errichteten Tempel der Freiheit zur Feier des eingetretenen demokratischen Millenniums das Hochamt zu celebriren. Natürlich schlossen diese Freiheits- bestrebungen den Schacher mit Bürgerschaftsbeschlüssen nicht aus; wie Caesar hielt auch Gaesars Affe für seine Mitbürger Statthalterschaften und andere Posten und Pöstchen, für die unterthänigen Könige und Städte die Herrlichkeitsrechte des Staates feil. All diesen Dingen sah Pompeius zu, ohne sich POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT. eines Parteichefs; wie denn zum Beispiel Clodius nach einanderfür die herrschende Demokratie, für den Senat und für Crassus gefochten oder zu fechten vorgegeben hat. Farbe hielten die Bandenführer nur insofern, als sie ihre persönlichen Feinde, wie Clodius den Cicero, Milo den Clodius, unerbittlich verfolgten, wogegen die Parteistellung ihnen nur als Schachzug in diesen Personenfehden diente. Man könnte ebenso gut ein Charivari auf Noten setzen als die Geschichte dieses politischen Hexen- sabbaths schreiben wollen; es liegt auch nichts daran all die Mordthaten, Häuserbelagerungen, Brandstiftungen und sonsti- gen Räuberscenen inmitten einer Weltstadt aufzuzählen und nachzurechnen, wie oft die Scala vom Zischen und Schreien zum Anspeien und Niedertreten und von da zum Steinewerfen und Schwerterzücken durchgemacht ward. Der Protagonist auf diesem politischen Lumpentheater war jener Publius Clodius, dessen, wie schon erwähnt ward (S. 199), die Machthaber sich gegen Cato und Cicero bedienten. Sich selbst überlassen trieb dieser einfluſsreiche, talentvolle, energische und in sei- nem Metier in der That musterhafte Parteigänger zuerst ultra- demokratische Politik, gab den Städtern das Getreide umsonst, beschränkte das Recht der Censoren sittenlose Bürger zu be- mäkeln, untersagte den Beamten durch religiöse Hindernisse in den Gang der Comitialmaschine einzugreifen und beseitigte wieder die Schranken, die kurz zuvor (690), um dem Banden- wesen zu steuern, dem Associationsrecht der niederen Klas- sen gesetzt worden waren. Wenn dazu noch das Gesetz hin- zutrat, das Clodius bereits entworfen hatte und als Prätor 702 einzubringen gedachte, welches den Freigelassenen und den im thatsächlichen Besitz der Freiheit lebenden Sclaven die gleichen politischen Rechte mit den Freigeborenen gab, so konnte der neue Numa der Freiheit und Gleichheit sein Werk für vollen- det erklären, und es war die Zeit gekommen, wo der Urheber all dieser tapferen Verfassungsbesserungen den süſsen Pöbel der Hauptstadt einladen konnte in dem auf einer seiner Brand- stätten am Palatin von ihm errichteten Tempel der Freiheit zur Feier des eingetretenen demokratischen Millenniums das Hochamt zu celebriren. Natürlich schlossen diese Freiheits- bestrebungen den Schacher mit Bürgerschaftsbeschlüssen nicht aus; wie Caesar hielt auch Gaesars Affe für seine Mitbürger Statthalterschaften und andere Posten und Pöstchen, für die unterthänigen Könige und Städte die Herrlichkeitsrechte des Staates feil. 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Sich selbst überlassen<lb/> trieb dieser einfluſsreiche, talentvolle, energische und in sei-<lb/> nem Metier in der That musterhafte Parteigänger zuerst ultra-<lb/> demokratische Politik, gab den Städtern das Getreide umsonst,<lb/> beschränkte das Recht der Censoren sittenlose Bürger zu be-<lb/> mäkeln, untersagte den Beamten durch religiöse Hindernisse<lb/> in den Gang der Comitialmaschine einzugreifen und beseitigte<lb/> wieder die Schranken, die kurz zuvor (690), um dem Banden-<lb/> wesen zu steuern, dem Associationsrecht der niederen Klas-<lb/> sen gesetzt worden waren. 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POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT.
eines Parteichefs; wie denn zum Beispiel Clodius nach einander
für die herrschende Demokratie, für den Senat und für Crassus
gefochten oder zu fechten vorgegeben hat. Farbe hielten die
Bandenführer nur insofern, als sie ihre persönlichen Feinde, wie
Clodius den Cicero, Milo den Clodius, unerbittlich verfolgten,
wogegen die Parteistellung ihnen nur als Schachzug in diesen
Personenfehden diente. Man könnte ebenso gut ein Charivari
auf Noten setzen als die Geschichte dieses politischen Hexen-
sabbaths schreiben wollen; es liegt auch nichts daran all die
Mordthaten, Häuserbelagerungen, Brandstiftungen und sonsti-
gen Räuberscenen inmitten einer Weltstadt aufzuzählen und
nachzurechnen, wie oft die Scala vom Zischen und Schreien
zum Anspeien und Niedertreten und von da zum Steinewerfen
und Schwerterzücken durchgemacht ward. Der Protagonist auf
diesem politischen Lumpentheater war jener Publius Clodius,
dessen, wie schon erwähnt ward (S. 199), die Machthaber
sich gegen Cato und Cicero bedienten. Sich selbst überlassen
trieb dieser einfluſsreiche, talentvolle, energische und in sei-
nem Metier in der That musterhafte Parteigänger zuerst ultra-
demokratische Politik, gab den Städtern das Getreide umsonst,
beschränkte das Recht der Censoren sittenlose Bürger zu be-
mäkeln, untersagte den Beamten durch religiöse Hindernisse
in den Gang der Comitialmaschine einzugreifen und beseitigte
wieder die Schranken, die kurz zuvor (690), um dem Banden-
wesen zu steuern, dem Associationsrecht der niederen Klas-
sen gesetzt worden waren. Wenn dazu noch das Gesetz hin-
zutrat, das Clodius bereits entworfen hatte und als Prätor 702
einzubringen gedachte, welches den Freigelassenen und den im
thatsächlichen Besitz der Freiheit lebenden Sclaven die gleichen
politischen Rechte mit den Freigeborenen gab, so konnte der
neue Numa der Freiheit und Gleichheit sein Werk für vollen-
det erklären, und es war die Zeit gekommen, wo der Urheber
all dieser tapferen Verfassungsbesserungen den süſsen Pöbel
der Hauptstadt einladen konnte in dem auf einer seiner Brand-
stätten am Palatin von ihm errichteten Tempel der Freiheit
zur Feier des eingetretenen demokratischen Millenniums das
Hochamt zu celebriren. Natürlich schlossen diese Freiheits-
bestrebungen den Schacher mit Bürgerschaftsbeschlüssen nicht
aus; wie Caesar hielt auch Gaesars Affe für seine Mitbürger
Statthalterschaften und andere Posten und Pöstchen, für die
unterthänigen Könige und Städte die Herrlichkeitsrechte des
Staates feil. All diesen Dingen sah Pompeius zu, ohne sich
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