Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS. noch Alter. Die reichen Vorräthe, die die Kelten in Avaricum auf-gehäuft hatten und die nun dem Feinde zu Gute kamen, befriedig- ten seine dringendsten Bedürfnisse. Indess fand Caesar sich durch die gemachten Erfahrungen hinsichtlich der Verpflegung bewo- gen sein Heer zu theilen. Die kleinere Hälfte, vier Legionen unter Labienus, rückte an die Seine; er selbst mit den sechs übrigen marschirte durch das Gebiet der Haeduer gegen die Arverner. Ver- cingetorix versuchte ihm den Uebergang auf das linke Ufer des Allier zu verwehren, allein Caesar überlistete ihn und stand nach einigen Tagen vor der arvernischen Hauptstadt Gergovia*. Indess hatte Vercingetorix doch einigen Vorsprung und dadurch Zeit gehabt, hinreichende Vorräthe für die ohne Zweifel stark von ihm reducirte Armee in die Stadt zu schaffen und vor den Mauern der auf der Spitze eines ziemlich steil sich erhebenden Hügels gelegenen Stadt ein mit starken Steinwällen versehenes Stand- lager für seine Truppen anzulegen. Hier erwartete er den Feind. Caesar mit seiner verhältnissmässig schwachen Armee konnte den Platz weder regelmässig belagern noch auch nur hinreichend blokiren; er schlug sein Lager unterhalb der von Vercingetorix besetzten Anhöhe auf und verhielt sich nothgedrungen ebenso unthätig wie sein Gegner. Für die Insurgenten war es fast ein Sieg, dass Caesars von Triumph zu Triumph fortschreitender Lauf plötzlich gestockt war. In der That kamen die Folgen die- ser Stockung für Caesar fast denen einer Niederlage gleich. Die Haeduer, die bisher immer noch geschwankt hatten, machten jetzt ernstlich Anstalt der Patriotenpartei sich anzuschliessen; schon war die Mannschaft, die Caesar nach Gergovia entboten hatte, auf dem Marsche durch die Offiziere bestimmt worden * Man sucht diesen Ort auf einer Anhöhe in der unmittelbaren Nähe
der arvernischen Hauptstadt Nemetum, des heutigen Clermont, welche noch jetzt Gergoie genannt wird. Diese Ortsbestimmung passt wie zu den übri- gen Angaben Caesars so namentlich auch dazu, dass er Gergovia ziemlich deutlich als Hauptort der Arverner bezeichnet (7, 4); man wird dann an- zunehmen haben, dass die Arverner nach der Niederlage genöthigt wurden sich von Gergovia nach dem nahen weniger festen Nemetum überzusiedeln. Allein sicher begründet ist diese Bestimmung nicht. Die Urkunde von 1149, auf die man sich hauptsächlich beruft, ist von Baluze, der sie sah, nach äusseren und inneren Kennzeichen für gefälscht erklärt worden; ob die jüngeren Urkunden, in denen die gleiche Benennung erscheint, echt sind und ob die mündliche Tradition des Namens eine ursprüngliche und nicht wie so manche ähnliche aus falscher Gelehrsamkeit hervorgegangen ist, steht so lange dahin, bis eine kundige und vorurtheilsfreie Untersuchung hier Licht schaffen wird. DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS. noch Alter. Die reichen Vorräthe, die die Kelten in Avaricum auf-gehäuft hatten und die nun dem Feinde zu Gute kamen, befriedig- ten seine dringendsten Bedürfnisse. Indeſs fand Caesar sich durch die gemachten Erfahrungen hinsichtlich der Verpflegung bewo- gen sein Heer zu theilen. Die kleinere Hälfte, vier Legionen unter Labienus, rückte an die Seine; er selbst mit den sechs übrigen marschirte durch das Gebiet der Haeduer gegen die Arverner. Ver- cingetorix versuchte ihm den Uebergang auf das linke Ufer des Allier zu verwehren, allein Caesar überlistete ihn und stand nach einigen Tagen vor der arvernischen Hauptstadt Gergovia*. Indeſs hatte Vercingetorix doch einigen Vorsprung und dadurch Zeit gehabt, hinreichende Vorräthe für die ohne Zweifel stark von ihm reducirte Armee in die Stadt zu schaffen und vor den Mauern der auf der Spitze eines ziemlich steil sich erhebenden Hügels gelegenen Stadt ein mit starken Steinwällen versehenes Stand- lager für seine Truppen anzulegen. Hier erwartete er den Feind. Caesar mit seiner verhältniſsmäſsig schwachen Armee konnte den Platz weder regelmäſsig belagern noch auch nur hinreichend blokiren; er schlug sein Lager unterhalb der von Vercingetorix besetzten Anhöhe auf und verhielt sich nothgedrungen ebenso unthätig wie sein Gegner. Für die Insurgenten war es fast ein Sieg, daſs Caesars von Triumph zu Triumph fortschreitender Lauf plötzlich gestockt war. In der That kamen die Folgen die- ser Stockung für Caesar fast denen einer Niederlage gleich. Die Haeduer, die bisher immer noch geschwankt hatten, machten jetzt ernstlich Anstalt der Patriotenpartei sich anzuschlieſsen; schon war die Mannschaft, die Caesar nach Gergovia entboten hatte, auf dem Marsche durch die Offiziere bestimmt worden * Man sucht diesen Ort auf einer Anhöhe in der unmittelbaren Nähe
der arvernischen Hauptstadt Nemetum, des heutigen Clermont, welche noch jetzt Gergoie genannt wird. Diese Ortsbestimmung paſst wie zu den übri- gen Angaben Caesars so namentlich auch dazu, daſs er Gergovia ziemlich deutlich als Hauptort der Arverner bezeichnet (7, 4); man wird dann an- zunehmen haben, daſs die Arverner nach der Niederlage genöthigt wurden sich von Gergovia nach dem nahen weniger festen Nemetum überzusiedeln. Allein sicher begründet ist diese Bestimmung nicht. Die Urkunde von 1149, auf die man sich hauptsächlich beruft, ist von Baluze, der sie sah, nach äuſseren und inneren Kennzeichen für gefälscht erklärt worden; ob die jüngeren Urkunden, in denen die gleiche Benennung erscheint, echt sind und ob die mündliche Tradition des Namens eine ursprüngliche und nicht wie so manche ähnliche aus falscher Gelehrsamkeit hervorgegangen ist, steht so lange dahin, bis eine kundige und vorurtheilsfreie Untersuchung hier Licht schaffen wird. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0269" n="259"/><fw place="top" type="header">DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS.</fw><lb/> noch Alter. Die reichen Vorräthe, die die Kelten in Avaricum auf-<lb/> gehäuft hatten und die nun dem Feinde zu Gute kamen, befriedig-<lb/> ten seine dringendsten Bedürfnisse. Indeſs fand Caesar sich durch<lb/> die gemachten Erfahrungen hinsichtlich der Verpflegung bewo-<lb/> gen sein Heer zu theilen. Die kleinere Hälfte, vier Legionen unter<lb/> Labienus, rückte an die Seine; er selbst mit den sechs übrigen<lb/> marschirte durch das Gebiet der Haeduer gegen die Arverner. Ver-<lb/> cingetorix versuchte ihm den Uebergang auf das linke Ufer des<lb/> Allier zu verwehren, allein Caesar überlistete ihn und stand nach<lb/> einigen Tagen vor der arvernischen Hauptstadt Gergovia<note place="foot" n="*">Man sucht diesen Ort auf einer Anhöhe in der unmittelbaren Nähe<lb/> der arvernischen Hauptstadt Nemetum, des heutigen Clermont, welche noch<lb/> jetzt Gergoie genannt wird. Diese Ortsbestimmung paſst wie zu den übri-<lb/> gen Angaben Caesars so namentlich auch dazu, daſs er Gergovia ziemlich<lb/> deutlich als Hauptort der Arverner bezeichnet (7, 4); man wird dann an-<lb/> zunehmen haben, daſs die Arverner nach der Niederlage genöthigt wurden<lb/> sich von Gergovia nach dem nahen weniger festen Nemetum überzusiedeln.<lb/> Allein sicher begründet ist diese Bestimmung nicht. Die Urkunde von<lb/> 1149, auf die man sich hauptsächlich beruft, ist von Baluze, der sie sah,<lb/> nach äuſseren und inneren Kennzeichen für gefälscht erklärt worden; ob<lb/> die jüngeren Urkunden, in denen die gleiche Benennung erscheint, echt sind<lb/> und ob die mündliche Tradition des Namens eine ursprüngliche und nicht<lb/> wie so manche ähnliche aus falscher Gelehrsamkeit hervorgegangen ist,<lb/> steht so lange dahin, bis eine kundige und vorurtheilsfreie Untersuchung<lb/> hier Licht schaffen wird.</note>. Indeſs<lb/> hatte Vercingetorix doch einigen Vorsprung und dadurch Zeit<lb/> gehabt, hinreichende Vorräthe für die ohne Zweifel stark von ihm<lb/> reducirte Armee in die Stadt zu schaffen und vor den Mauern<lb/> der auf der Spitze eines ziemlich steil sich erhebenden Hügels<lb/> gelegenen Stadt ein mit starken Steinwällen versehenes Stand-<lb/> lager für seine Truppen anzulegen. Hier erwartete er den Feind.<lb/> Caesar mit seiner verhältniſsmäſsig schwachen Armee konnte<lb/> den Platz weder regelmäſsig belagern noch auch nur hinreichend<lb/> blokiren; er schlug sein Lager unterhalb der von Vercingetorix<lb/> besetzten Anhöhe auf und verhielt sich nothgedrungen ebenso<lb/> unthätig wie sein Gegner. Für die Insurgenten war es fast ein<lb/> Sieg, daſs Caesars von Triumph zu Triumph fortschreitender<lb/> Lauf plötzlich gestockt war. In der That kamen die Folgen die-<lb/> ser Stockung für Caesar fast denen einer Niederlage gleich. Die<lb/> Haeduer, die bisher immer noch geschwankt hatten, machten<lb/> jetzt ernstlich Anstalt der Patriotenpartei sich anzuschlieſsen;<lb/> schon war die Mannschaft, die Caesar nach Gergovia entboten<lb/> hatte, auf dem Marsche durch die Offiziere bestimmt worden<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [259/0269]
DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS.
noch Alter. Die reichen Vorräthe, die die Kelten in Avaricum auf-
gehäuft hatten und die nun dem Feinde zu Gute kamen, befriedig-
ten seine dringendsten Bedürfnisse. Indeſs fand Caesar sich durch
die gemachten Erfahrungen hinsichtlich der Verpflegung bewo-
gen sein Heer zu theilen. Die kleinere Hälfte, vier Legionen unter
Labienus, rückte an die Seine; er selbst mit den sechs übrigen
marschirte durch das Gebiet der Haeduer gegen die Arverner. Ver-
cingetorix versuchte ihm den Uebergang auf das linke Ufer des
Allier zu verwehren, allein Caesar überlistete ihn und stand nach
einigen Tagen vor der arvernischen Hauptstadt Gergovia *. Indeſs
hatte Vercingetorix doch einigen Vorsprung und dadurch Zeit
gehabt, hinreichende Vorräthe für die ohne Zweifel stark von ihm
reducirte Armee in die Stadt zu schaffen und vor den Mauern
der auf der Spitze eines ziemlich steil sich erhebenden Hügels
gelegenen Stadt ein mit starken Steinwällen versehenes Stand-
lager für seine Truppen anzulegen. Hier erwartete er den Feind.
Caesar mit seiner verhältniſsmäſsig schwachen Armee konnte
den Platz weder regelmäſsig belagern noch auch nur hinreichend
blokiren; er schlug sein Lager unterhalb der von Vercingetorix
besetzten Anhöhe auf und verhielt sich nothgedrungen ebenso
unthätig wie sein Gegner. Für die Insurgenten war es fast ein
Sieg, daſs Caesars von Triumph zu Triumph fortschreitender
Lauf plötzlich gestockt war. In der That kamen die Folgen die-
ser Stockung für Caesar fast denen einer Niederlage gleich. Die
Haeduer, die bisher immer noch geschwankt hatten, machten
jetzt ernstlich Anstalt der Patriotenpartei sich anzuschlieſsen;
schon war die Mannschaft, die Caesar nach Gergovia entboten
hatte, auf dem Marsche durch die Offiziere bestimmt worden
* Man sucht diesen Ort auf einer Anhöhe in der unmittelbaren Nähe
der arvernischen Hauptstadt Nemetum, des heutigen Clermont, welche noch
jetzt Gergoie genannt wird. Diese Ortsbestimmung paſst wie zu den übri-
gen Angaben Caesars so namentlich auch dazu, daſs er Gergovia ziemlich
deutlich als Hauptort der Arverner bezeichnet (7, 4); man wird dann an-
zunehmen haben, daſs die Arverner nach der Niederlage genöthigt wurden
sich von Gergovia nach dem nahen weniger festen Nemetum überzusiedeln.
Allein sicher begründet ist diese Bestimmung nicht. Die Urkunde von
1149, auf die man sich hauptsächlich beruft, ist von Baluze, der sie sah,
nach äuſseren und inneren Kennzeichen für gefälscht erklärt worden; ob
die jüngeren Urkunden, in denen die gleiche Benennung erscheint, echt sind
und ob die mündliche Tradition des Namens eine ursprüngliche und nicht
wie so manche ähnliche aus falscher Gelehrsamkeit hervorgegangen ist,
steht so lange dahin, bis eine kundige und vorurtheilsfreie Untersuchung
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