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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS.
zubringen, dass der Soldat nicht bloss bestimmt ist sich zu rau-
fen. Er suchte von den Feinden zu lernen und adoptirte na-
mentlich das römische Lagersystem, auf dem das ganze Geheim-
niss der taktischen Ueberlegenheit der Römer beruhte; denn in
Folge dessen vereinigte jedes römische Corps alle Vortheile der
Festungsbesatzung mit allen Vortheilen der Offensivarmee*. Frei-
lich war jenes dem städtearmen Britannien und seinen rauhen,
entschlossenen und im Ganzen einigen Bewohnern vollkommen
angemessene System auf die reichen Landschaften an der Loire
und deren schlaffe in vollständiger politischer Auflösung begrif-
fene Bewohner nicht unbedingt übertragbar. Vercingetorix setzte
wenigstens durch, dass man nicht wie bisher jede Stadt zu hal-
ten versuchte und darum keine hielt; man ward sich einig die
der Vertheidigung nicht fähigen Ortschaften, bevor der Angriff
sie erreichte, zu vernichten, die starken Festungen aber mit al-
ler Energie der Verzweiflung zu vertheidigen. Daneben that der
Arvernerkönig was er vermochte, um durch unnachsichtliche
Strenge die Feigen und Säumigen, durch Bitten und Vorstellun-
gen die Schwankenden, die Habsüchtigen durch Gold, die ent-
schiedenen Gegner durch Zwang an die Sache des Vaterlandes
zu fesseln und selbst dem vornehmen oder niedrigen Gesindel
einigen Patriotismus aufzunöthigen oder abzulisten. Noch bevor
der Winter zu Ende war, warf er sich auf die Boier, um diese
fast einzigen zuverlässigen Bundesgenossen Roms zu vernichten,
bevor Caesar herankam. Die Nachricht von diesem Angriff be-
stimmte Caesar früher, als er sonst wohl gethan haben würde,
gegen die Insurgenten zu marschiren. Sehr empfindlich war der
Mangel an Reiterei und leichtem Fussvolk; doch ward im Laufe
des Feldzugs einigermassen demselben abgeholfen durch deut-
sche Söldner, die statt ihrer eigenen kleinen und schwachen
Klepper mit italischen und spanischen, theils gekauften, theils
von den Offizieren requirirten Pferden ausgerüstet wurden. Cae-
sar griff zuerst die Carnuten an und liess deren Stadt Gena-
bum, die das Zeichen zum Abfall gegeben hatte, plündern und
in Asche legen. Alsdann wandte er sich südwärts an die Loire
gegen die Biturigen. Er erreichte insofern seinen Zweck, als

* Freilich war dies nur möglich, so lange die Offensivwaffen hauptsäch-
lich auf Hieb und Stich gerichtet waren. In der heutigen Kriegführung ist,
wie dies Napoleon vortrefflich auseinandergesetzt hat, dies System desshalb
unanwendbar geworden, weil bei unseren aus der Ferne wirkenden Offen-
sivwaffen die deployirte Stellung vortheilhafter ist als die concentrische.
In der damaligen Zeit verhielt es sich umgekehrt.
Röm. Gesch. III. 17

DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS.
zubringen, daſs der Soldat nicht bloſs bestimmt ist sich zu rau-
fen. Er suchte von den Feinden zu lernen und adoptirte na-
mentlich das römische Lagersystem, auf dem das ganze Geheim-
niſs der taktischen Ueberlegenheit der Römer beruhte; denn in
Folge dessen vereinigte jedes römische Corps alle Vortheile der
Festungsbesatzung mit allen Vortheilen der Offensivarmee*. Frei-
lich war jenes dem städtearmen Britannien und seinen rauhen,
entschlossenen und im Ganzen einigen Bewohnern vollkommen
angemessene System auf die reichen Landschaften an der Loire
und deren schlaffe in vollständiger politischer Auflösung begrif-
fene Bewohner nicht unbedingt übertragbar. Vercingetorix setzte
wenigstens durch, daſs man nicht wie bisher jede Stadt zu hal-
ten versuchte und darum keine hielt; man ward sich einig die
der Vertheidigung nicht fähigen Ortschaften, bevor der Angriff
sie erreichte, zu vernichten, die starken Festungen aber mit al-
ler Energie der Verzweiflung zu vertheidigen. Daneben that der
Arvernerkönig was er vermochte, um durch unnachsichtliche
Strenge die Feigen und Säumigen, durch Bitten und Vorstellun-
gen die Schwankenden, die Habsüchtigen durch Gold, die ent-
schiedenen Gegner durch Zwang an die Sache des Vaterlandes
zu fesseln und selbst dem vornehmen oder niedrigen Gesindel
einigen Patriotismus aufzunöthigen oder abzulisten. Noch bevor
der Winter zu Ende war, warf er sich auf die Boier, um diese
fast einzigen zuverlässigen Bundesgenossen Roms zu vernichten,
bevor Caesar herankam. Die Nachricht von diesem Angriff be-
stimmte Caesar früher, als er sonst wohl gethan haben würde,
gegen die Insurgenten zu marschiren. Sehr empfindlich war der
Mangel an Reiterei und leichtem Fuſsvolk; doch ward im Laufe
des Feldzugs einigermaſsen demselben abgeholfen durch deut-
sche Söldner, die statt ihrer eigenen kleinen und schwachen
Klepper mit italischen und spanischen, theils gekauften, theils
von den Offizieren requirirten Pferden ausgerüstet wurden. Cae-
sar griff zuerst die Carnuten an und lieſs deren Stadt Gena-
bum, die das Zeichen zum Abfall gegeben hatte, plündern und
in Asche legen. Alsdann wandte er sich südwärts an die Loire
gegen die Biturigen. Er erreichte insofern seinen Zweck, als

* Freilich war dies nur möglich, so lange die Offensivwaffen hauptsäch-
lich auf Hieb und Stich gerichtet waren. In der heutigen Kriegführung ist,
wie dies Napoleon vortrefflich auseinandergesetzt hat, dies System deſshalb
unanwendbar geworden, weil bei unseren aus der Ferne wirkenden Offen-
sivwaffen die deployirte Stellung vortheilhafter ist als die concentrische.
In der damaligen Zeit verhielt es sich umgekehrt.
Röm. Gesch. III. 17
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[257/0267] DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS. zubringen, daſs der Soldat nicht bloſs bestimmt ist sich zu rau- fen. Er suchte von den Feinden zu lernen und adoptirte na- mentlich das römische Lagersystem, auf dem das ganze Geheim- niſs der taktischen Ueberlegenheit der Römer beruhte; denn in Folge dessen vereinigte jedes römische Corps alle Vortheile der Festungsbesatzung mit allen Vortheilen der Offensivarmee *. Frei- lich war jenes dem städtearmen Britannien und seinen rauhen, entschlossenen und im Ganzen einigen Bewohnern vollkommen angemessene System auf die reichen Landschaften an der Loire und deren schlaffe in vollständiger politischer Auflösung begrif- fene Bewohner nicht unbedingt übertragbar. Vercingetorix setzte wenigstens durch, daſs man nicht wie bisher jede Stadt zu hal- ten versuchte und darum keine hielt; man ward sich einig die der Vertheidigung nicht fähigen Ortschaften, bevor der Angriff sie erreichte, zu vernichten, die starken Festungen aber mit al- ler Energie der Verzweiflung zu vertheidigen. Daneben that der Arvernerkönig was er vermochte, um durch unnachsichtliche Strenge die Feigen und Säumigen, durch Bitten und Vorstellun- gen die Schwankenden, die Habsüchtigen durch Gold, die ent- schiedenen Gegner durch Zwang an die Sache des Vaterlandes zu fesseln und selbst dem vornehmen oder niedrigen Gesindel einigen Patriotismus aufzunöthigen oder abzulisten. Noch bevor der Winter zu Ende war, warf er sich auf die Boier, um diese fast einzigen zuverlässigen Bundesgenossen Roms zu vernichten, bevor Caesar herankam. Die Nachricht von diesem Angriff be- stimmte Caesar früher, als er sonst wohl gethan haben würde, gegen die Insurgenten zu marschiren. Sehr empfindlich war der Mangel an Reiterei und leichtem Fuſsvolk; doch ward im Laufe des Feldzugs einigermaſsen demselben abgeholfen durch deut- sche Söldner, die statt ihrer eigenen kleinen und schwachen Klepper mit italischen und spanischen, theils gekauften, theils von den Offizieren requirirten Pferden ausgerüstet wurden. Cae- sar griff zuerst die Carnuten an und lieſs deren Stadt Gena- bum, die das Zeichen zum Abfall gegeben hatte, plündern und in Asche legen. Alsdann wandte er sich südwärts an die Loire gegen die Biturigen. Er erreichte insofern seinen Zweck, als * Freilich war dies nur möglich, so lange die Offensivwaffen hauptsäch- lich auf Hieb und Stich gerichtet waren. In der heutigen Kriegführung ist, wie dies Napoleon vortrefflich auseinandergesetzt hat, dies System deſshalb unanwendbar geworden, weil bei unseren aus der Ferne wirkenden Offen- sivwaffen die deployirte Stellung vortheilhafter ist als die concentrische. In der damaligen Zeit verhielt es sich umgekehrt. Röm. Gesch. III. 17

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/267>, abgerufen am 27.11.2024.