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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS.
Gegend von Amiens mit drei Legionen im Winterlager stand;
allein -- ein charakteristischer Beweis für die im Keltenland herr-
schende Stimmung -- geraume Zeit hindurch kam dem Oberfeld-
herrn nicht die geringste Andeutung zu weder von der Katastro-
phe, die Sabinus erlitten hatte, noch von der Gefahr, in der Cicero
schwebte. Erst ein keltischer Reiter, dem es gelungen war aus
Ciceros Lager sich durch die Feinde bis zu Caesar durchzuschlei-
chen, brachte die erschütternde Kunde. Augenblicklich brach Cae-
sar auf, zwar nur mit zwei schwachen Legionen, zusammen etwa
7000 Mann stark, und 400 Reitern; aber nichts desto weniger
genügte die Meldung, dass Caesar anrücke, um die Insurgenten
zur Aufhebung der Belagerung zu bestimmen. Es war Zeit; nicht
der zehnte Mann in Ciceros Lager war unverwundet. Caesar, ge-
gen den das Insurgentenheer sich gewandt hatte, täuschte die
Feinde in der schon mehrmals mit Erfolg angewandten Weise
über seine Stärke; unter den ungünstigsten Verhältnissen wagten
sie einen Sturm auf das Römerlager, und erlitten dabei eine
Niederlage. Es ist seltsam, aber charakteristisch für die kel-
tische Nation, dass in Folge dieser einen verlorenen Schlacht
oder vielleicht mehr noch in Folge von Caesars persönlichem Er-
scheinen auf dem Kampfplatz die so gewaltig begonnene, so
weithin ausgedehnte Insurrection plötzlich und kläglich den Krieg
abbrach. Nervier, Menapier, Aduatuker, Eburonen begaben sich
nach Hause. Das Gleiche thaten die Mannschaften der Seegaue,
die Anstalt gemacht hatten die Legion in der Bretagne zu über-
fallen, und die Treverer, die in das Gebiet der Remer eingerückt
waren um die unter Labienus Befehl dort cantonnirende Legion
anzugreifen. Auch Caesar verschob die weiteren Massregeln gegen
die aufgestandenen Districte auf das Frühjahr, um seine hart mit-
genommenen Truppen nicht der ganzen Strenge des gallischen
Winters auszusetzen und um erst dann wieder auf dem Kampf-
platz zu erscheinen, wenn durch die angeordnete Aushebung von
dreissig neuen Cohorten die vernichteten funfzehn in imponirender
Weise ersetzt sein würden. Die Insurrection spann inzwischen
sich fort, wenn auch während des Winters die Waffen ruhten.
Ihre Hauptsitze in Mittelgallien waren theils die Districte der Car-
nuten und der benachbarten Senonen (um Sens), welche letztere
den von Caesar eingesetzten König aus dem Lande jagten, theils
die Landschaft der Treverer, welche die gesammte keltische Emi-
gration und die überrheinischen Deutschen zur Theilnahme an
dem bevorstehenden Nationalkrieg aufforderten und ihre ganze
Mannschaft aufs neue unter die Waffen riefen, um zum zweiten

DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS.
Gegend von Amiens mit drei Legionen im Winterlager stand;
allein — ein charakteristischer Beweis für die im Keltenland herr-
schende Stimmung — geraume Zeit hindurch kam dem Oberfeld-
herrn nicht die geringste Andeutung zu weder von der Katastro-
phe, die Sabinus erlitten hatte, noch von der Gefahr, in der Cicero
schwebte. Erst ein keltischer Reiter, dem es gelungen war aus
Ciceros Lager sich durch die Feinde bis zu Caesar durchzuschlei-
chen, brachte die erschütternde Kunde. Augenblicklich brach Cae-
sar auf, zwar nur mit zwei schwachen Legionen, zusammen etwa
7000 Mann stark, und 400 Reitern; aber nichts desto weniger
genügte die Meldung, daſs Caesar anrücke, um die Insurgenten
zur Aufhebung der Belagerung zu bestimmen. Es war Zeit; nicht
der zehnte Mann in Ciceros Lager war unverwundet. Caesar, ge-
gen den das Insurgentenheer sich gewandt hatte, täuschte die
Feinde in der schon mehrmals mit Erfolg angewandten Weise
über seine Stärke; unter den ungünstigsten Verhältnissen wagten
sie einen Sturm auf das Römerlager, und erlitten dabei eine
Niederlage. Es ist seltsam, aber charakteristisch für die kel-
tische Nation, daſs in Folge dieser einen verlorenen Schlacht
oder vielleicht mehr noch in Folge von Caesars persönlichem Er-
scheinen auf dem Kampfplatz die so gewaltig begonnene, so
weithin ausgedehnte Insurrection plötzlich und kläglich den Krieg
abbrach. Nervier, Menapier, Aduatuker, Eburonen begaben sich
nach Hause. Das Gleiche thaten die Mannschaften der Seegaue,
die Anstalt gemacht hatten die Legion in der Bretagne zu über-
fallen, und die Treverer, die in das Gebiet der Remer eingerückt
waren um die unter Labienus Befehl dort cantonnirende Legion
anzugreifen. Auch Caesar verschob die weiteren Maſsregeln gegen
die aufgestandenen Districte auf das Frühjahr, um seine hart mit-
genommenen Truppen nicht der ganzen Strenge des gallischen
Winters auszusetzen und um erst dann wieder auf dem Kampf-
platz zu erscheinen, wenn durch die angeordnete Aushebung von
dreiſsig neuen Cohorten die vernichteten funfzehn in imponirender
Weise ersetzt sein würden. Die Insurrection spann inzwischen
sich fort, wenn auch während des Winters die Waffen ruhten.
Ihre Hauptsitze in Mittelgallien waren theils die Districte der Car-
nuten und der benachbarten Senonen (um Sens), welche letztere
den von Caesar eingesetzten König aus dem Lande jagten, theils
die Landschaft der Treverer, welche die gesammte keltische Emi-
gration und die überrheinischen Deutschen zur Theilnahme an
dem bevorstehenden Nationalkrieg aufforderten und ihre ganze
Mannschaft aufs neue unter die Waffen riefen, um zum zweiten

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[251/0261] DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS. Gegend von Amiens mit drei Legionen im Winterlager stand; allein — ein charakteristischer Beweis für die im Keltenland herr- schende Stimmung — geraume Zeit hindurch kam dem Oberfeld- herrn nicht die geringste Andeutung zu weder von der Katastro- phe, die Sabinus erlitten hatte, noch von der Gefahr, in der Cicero schwebte. Erst ein keltischer Reiter, dem es gelungen war aus Ciceros Lager sich durch die Feinde bis zu Caesar durchzuschlei- chen, brachte die erschütternde Kunde. Augenblicklich brach Cae- sar auf, zwar nur mit zwei schwachen Legionen, zusammen etwa 7000 Mann stark, und 400 Reitern; aber nichts desto weniger genügte die Meldung, daſs Caesar anrücke, um die Insurgenten zur Aufhebung der Belagerung zu bestimmen. Es war Zeit; nicht der zehnte Mann in Ciceros Lager war unverwundet. Caesar, ge- gen den das Insurgentenheer sich gewandt hatte, täuschte die Feinde in der schon mehrmals mit Erfolg angewandten Weise über seine Stärke; unter den ungünstigsten Verhältnissen wagten sie einen Sturm auf das Römerlager, und erlitten dabei eine Niederlage. Es ist seltsam, aber charakteristisch für die kel- tische Nation, daſs in Folge dieser einen verlorenen Schlacht oder vielleicht mehr noch in Folge von Caesars persönlichem Er- scheinen auf dem Kampfplatz die so gewaltig begonnene, so weithin ausgedehnte Insurrection plötzlich und kläglich den Krieg abbrach. Nervier, Menapier, Aduatuker, Eburonen begaben sich nach Hause. Das Gleiche thaten die Mannschaften der Seegaue, die Anstalt gemacht hatten die Legion in der Bretagne zu über- fallen, und die Treverer, die in das Gebiet der Remer eingerückt waren um die unter Labienus Befehl dort cantonnirende Legion anzugreifen. Auch Caesar verschob die weiteren Maſsregeln gegen die aufgestandenen Districte auf das Frühjahr, um seine hart mit- genommenen Truppen nicht der ganzen Strenge des gallischen Winters auszusetzen und um erst dann wieder auf dem Kampf- platz zu erscheinen, wenn durch die angeordnete Aushebung von dreiſsig neuen Cohorten die vernichteten funfzehn in imponirender Weise ersetzt sein würden. Die Insurrection spann inzwischen sich fort, wenn auch während des Winters die Waffen ruhten. Ihre Hauptsitze in Mittelgallien waren theils die Districte der Car- nuten und der benachbarten Senonen (um Sens), welche letztere den von Caesar eingesetzten König aus dem Lande jagten, theils die Landschaft der Treverer, welche die gesammte keltische Emi- gration und die überrheinischen Deutschen zur Theilnahme an dem bevorstehenden Nationalkrieg aufforderten und ihre ganze Mannschaft aufs neue unter die Waffen riefen, um zum zweiten

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/261>, abgerufen am 27.11.2024.