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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS.
brücke über den Rhein und führte seine Legionen hinüber aus
dem treverischen in das ubische Gebiet. Einige kleinere Gaue
gaben ihre Unterwerfung ein; allein die Sugambrer, gegen die
der Zug zunächst gerichtet war, zogen, wie das römische Heer
herankam, mit ihren Schutzbefohlenen sich in das innere Land
zurück. In gleicher Weise liess der mächtige suebische Gau, der
östlich von den Ubiern sass, vermuthlich derjenige, der später
unter dem Namen der Chatten auftritt, die westlichen Ortschaf-
ten räumen und das nicht streitbare Volk in Sicherheit bringen,
während alle waffenfähige Mannschaft angewiesen ward im Mit-
telpunct des Gaues sich zu versammeln. Diesen Handschuh auf-
zuheben hatte der römische Feldherr weder Veranlassung noch
Lust; sein Zweck theils zu recognosciren, theils durch einen Zug
über den Rhein wo möglich den Deutschen, wenigstens aber den
Kelten und den Landsleuten daheim zu imponiren war im We-
sentlichen erreicht; nach achtzehntägigem Verweilen am rechten
Rheinufer traf er wieder in Gallien ein und brach die Rhein-
brücke hinter sich ab (699).

Es blieben die Inselkelten. Bei dem engen Zusammenhang
zwischen ihnen und den Kelten des Festlandes, namentlich den
Seegauen ist es begreiflich, dass sie an dem nationalen Wider-
stand wenigstens mit ihren Sympathien sich betheiligt hatten und
wenn auch nicht den Gegnern Caesars bewaffneten Beistand, doch
mindestens jedem Patrioten, für den die Heimath nicht mehr
sicher war, auf ihrer gesicherten Insel eine ehrenvolle Freistatt
gewährten. Eine Gefahr lag hierin allerdings, wenn nicht für die
Gegenwart, doch für die Zukunft; es schien zweckmässig wo
nicht die Eroberung der Insel selbst zu unternehmen, doch auch
hier die Defensive offensiv zu führen und durch eine Landung an
der Küste den Insulanern zu zeigen, dass der Arm der Römer
auch über den Kanal reiche. Schon der erste römische Offizier,
der die Bretagne betrat, Publius Crassus war von dort nach den
,Zinninseln' an der Westspitze Englands (Scillyinseln) hinüber-
gefahren (697); im Sommer 699 ging Caesar selbst mit nur zwei
Legionen da wo er am schmalsten ist* über den Kanal. Er fand
die Küste mit feindlichen Truppenmassen bedeckt und fuhr mit

* Die erste Fahrt ging nach der Annahme sorgfältiger Forscher von
Ecale, östlich vom Cap Gris Nez, nach Southforeland nordöstlich von Dover
und, da hier die Landung vereitelt ward, weiter nach Dover; die zweite
von dem itischen Hafen, den man bei dem heutigen Boulogne ansetzt, eben-
falls nach Dover. Mit voller Gewissheit lassen die Localitäten sich nicht
bestimmen, aber beträchtlich kann der Fehler nicht sein.

DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS.
brücke über den Rhein und führte seine Legionen hinüber aus
dem treverischen in das ubische Gebiet. Einige kleinere Gaue
gaben ihre Unterwerfung ein; allein die Sugambrer, gegen die
der Zug zunächst gerichtet war, zogen, wie das römische Heer
herankam, mit ihren Schutzbefohlenen sich in das innere Land
zurück. In gleicher Weise lieſs der mächtige suebische Gau, der
östlich von den Ubiern saſs, vermuthlich derjenige, der später
unter dem Namen der Chatten auftritt, die westlichen Ortschaf-
ten räumen und das nicht streitbare Volk in Sicherheit bringen,
während alle waffenfähige Mannschaft angewiesen ward im Mit-
telpunct des Gaues sich zu versammeln. Diesen Handschuh auf-
zuheben hatte der römische Feldherr weder Veranlassung noch
Lust; sein Zweck theils zu recognosciren, theils durch einen Zug
über den Rhein wo möglich den Deutschen, wenigstens aber den
Kelten und den Landsleuten daheim zu imponiren war im We-
sentlichen erreicht; nach achtzehntägigem Verweilen am rechten
Rheinufer traf er wieder in Gallien ein und brach die Rhein-
brücke hinter sich ab (699).

Es blieben die Inselkelten. Bei dem engen Zusammenhang
zwischen ihnen und den Kelten des Festlandes, namentlich den
Seegauen ist es begreiflich, daſs sie an dem nationalen Wider-
stand wenigstens mit ihren Sympathien sich betheiligt hatten und
wenn auch nicht den Gegnern Caesars bewaffneten Beistand, doch
mindestens jedem Patrioten, für den die Heimath nicht mehr
sicher war, auf ihrer gesicherten Insel eine ehrenvolle Freistatt
gewährten. Eine Gefahr lag hierin allerdings, wenn nicht für die
Gegenwart, doch für die Zukunft; es schien zweckmäſsig wo
nicht die Eroberung der Insel selbst zu unternehmen, doch auch
hier die Defensive offensiv zu führen und durch eine Landung an
der Küste den Insulanern zu zeigen, daſs der Arm der Römer
auch über den Kanal reiche. Schon der erste römische Offizier,
der die Bretagne betrat, Publius Crassus war von dort nach den
‚Zinninseln‘ an der Westspitze Englands (Scillyinseln) hinüber-
gefahren (697); im Sommer 699 ging Caesar selbst mit nur zwei
Legionen da wo er am schmalsten ist* über den Kanal. Er fand
die Küste mit feindlichen Truppenmassen bedeckt und fuhr mit

* Die erste Fahrt ging nach der Annahme sorgfältiger Forscher von
Ecale, östlich vom Cap Gris Nez, nach Southforeland nordöstlich von Dover
und, da hier die Landung vereitelt ward, weiter nach Dover; die zweite
von dem itischen Hafen, den man bei dem heutigen Boulogne ansetzt, eben-
falls nach Dover. Mit voller Gewiſsheit lassen die Localitäten sich nicht
bestimmen, aber beträchtlich kann der Fehler nicht sein.
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[245/0255] DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS. brücke über den Rhein und führte seine Legionen hinüber aus dem treverischen in das ubische Gebiet. Einige kleinere Gaue gaben ihre Unterwerfung ein; allein die Sugambrer, gegen die der Zug zunächst gerichtet war, zogen, wie das römische Heer herankam, mit ihren Schutzbefohlenen sich in das innere Land zurück. In gleicher Weise lieſs der mächtige suebische Gau, der östlich von den Ubiern saſs, vermuthlich derjenige, der später unter dem Namen der Chatten auftritt, die westlichen Ortschaf- ten räumen und das nicht streitbare Volk in Sicherheit bringen, während alle waffenfähige Mannschaft angewiesen ward im Mit- telpunct des Gaues sich zu versammeln. Diesen Handschuh auf- zuheben hatte der römische Feldherr weder Veranlassung noch Lust; sein Zweck theils zu recognosciren, theils durch einen Zug über den Rhein wo möglich den Deutschen, wenigstens aber den Kelten und den Landsleuten daheim zu imponiren war im We- sentlichen erreicht; nach achtzehntägigem Verweilen am rechten Rheinufer traf er wieder in Gallien ein und brach die Rhein- brücke hinter sich ab (699). Es blieben die Inselkelten. Bei dem engen Zusammenhang zwischen ihnen und den Kelten des Festlandes, namentlich den Seegauen ist es begreiflich, daſs sie an dem nationalen Wider- stand wenigstens mit ihren Sympathien sich betheiligt hatten und wenn auch nicht den Gegnern Caesars bewaffneten Beistand, doch mindestens jedem Patrioten, für den die Heimath nicht mehr sicher war, auf ihrer gesicherten Insel eine ehrenvolle Freistatt gewährten. Eine Gefahr lag hierin allerdings, wenn nicht für die Gegenwart, doch für die Zukunft; es schien zweckmäſsig wo nicht die Eroberung der Insel selbst zu unternehmen, doch auch hier die Defensive offensiv zu führen und durch eine Landung an der Küste den Insulanern zu zeigen, daſs der Arm der Römer auch über den Kanal reiche. Schon der erste römische Offizier, der die Bretagne betrat, Publius Crassus war von dort nach den ‚Zinninseln‘ an der Westspitze Englands (Scillyinseln) hinüber- gefahren (697); im Sommer 699 ging Caesar selbst mit nur zwei Legionen da wo er am schmalsten ist * über den Kanal. Er fand die Küste mit feindlichen Truppenmassen bedeckt und fuhr mit * Die erste Fahrt ging nach der Annahme sorgfältiger Forscher von Ecale, östlich vom Cap Gris Nez, nach Southforeland nordöstlich von Dover und, da hier die Landung vereitelt ward, weiter nach Dover; die zweite von dem itischen Hafen, den man bei dem heutigen Boulogne ansetzt, eben- falls nach Dover. Mit voller Gewiſsheit lassen die Localitäten sich nicht bestimmen, aber beträchtlich kann der Fehler nicht sein.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/255>, abgerufen am 23.11.2024.