Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS. letzter Instanz doch auch zu Gute kamen. Auch hier bahntenHandel und Verkehr wie so oft der Eroberung den Weg. Der Kelte liebte nach nordischer Weise feurige Getränke; dass er den edlen Wein wie der Skythe unvermischt und bis zum Rausche trank, erregte die Verwunderung und den Ekel des mässigen Südländers, aber der Händler verkehrt nicht ungern mit sol- chen Kunden. Bald ward der Weinhandel nach dem Kelten- land eine Goldgrube für den italischen Kaufmann; es war nichts Seltenes, dass daselbst ein Krug Wein um einen Sclaven ge- tauscht ward. Auch andere Luxusartikel, wie zum Beispiel ita- lische Pferde, fanden in dem Keltenland vortheilhaften Absatz. Es kam sogar bereits vor, dass römische Bürger jenseit der rö- mischen Grenze Grundbesitz erwarben und denselben nach itali- scher Art benutzten, wie denn zum Beispiel römische Landgüter im Canton der Segusiaver (bei Lyon) schon um 673 erwähnt werden. Ohne Zweifel ist es hievon eine Folge, dass, wie schon gesagt ward (S. 212), selbst in dem freien Gallien, zum Beispiel bei den Arvernern, die römische Sprache schon vor der Erobe- rung nicht unbekannt war; obwohl sich freilich diese Kunde ver- muthlich noch auf Wenige beschränkte und selbst mit den Vor- nehmen des verbündeten Gaues der Haeduer durch Dollmetscher verkehrt werden musste. So gut wie die Händler mit Feuerwas- ser und die Squatters die Besetzung Nordamerikas einleiteten, so wiesen und winkten auch diese römischen Weinhändler und Gutsbesitzer den künftigen Eroberer Galliens heran. Wie lebhaft man auch auf der entgegengesetzten Seite dies empfand, zeigt das Verbot, das einer der tüchtigsten Stämme des Keltenlandes, der Gau der Nervier, gleich einzelnen deutschen Völkerschaften, gegen den Handelsverkehr mit den Römern erliess. -- Ungestümer noch als vom mittelländischen Meere die Römer drängten vom balti- schen und der Nordsee herab die Deutschen, ein frischer Stamm aus der grossen Völkerwiege des Ostens, der sich Platz machte neben seinen älteren Brüdern mit jugendlicher Kraft, freilich auch mit jugendlicher Roheit. Wenn auch die nächst am Rhein wohnenden Völkerschaften dieses Stammes, die Usipeten, Tencte- rer, Sugambrer, Ubier sich einigermassen zu civilisiren angefan- gen und wenigstens aufgehört hatten freiwillig ihre Sitze zu wechseln, so stimmen doch alle Nachrichten dahin zusammen, dass weiter landeinwärts der Ackerbau wenig bedeutete und die einzelnen Stämme kaum noch zu festen Sitzen gelangt waren. Es ist bezeichnend dafür, dass die westlichen Nachbaren in die- ser Zeit kaum eines der Völker des inneren Deutschlands seinem DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS. letzter Instanz doch auch zu Gute kamen. Auch hier bahntenHandel und Verkehr wie so oft der Eroberung den Weg. Der Kelte liebte nach nordischer Weise feurige Getränke; daſs er den edlen Wein wie der Skythe unvermischt und bis zum Rausche trank, erregte die Verwunderung und den Ekel des mäſsigen Südländers, aber der Händler verkehrt nicht ungern mit sol- chen Kunden. Bald ward der Weinhandel nach dem Kelten- land eine Goldgrube für den italischen Kaufmann; es war nichts Seltenes, daſs daselbst ein Krug Wein um einen Sclaven ge- tauscht ward. Auch andere Luxusartikel, wie zum Beispiel ita- lische Pferde, fanden in dem Keltenland vortheilhaften Absatz. Es kam sogar bereits vor, daſs römische Bürger jenseit der rö- mischen Grenze Grundbesitz erwarben und denselben nach itali- scher Art benutzten, wie denn zum Beispiel römische Landgüter im Canton der Segusiaver (bei Lyon) schon um 673 erwähnt werden. Ohne Zweifel ist es hievon eine Folge, daſs, wie schon gesagt ward (S. 212), selbst in dem freien Gallien, zum Beispiel bei den Arvernern, die römische Sprache schon vor der Erobe- rung nicht unbekannt war; obwohl sich freilich diese Kunde ver- muthlich noch auf Wenige beschränkte und selbst mit den Vor- nehmen des verbündeten Gaues der Haeduer durch Dollmetscher verkehrt werden muſste. So gut wie die Händler mit Feuerwas- ser und die Squatters die Besetzung Nordamerikas einleiteten, so wiesen und winkten auch diese römischen Weinhändler und Gutsbesitzer den künftigen Eroberer Galliens heran. Wie lebhaft man auch auf der entgegengesetzten Seite dies empfand, zeigt das Verbot, das einer der tüchtigsten Stämme des Keltenlandes, der Gau der Nervier, gleich einzelnen deutschen Völkerschaften, gegen den Handelsverkehr mit den Römern erlieſs. — Ungestümer noch als vom mittelländischen Meere die Römer drängten vom balti- schen und der Nordsee herab die Deutschen, ein frischer Stamm aus der groſsen Völkerwiege des Ostens, der sich Platz machte neben seinen älteren Brüdern mit jugendlicher Kraft, freilich auch mit jugendlicher Roheit. Wenn auch die nächst am Rhein wohnenden Völkerschaften dieses Stammes, die Usipeten, Tencte- rer, Sugambrer, Ubier sich einigermaſsen zu civilisiren angefan- gen und wenigstens aufgehört hatten freiwillig ihre Sitze zu wechseln, so stimmen doch alle Nachrichten dahin zusammen, daſs weiter landeinwärts der Ackerbau wenig bedeutete und die einzelnen Stämme kaum noch zu festen Sitzen gelangt waren. 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Auch andere Luxusartikel, wie zum Beispiel ita-<lb/> lische Pferde, fanden in dem Keltenland vortheilhaften Absatz.<lb/> Es kam sogar bereits vor, daſs römische Bürger jenseit der rö-<lb/> mischen Grenze Grundbesitz erwarben und denselben nach itali-<lb/> scher Art benutzten, wie denn zum Beispiel römische Landgüter<lb/> im Canton der Segusiaver (bei Lyon) schon um 673 erwähnt<lb/> werden. Ohne Zweifel ist es hievon eine Folge, daſs, wie schon<lb/> gesagt ward (S. 212), selbst in dem freien Gallien, zum Beispiel<lb/> bei den Arvernern, die römische Sprache schon vor der Erobe-<lb/> rung nicht unbekannt war; obwohl sich freilich diese Kunde ver-<lb/> muthlich noch auf Wenige beschränkte und selbst mit den Vor-<lb/> nehmen des verbündeten Gaues der Haeduer durch Dollmetscher<lb/> verkehrt werden muſste. 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DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS.
letzter Instanz doch auch zu Gute kamen. Auch hier bahnten
Handel und Verkehr wie so oft der Eroberung den Weg. Der
Kelte liebte nach nordischer Weise feurige Getränke; daſs er den
edlen Wein wie der Skythe unvermischt und bis zum Rausche
trank, erregte die Verwunderung und den Ekel des mäſsigen
Südländers, aber der Händler verkehrt nicht ungern mit sol-
chen Kunden. Bald ward der Weinhandel nach dem Kelten-
land eine Goldgrube für den italischen Kaufmann; es war nichts
Seltenes, daſs daselbst ein Krug Wein um einen Sclaven ge-
tauscht ward. Auch andere Luxusartikel, wie zum Beispiel ita-
lische Pferde, fanden in dem Keltenland vortheilhaften Absatz.
Es kam sogar bereits vor, daſs römische Bürger jenseit der rö-
mischen Grenze Grundbesitz erwarben und denselben nach itali-
scher Art benutzten, wie denn zum Beispiel römische Landgüter
im Canton der Segusiaver (bei Lyon) schon um 673 erwähnt
werden. Ohne Zweifel ist es hievon eine Folge, daſs, wie schon
gesagt ward (S. 212), selbst in dem freien Gallien, zum Beispiel
bei den Arvernern, die römische Sprache schon vor der Erobe-
rung nicht unbekannt war; obwohl sich freilich diese Kunde ver-
muthlich noch auf Wenige beschränkte und selbst mit den Vor-
nehmen des verbündeten Gaues der Haeduer durch Dollmetscher
verkehrt werden muſste. So gut wie die Händler mit Feuerwas-
ser und die Squatters die Besetzung Nordamerikas einleiteten,
so wiesen und winkten auch diese römischen Weinhändler und
Gutsbesitzer den künftigen Eroberer Galliens heran. Wie lebhaft
man auch auf der entgegengesetzten Seite dies empfand, zeigt das
Verbot, das einer der tüchtigsten Stämme des Keltenlandes, der
Gau der Nervier, gleich einzelnen deutschen Völkerschaften, gegen
den Handelsverkehr mit den Römern erlieſs. — Ungestümer noch
als vom mittelländischen Meere die Römer drängten vom balti-
schen und der Nordsee herab die Deutschen, ein frischer Stamm
aus der groſsen Völkerwiege des Ostens, der sich Platz machte
neben seinen älteren Brüdern mit jugendlicher Kraft, freilich auch
mit jugendlicher Roheit. Wenn auch die nächst am Rhein
wohnenden Völkerschaften dieses Stammes, die Usipeten, Tencte-
rer, Sugambrer, Ubier sich einigermaſsen zu civilisiren angefan-
gen und wenigstens aufgehört hatten freiwillig ihre Sitze zu
wechseln, so stimmen doch alle Nachrichten dahin zusammen,
daſs weiter landeinwärts der Ackerbau wenig bedeutete und die
einzelnen Stämme kaum noch zu festen Sitzen gelangt waren.
Es ist bezeichnend dafür, daſs die westlichen Nachbaren in die-
ser Zeit kaum eines der Völker des inneren Deutschlands seinem
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