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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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POMPEIUS RÜCKTRITT.
auch in diesem Pompeius wieder mitlief. Im Januar 693 kam er
nach Rom. Seine Stellung war schief und schwankte so unklar
zwischen den Parteien, dass man ihm den Spottnamen Gnaeus
Cicero verlieh. Er hatte es eben mit allen verdorben. Die Anar-
chisten sahen in ihm einen Widersacher, die Demokraten einen
unbequemen Freund, Marcus Crassus einen Nebenbuhler, die ver-
mögende Classe einen unzuverlässigen Beschützer, die Aristokra-
tie einen erklärten Feind.* Er war wohl immer noch der mäch-
tigste Mann im Staat; sein durch ganz Italien zerstreuter militä-
rischer Anhang, sein Einfluss in den Provinzen, namentlich den
östlichen, sein militärischer Ruf, sein ungeheurer Reichthum
gaben ihm ein Gewicht wie es kein Anderer hatte; aber statt des
begeisterten Empfanges, auf den er gezählt hatte, war die Auf-
nahme, die er fand, mehr als kühl und noch kühler behandelte
man die Forderungen, die er stellte. Er begehrte für sich, wie er
schon durch Nepos hatte ankündigen lassen, das zweite Consulat,
ausserdem natürlich die Bestätigung der von ihm im Osten ge-
troffenen Anordnungen und die Erfüllung des seinen Soldaten ge-
gebenen Versprechens sie mit Ländereien auszustatten. Hiegegen
erhob sich im Senat eine systematische Opposition, zu der die
persönliche Erbitterung des Lucullus und des Metellus Creticus,
der alte Groll des Crassus und Catos gewissenhafte Thorheit die
hauptsächlichen Elemente hergaben. Das gewünschte zweite Con-
sulat ward sofort und unverblümt verweigert. Gleich die erste
Bitte, die der heimkehrende Feldherr an den Senat richtete, die
Wahl der Consuln für 693 bis nach seinem Eintreffen in der
Hauptstadt aufzuschieben, war ihm abgeschlagen worden; viel
weniger war daran zu denken die erforderliche Dispensation
von dem Gesetze Sullas über die Wiederwahl (II, 336) vom Se-
nat zu erlangen. Für die in den östlichen Provinzen getroffenen
Anordnungen begehrte natürlich Pompeius die Bestätigung im
Ganzen; Lucullus setzte es durch, dass über jede Verfügung be-
sonders verhandelt und abgestimmt ward, womit für endlose Tra-
casserien und eine Menge Niederlagen im Einzelnen das Feld er-
öffnet war. Das Versprechen einer Landschenkung an die Solda-
ten der asiatischen Armee ward vom Senat wohl im Allgemeinen

* Der Eindruck der ersten Ansprache, die Pompeius nach seiner Rück-
kehr an die Bürgerschaft richtete, wird von Cicero (ad Att. 1, 14) so ge-
schildert: prima contio Pompei non iucunda miseris (dem Gesindel), ina-
nis improbis
(den Demokraten), beatis (den Vermögenden) non grata,
bonis
(den Aristokraten) non gravis; itaque frigebat.

POMPEIUS RÜCKTRITT.
auch in diesem Pompeius wieder mitlief. Im Januar 693 kam er
nach Rom. Seine Stellung war schief und schwankte so unklar
zwischen den Parteien, daſs man ihm den Spottnamen Gnaeus
Cicero verlieh. Er hatte es eben mit allen verdorben. Die Anar-
chisten sahen in ihm einen Widersacher, die Demokraten einen
unbequemen Freund, Marcus Crassus einen Nebenbuhler, die ver-
mögende Classe einen unzuverlässigen Beschützer, die Aristokra-
tie einen erklärten Feind.* Er war wohl immer noch der mäch-
tigste Mann im Staat; sein durch ganz Italien zerstreuter militä-
rischer Anhang, sein Einfluſs in den Provinzen, namentlich den
östlichen, sein militärischer Ruf, sein ungeheurer Reichthum
gaben ihm ein Gewicht wie es kein Anderer hatte; aber statt des
begeisterten Empfanges, auf den er gezählt hatte, war die Auf-
nahme, die er fand, mehr als kühl und noch kühler behandelte
man die Forderungen, die er stellte. Er begehrte für sich, wie er
schon durch Nepos hatte ankündigen lassen, das zweite Consulat,
auſserdem natürlich die Bestätigung der von ihm im Osten ge-
troffenen Anordnungen und die Erfüllung des seinen Soldaten ge-
gebenen Versprechens sie mit Ländereien auszustatten. Hiegegen
erhob sich im Senat eine systematische Opposition, zu der die
persönliche Erbitterung des Lucullus und des Metellus Creticus,
der alte Groll des Crassus und Catos gewissenhafte Thorheit die
hauptsächlichen Elemente hergaben. Das gewünschte zweite Con-
sulat ward sofort und unverblümt verweigert. Gleich die erste
Bitte, die der heimkehrende Feldherr an den Senat richtete, die
Wahl der Consuln für 693 bis nach seinem Eintreffen in der
Hauptstadt aufzuschieben, war ihm abgeschlagen worden; viel
weniger war daran zu denken die erforderliche Dispensation
von dem Gesetze Sullas über die Wiederwahl (II, 336) vom Se-
nat zu erlangen. Für die in den östlichen Provinzen getroffenen
Anordnungen begehrte natürlich Pompeius die Bestätigung im
Ganzen; Lucullus setzte es durch, daſs über jede Verfügung be-
sonders verhandelt und abgestimmt ward, womit für endlose Tra-
casserien und eine Menge Niederlagen im Einzelnen das Feld er-
öffnet war. Das Versprechen einer Landschenkung an die Solda-
ten der asiatischen Armee ward vom Senat wohl im Allgemeinen

* Der Eindruck der ersten Ansprache, die Pompeius nach seiner Rück-
kehr an die Bürgerschaft richtete, wird von Cicero (ad Att. 1, 14) so ge-
schildert: prima contio Pompei non iucunda miseris (dem Gesindel), ina-
nis improbis
(den Demokraten), beatis (den Vermögenden) non grata,
bonis
(den Aristokraten) non gravis; itaque frigebat.
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[187/0197] POMPEIUS RÜCKTRITT. auch in diesem Pompeius wieder mitlief. Im Januar 693 kam er nach Rom. Seine Stellung war schief und schwankte so unklar zwischen den Parteien, daſs man ihm den Spottnamen Gnaeus Cicero verlieh. Er hatte es eben mit allen verdorben. Die Anar- chisten sahen in ihm einen Widersacher, die Demokraten einen unbequemen Freund, Marcus Crassus einen Nebenbuhler, die ver- mögende Classe einen unzuverlässigen Beschützer, die Aristokra- tie einen erklärten Feind. * Er war wohl immer noch der mäch- tigste Mann im Staat; sein durch ganz Italien zerstreuter militä- rischer Anhang, sein Einfluſs in den Provinzen, namentlich den östlichen, sein militärischer Ruf, sein ungeheurer Reichthum gaben ihm ein Gewicht wie es kein Anderer hatte; aber statt des begeisterten Empfanges, auf den er gezählt hatte, war die Auf- nahme, die er fand, mehr als kühl und noch kühler behandelte man die Forderungen, die er stellte. Er begehrte für sich, wie er schon durch Nepos hatte ankündigen lassen, das zweite Consulat, auſserdem natürlich die Bestätigung der von ihm im Osten ge- troffenen Anordnungen und die Erfüllung des seinen Soldaten ge- gebenen Versprechens sie mit Ländereien auszustatten. Hiegegen erhob sich im Senat eine systematische Opposition, zu der die persönliche Erbitterung des Lucullus und des Metellus Creticus, der alte Groll des Crassus und Catos gewissenhafte Thorheit die hauptsächlichen Elemente hergaben. Das gewünschte zweite Con- sulat ward sofort und unverblümt verweigert. Gleich die erste Bitte, die der heimkehrende Feldherr an den Senat richtete, die Wahl der Consuln für 693 bis nach seinem Eintreffen in der Hauptstadt aufzuschieben, war ihm abgeschlagen worden; viel weniger war daran zu denken die erforderliche Dispensation von dem Gesetze Sullas über die Wiederwahl (II, 336) vom Se- nat zu erlangen. Für die in den östlichen Provinzen getroffenen Anordnungen begehrte natürlich Pompeius die Bestätigung im Ganzen; Lucullus setzte es durch, daſs über jede Verfügung be- sonders verhandelt und abgestimmt ward, womit für endlose Tra- casserien und eine Menge Niederlagen im Einzelnen das Feld er- öffnet war. Das Versprechen einer Landschenkung an die Solda- ten der asiatischen Armee ward vom Senat wohl im Allgemeinen * Der Eindruck der ersten Ansprache, die Pompeius nach seiner Rück- kehr an die Bürgerschaft richtete, wird von Cicero (ad Att. 1, 14) so ge- schildert: prima contio Pompei non iucunda miseris (dem Gesindel), ina- nis improbis (den Demokraten), beatis (den Vermögenden) non grata, bonis (den Aristokraten) non gravis; itaque frigebat.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/197>, abgerufen am 28.11.2024.