militärische Macht, wie die des Senats war, den Staat der ebenso lächerlichen wie furchtbaren Tyrannei der politischen Industrie- ritter aussetzt und dass eine Verfassungsänderung, welche die Mi- litärgewalt enger mit dem Regiment verknüpfte, eine unabweis- liche Nothwendigkeit war, wenn die gesellschaftliche Ordnung ferner Bestand haben sollte. So war im Osten der Herrscher auf- gestanden, in Italien der Thron errichtet; allem Anschein nach war das Jahr 692 das letzte der Republik, das erste der Monarchie.
Zwar ohne Kampf war an dieses Ziel nicht zu gelangen. Die Verfassung, die ein halbes Jahrtausend gedauert hatte und unter der die unbedeutende Stadt an der Tiber zu beispielloser Grösse und Herrlichkeit gediehen war, hatte ihre Wurzeln man wusste nicht wie tief in den Boden gesenkt und es liess sich durchaus nicht berechnen, bis in welche Schichten hinab der Versuch sie umzustürzen die bürgerliche Gesellschaft aufwühlen werde. Mehrere Nebenbuhler waren in dem Wettlauf nach dem grossen Ziel von Pompeius überholt, aber nicht völlig beseitigt worden. Es lag durchaus nicht ausser der Berechnung, dass alle diese Elemente sich verbanden um den neuen Machthaber zu stürzen und Pompeius sich gegenüber Quintus Catulus und Mar- cus Cato mit Marcus Crassus, Gaius Caesar und Titus Labienus vereinigt fand. Aber nicht leicht konnte der unvermeidliche und unzweifelhaft ernste Kampf unter günstigeren Verhältnissen auf- genommen werden. Es war in hohem Grade wahrscheinlich, dass unter dem frischen Eindrucke des catilinarischen Aufstandes einem Regimente, das Ordnung und Sicherheit, wenn gleich um den Preis der Freiheit, verhiess, die gesammte Mittelpartei sich fügen werde, vor allem die einzig um ihre materiellen Interes- sen bekümmerte Kaufmannschaft, aber nicht minder ein grosser Theil der Aristokratie, die, in sich zerrüttet und politisch hoff- nungslos, zufrieden sein musste durch zeitige Transaction mit dem Fürsten sich Reichthum, Rang und Einfluss zu sichern; vielleicht sogar mochte ein Theil der von den letzten Schlägen schwer getroffenen Demokratie sich bescheiden von einem aus ihren Reihen hervorgegangenen Militärchef die Realisirung eines Theils ihrer Forderungen zu erhoffen. Aber wie auch immer die Parteiverhältnisse sich stellten, was kam, zunächst wenig- stens, auf die Parteien in Italien überhaupt noch an Pompeius gegenüber und seinem siegreichen Heer? Zwanzig Jahre zuvor hatte Sulla, nachdem er mit Mithradates einen Nothfrieden ab- geschlossen hatte, gegen die gesammte seit Jahren massenhaft rüstende liberale Partei, von den gemässigten Aristokraten und
POMPEIUS RÜCKTRITT.
militärische Macht, wie die des Senats war, den Staat der ebenso lächerlichen wie furchtbaren Tyrannei der politischen Industrie- ritter aussetzt und daſs eine Verfassungsänderung, welche die Mi- litärgewalt enger mit dem Regiment verknüpfte, eine unabweis- liche Nothwendigkeit war, wenn die gesellschaftliche Ordnung ferner Bestand haben sollte. So war im Osten der Herrscher auf- gestanden, in Italien der Thron errichtet; allem Anschein nach war das Jahr 692 das letzte der Republik, das erste der Monarchie.
Zwar ohne Kampf war an dieses Ziel nicht zu gelangen. Die Verfassung, die ein halbes Jahrtausend gedauert hatte und unter der die unbedeutende Stadt an der Tiber zu beispielloser Gröſse und Herrlichkeit gediehen war, hatte ihre Wurzeln man wuſste nicht wie tief in den Boden gesenkt und es lieſs sich durchaus nicht berechnen, bis in welche Schichten hinab der Versuch sie umzustürzen die bürgerliche Gesellschaft aufwühlen werde. Mehrere Nebenbuhler waren in dem Wettlauf nach dem groſsen Ziel von Pompeius überholt, aber nicht völlig beseitigt worden. Es lag durchaus nicht auſser der Berechnung, daſs alle diese Elemente sich verbanden um den neuen Machthaber zu stürzen und Pompeius sich gegenüber Quintus Catulus und Mar- cus Cato mit Marcus Crassus, Gaius Caesar und Titus Labienus vereinigt fand. Aber nicht leicht konnte der unvermeidliche und unzweifelhaft ernste Kampf unter günstigeren Verhältnissen auf- genommen werden. Es war in hohem Grade wahrscheinlich, daſs unter dem frischen Eindrucke des catilinarischen Aufstandes einem Regimente, das Ordnung und Sicherheit, wenn gleich um den Preis der Freiheit, verhieſs, die gesammte Mittelpartei sich fügen werde, vor allem die einzig um ihre materiellen Interes- sen bekümmerte Kaufmannschaft, aber nicht minder ein groſser Theil der Aristokratie, die, in sich zerrüttet und politisch hoff- nungslos, zufrieden sein muſste durch zeitige Transaction mit dem Fürsten sich Reichthum, Rang und Einfluſs zu sichern; vielleicht sogar mochte ein Theil der von den letzten Schlägen schwer getroffenen Demokratie sich bescheiden von einem aus ihren Reihen hervorgegangenen Militärchef die Realisirung eines Theils ihrer Forderungen zu erhoffen. Aber wie auch immer die Parteiverhältnisse sich stellten, was kam, zunächst wenig- stens, auf die Parteien in Italien überhaupt noch an Pompeius gegenüber und seinem siegreichen Heer? Zwanzig Jahre zuvor hatte Sulla, nachdem er mit Mithradates einen Nothfrieden ab- geschlossen hatte, gegen die gesammte seit Jahren massenhaft rüstende liberale Partei, von den gemäſsigten Aristokraten und
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POMPEIUS RÜCKTRITT.
militärische Macht, wie die des Senats war, den Staat der ebenso
lächerlichen wie furchtbaren Tyrannei der politischen Industrie-
ritter aussetzt und daſs eine Verfassungsänderung, welche die Mi-
litärgewalt enger mit dem Regiment verknüpfte, eine unabweis-
liche Nothwendigkeit war, wenn die gesellschaftliche Ordnung
ferner Bestand haben sollte. So war im Osten der Herrscher auf-
gestanden, in Italien der Thron errichtet; allem Anschein nach war
das Jahr 692 das letzte der Republik, das erste der Monarchie.
Zwar ohne Kampf war an dieses Ziel nicht zu gelangen.
Die Verfassung, die ein halbes Jahrtausend gedauert hatte und
unter der die unbedeutende Stadt an der Tiber zu beispielloser
Gröſse und Herrlichkeit gediehen war, hatte ihre Wurzeln man
wuſste nicht wie tief in den Boden gesenkt und es lieſs sich
durchaus nicht berechnen, bis in welche Schichten hinab der
Versuch sie umzustürzen die bürgerliche Gesellschaft aufwühlen
werde. Mehrere Nebenbuhler waren in dem Wettlauf nach dem
groſsen Ziel von Pompeius überholt, aber nicht völlig beseitigt
worden. Es lag durchaus nicht auſser der Berechnung, daſs alle
diese Elemente sich verbanden um den neuen Machthaber zu
stürzen und Pompeius sich gegenüber Quintus Catulus und Mar-
cus Cato mit Marcus Crassus, Gaius Caesar und Titus Labienus
vereinigt fand. Aber nicht leicht konnte der unvermeidliche und
unzweifelhaft ernste Kampf unter günstigeren Verhältnissen auf-
genommen werden. Es war in hohem Grade wahrscheinlich, daſs
unter dem frischen Eindrucke des catilinarischen Aufstandes
einem Regimente, das Ordnung und Sicherheit, wenn gleich um
den Preis der Freiheit, verhieſs, die gesammte Mittelpartei sich
fügen werde, vor allem die einzig um ihre materiellen Interes-
sen bekümmerte Kaufmannschaft, aber nicht minder ein groſser
Theil der Aristokratie, die, in sich zerrüttet und politisch hoff-
nungslos, zufrieden sein muſste durch zeitige Transaction mit
dem Fürsten sich Reichthum, Rang und Einfluſs zu sichern;
vielleicht sogar mochte ein Theil der von den letzten Schlägen
schwer getroffenen Demokratie sich bescheiden von einem aus
ihren Reihen hervorgegangenen Militärchef die Realisirung eines
Theils ihrer Forderungen zu erhoffen. Aber wie auch immer
die Parteiverhältnisse sich stellten, was kam, zunächst wenig-
stens, auf die Parteien in Italien überhaupt noch an Pompeius
gegenüber und seinem siegreichen Heer? Zwanzig Jahre zuvor
hatte Sulla, nachdem er mit Mithradates einen Nothfrieden ab-
geschlossen hatte, gegen die gesammte seit Jahren massenhaft
rüstende liberale Partei, von den gemäſsigten Aristokraten und
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/191>, abgerufen am 04.12.2024.
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