Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.LEPIDUS UND SERTORIUS. Intriguen und Parteiungen als rechter Steuermann zu lenken.Ihre politische Weisheit beschränkte sich darauf aufrichtig zu glauben an die alleinseligmachende Oligarchie und die Demagogie wie jede sich emancipirende Einzelgewalt herzlich zu hassen und muthig zu verwünschen. Ihr kleiner Ehrgeiz nahm mit Weni- gem vorlieb. Was von Metellus in Spanien erzählt wird, dass er nicht bloss die wenig harmonische Leier der spanischen Gelegen- heitspoeten sich gefallen, sondern sogar wo er hinkam sich gleich einem Gotte mit Weinspenden und Weihrauchduft empfangen und bei Tafel von niederschwebenden Victorien unter Theater- donner das Haupt mit dem goldenen Siegeslorbeer sich kränzen liess, ist nicht besser beglaubigt als die meisten geschichtlichen Anekdoten; aber nichts desto weniger spiegelt sich darin der heruntergekommene Ehrgeiz der Epigonengeschlechter. Selbst die Besseren waren befriedigt, wenn nicht Macht und Einfluss, sondern das Consulat und der Triumph und im Rath ein Ehren- platz errungen war. Es ist nicht ungewöhnlich, dass, wer solches erlangt hat, von der politischen Bühne zurücktritt und in fürst- lichem Luxus untergeht. Waren doch selbst Männer wie Metellus und Lucius Lucullus schon als Feldherren nicht weniger bedacht auf die Erweiterung des römischen Gebietes als auf die der end- losen Wildprett-, Geflügel- und Dessertliste der römischen Gastro- nomie durch neue afrikanische und kleinasiatische Delicatessen; auch sie verdarben den besten Theil ihres Lebens in mehr oder minder geistreichem Müssiggang. Das traditionelle Geschick und die individuelle Resignation, auf denen alles oligarchische Regi- ment beruht, waren der verfallenen und künstlich wieder herge- stellten römischen Oligarchie dieser Zeit abhanden gekommen; der Aristokratie dieser Zeit galt durchgängig ihr Cliquengeist als Patriotismus, ihre Eitelkeit als Ehrgeiz, ihre Bornirtheit als Con- sequenz. Wäre die sullanische Verfassung der Obhut von Män- nern anvertraut worden, wie sie wohl im römischen Cardinals- collegium und im venezianischen Rath der Zehn gesessen haben, so ist es nicht zu sagen, ob die Opposition so rasch vermocht haben würde sie zu gefährden; mit solchen Vertheidigern war allerdings jeder Angriff eine ernste Gefahr. Unter den Männern, die weder unbedingte Anfänger noch of- LEPIDUS UND SERTORIUS. Intriguen und Parteiungen als rechter Steuermann zu lenken.Ihre politische Weisheit beschränkte sich darauf aufrichtig zu glauben an die alleinseligmachende Oligarchie und die Demagogie wie jede sich emancipirende Einzelgewalt herzlich zu hassen und muthig zu verwünschen. Ihr kleiner Ehrgeiz nahm mit Weni- gem vorlieb. Was von Metellus in Spanien erzählt wird, daſs er nicht bloſs die wenig harmonische Leier der spanischen Gelegen- heitspoeten sich gefallen, sondern sogar wo er hinkam sich gleich einem Gotte mit Weinspenden und Weihrauchduft empfangen und bei Tafel von niederschwebenden Victorien unter Theater- donner das Haupt mit dem goldenen Siegeslorbeer sich kränzen lieſs, ist nicht besser beglaubigt als die meisten geschichtlichen Anekdoten; aber nichts desto weniger spiegelt sich darin der heruntergekommene Ehrgeiz der Epigonengeschlechter. Selbst die Besseren waren befriedigt, wenn nicht Macht und Einfluſs, sondern das Consulat und der Triumph und im Rath ein Ehren- platz errungen war. Es ist nicht ungewöhnlich, daſs, wer solches erlangt hat, von der politischen Bühne zurücktritt und in fürst- lichem Luxus untergeht. Waren doch selbst Männer wie Metellus und Lucius Lucullus schon als Feldherren nicht weniger bedacht auf die Erweiterung des römischen Gebietes als auf die der end- losen Wildprett-, Geflügel- und Dessertliste der römischen Gastro- nomie durch neue afrikanische und kleinasiatische Delicatessen; auch sie verdarben den besten Theil ihres Lebens in mehr oder minder geistreichem Müſsiggang. Das traditionelle Geschick und die individuelle Resignation, auf denen alles oligarchische Regi- ment beruht, waren der verfallenen und künstlich wieder herge- stellten römischen Oligarchie dieser Zeit abhanden gekommen; der Aristokratie dieser Zeit galt durchgängig ihr Cliquengeist als Patriotismus, ihre Eitelkeit als Ehrgeiz, ihre Bornirtheit als Con- sequenz. Wäre die sullanische Verfassung der Obhut von Män- nern anvertraut worden, wie sie wohl im römischen Cardinals- collegium und im venezianischen Rath der Zehn gesessen haben, so ist es nicht zu sagen, ob die Opposition so rasch vermocht haben würde sie zu gefährden; mit solchen Vertheidigern war allerdings jeder Angriff eine ernste Gefahr. Unter den Männern, die weder unbedingte Anfänger noch of- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0019" n="9"/><fw place="top" type="header">LEPIDUS UND SERTORIUS.</fw><lb/> Intriguen und Parteiungen als rechter Steuermann zu lenken.<lb/> Ihre politische Weisheit beschränkte sich darauf aufrichtig zu<lb/> glauben an die alleinseligmachende Oligarchie und die Demagogie<lb/> wie jede sich emancipirende Einzelgewalt herzlich zu hassen und<lb/> muthig zu verwünschen. Ihr kleiner Ehrgeiz nahm mit Weni-<lb/> gem vorlieb. 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LEPIDUS UND SERTORIUS.
Intriguen und Parteiungen als rechter Steuermann zu lenken.
Ihre politische Weisheit beschränkte sich darauf aufrichtig zu
glauben an die alleinseligmachende Oligarchie und die Demagogie
wie jede sich emancipirende Einzelgewalt herzlich zu hassen und
muthig zu verwünschen. Ihr kleiner Ehrgeiz nahm mit Weni-
gem vorlieb. Was von Metellus in Spanien erzählt wird, daſs er
nicht bloſs die wenig harmonische Leier der spanischen Gelegen-
heitspoeten sich gefallen, sondern sogar wo er hinkam sich gleich
einem Gotte mit Weinspenden und Weihrauchduft empfangen
und bei Tafel von niederschwebenden Victorien unter Theater-
donner das Haupt mit dem goldenen Siegeslorbeer sich kränzen
lieſs, ist nicht besser beglaubigt als die meisten geschichtlichen
Anekdoten; aber nichts desto weniger spiegelt sich darin der
heruntergekommene Ehrgeiz der Epigonengeschlechter. Selbst
die Besseren waren befriedigt, wenn nicht Macht und Einfluſs,
sondern das Consulat und der Triumph und im Rath ein Ehren-
platz errungen war. Es ist nicht ungewöhnlich, daſs, wer solches
erlangt hat, von der politischen Bühne zurücktritt und in fürst-
lichem Luxus untergeht. Waren doch selbst Männer wie Metellus
und Lucius Lucullus schon als Feldherren nicht weniger bedacht
auf die Erweiterung des römischen Gebietes als auf die der end-
losen Wildprett-, Geflügel- und Dessertliste der römischen Gastro-
nomie durch neue afrikanische und kleinasiatische Delicatessen;
auch sie verdarben den besten Theil ihres Lebens in mehr oder
minder geistreichem Müſsiggang. Das traditionelle Geschick und
die individuelle Resignation, auf denen alles oligarchische Regi-
ment beruht, waren der verfallenen und künstlich wieder herge-
stellten römischen Oligarchie dieser Zeit abhanden gekommen;
der Aristokratie dieser Zeit galt durchgängig ihr Cliquengeist als
Patriotismus, ihre Eitelkeit als Ehrgeiz, ihre Bornirtheit als Con-
sequenz. Wäre die sullanische Verfassung der Obhut von Män-
nern anvertraut worden, wie sie wohl im römischen Cardinals-
collegium und im venezianischen Rath der Zehn gesessen haben,
so ist es nicht zu sagen, ob die Opposition so rasch vermocht
haben würde sie zu gefährden; mit solchen Vertheidigern war
allerdings jeder Angriff eine ernste Gefahr.
Unter den Männern, die weder unbedingte Anfänger noch of-
fene Gegner der sullanischen Verfassung waren, zog keiner mehr
die Augen der Menge auf sich als der junge bei Sullas Tode neun-
undzwanzigjährige Gnaeus Pompeius (geb. 29. Sept. 648). Es war
das ein Unglück für den Bewunderten wie für die Bewunderer;
aber es war natürlich. Gesund an Leib und Seele, ein tüchtiger
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