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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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POMPEIUS UND DER OSTEN.
nachdem er sich des gegen ihn geschickten Haufens entledigt, die
auf allen Punkten geschlagenen Barbaren bis an den Kur. Als
das Frühjahr herankam und Pompeius im Begriff war die Ver-
folgung des Mithradates wieder aufzunehmen, ward ihm berich-
tet, dass der König der Iberer Artokes es mit seinen Versicherun-
gen des Friedens und der Freundschaft nicht ehrlich meine, son-
dern insgeheim rüste um die Römer zu überfallen. Sofort rückte
er vor die beiden kaum eine halbe deutsche Meile von einander
entfernten Festungen Harmozika (Horumziche oder Armazi)
und Seusamora (Tsumar), welche wenig oberhalb des heutigen
Tiflis die beiden Flussthäler des Kur und seines Nebenflusses Ara-
gua und damit die einzigen von Armenien nach Iberien führenden
Pässe beherrschen. Artokes, ehe er dessen sich versah vom
Feinde überrascht, brannte eiligst die Kurbrücke ab und wich
unterhandelnd in das innere Land zurück. Pompeius besetzte
die Festungen und folgte den Iberern auf das andere Ufer des
Kur, wodurch er sie zu sofortiger Unterwerfung zu bestimmen
hoffte. Artokes aber wich weiter und weiter in das innere Land
zurück, und als er endlich am Fluss Peloros Halt machte, geschah
es nicht um sich zu ergeben, sondern um zu schlagen. Allein
dem Anprall der Legionen standen doch die iberischen Schützen
keinen Augenblick und da Artokes auch den Peloros von den Rö-
mern überschritten sah, fügte er sich endlich den Bedingungen,
die der Sieger stellte, und sandte seine Kinder als Geisseln. Pom-
peius konnte jetzt seinen früheren Plan wieder aufnehmen durch
den Sarapanapass aus dem Gebiet des Kur in das des Phasis
und von da am Flusse hinab marschirend an das schwarze
Meer zu gelangen, wo an der kolchischen Küste die Flotte unter
Servilius bereits seiner harrte. Dieser Marsch durch unbekannte
und meistentheils feindliche Nationen ward unter grossen Drang-
salen vollendet; immer mehr aber zeigte es sich, wie schwierig
der Weg, wie unsicher und nichtig das Ziel war, dem zu Liebe
man Heer und Flotte an den mährchenreichen kolchischen Strand
geführt hatte. Wenn es gelang mit Heer und Flotte von der Pha-
sismündung aus die Krim zu erreichen, durch kriegerische und
arme Barbarenstämme, auf unwirthlichen und unbekannten Ge-
wässern, längs einer Küste, wo an einzelnen Stellen die Gebirge
lothrecht in die See hinabfallen und es schlechterdings nothwen-
dig gewesen wäre die Schiffe zu besteigen; wenn es gelang diesen
Zug zu vollenden, der vielleicht schwieriger war als die Heerfahr-
ten Alexanders und Hannibal, -- was ward im besten Falle damit
erzielt, was irgend den Mühen und Gefahren entsprach? Wohl

POMPEIUS UND DER OSTEN.
nachdem er sich des gegen ihn geschickten Haufens entledigt, die
auf allen Punkten geschlagenen Barbaren bis an den Kur. Als
das Frühjahr herankam und Pompeius im Begriff war die Ver-
folgung des Mithradates wieder aufzunehmen, ward ihm berich-
tet, daſs der König der Iberer Artokes es mit seinen Versicherun-
gen des Friedens und der Freundschaft nicht ehrlich meine, son-
dern insgeheim rüste um die Römer zu überfallen. Sofort rückte
er vor die beiden kaum eine halbe deutsche Meile von einander
entfernten Festungen Harmozika (Horumziche oder Armazi)
und Seusamora (Tsumar), welche wenig oberhalb des heutigen
Tiflis die beiden Fluſsthäler des Kur und seines Nebenflusses Ara-
gua und damit die einzigen von Armenien nach Iberien führenden
Pässe beherrschen. Artokes, ehe er dessen sich versah vom
Feinde überrascht, brannte eiligst die Kurbrücke ab und wich
unterhandelnd in das innere Land zurück. Pompeius besetzte
die Festungen und folgte den Iberern auf das andere Ufer des
Kur, wodurch er sie zu sofortiger Unterwerfung zu bestimmen
hoffte. Artokes aber wich weiter und weiter in das innere Land
zurück, und als er endlich am Fluſs Peloros Halt machte, geschah
es nicht um sich zu ergeben, sondern um zu schlagen. Allein
dem Anprall der Legionen standen doch die iberischen Schützen
keinen Augenblick und da Artokes auch den Peloros von den Rö-
mern überschritten sah, fügte er sich endlich den Bedingungen,
die der Sieger stellte, und sandte seine Kinder als Geiſseln. Pom-
peius konnte jetzt seinen früheren Plan wieder aufnehmen durch
den Sarapanapaſs aus dem Gebiet des Kur in das des Phasis
und von da am Flusse hinab marschirend an das schwarze
Meer zu gelangen, wo an der kolchischen Küste die Flotte unter
Servilius bereits seiner harrte. Dieser Marsch durch unbekannte
und meistentheils feindliche Nationen ward unter groſsen Drang-
salen vollendet; immer mehr aber zeigte es sich, wie schwierig
der Weg, wie unsicher und nichtig das Ziel war, dem zu Liebe
man Heer und Flotte an den mährchenreichen kolchischen Strand
geführt hatte. Wenn es gelang mit Heer und Flotte von der Pha-
sismündung aus die Krim zu erreichen, durch kriegerische und
arme Barbarenstämme, auf unwirthlichen und unbekannten Ge-
wässern, längs einer Küste, wo an einzelnen Stellen die Gebirge
lothrecht in die See hinabfallen und es schlechterdings nothwen-
dig gewesen wäre die Schiffe zu besteigen; wenn es gelang diesen
Zug zu vollenden, der vielleicht schwieriger war als die Heerfahr-
ten Alexanders und Hannibal, — was ward im besten Falle damit
erzielt, was irgend den Mühen und Gefahren entsprach? Wohl

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[119/0129] POMPEIUS UND DER OSTEN. nachdem er sich des gegen ihn geschickten Haufens entledigt, die auf allen Punkten geschlagenen Barbaren bis an den Kur. Als das Frühjahr herankam und Pompeius im Begriff war die Ver- folgung des Mithradates wieder aufzunehmen, ward ihm berich- tet, daſs der König der Iberer Artokes es mit seinen Versicherun- gen des Friedens und der Freundschaft nicht ehrlich meine, son- dern insgeheim rüste um die Römer zu überfallen. Sofort rückte er vor die beiden kaum eine halbe deutsche Meile von einander entfernten Festungen Harmozika (Horumziche oder Armazi) und Seusamora (Tsumar), welche wenig oberhalb des heutigen Tiflis die beiden Fluſsthäler des Kur und seines Nebenflusses Ara- gua und damit die einzigen von Armenien nach Iberien führenden Pässe beherrschen. Artokes, ehe er dessen sich versah vom Feinde überrascht, brannte eiligst die Kurbrücke ab und wich unterhandelnd in das innere Land zurück. Pompeius besetzte die Festungen und folgte den Iberern auf das andere Ufer des Kur, wodurch er sie zu sofortiger Unterwerfung zu bestimmen hoffte. Artokes aber wich weiter und weiter in das innere Land zurück, und als er endlich am Fluſs Peloros Halt machte, geschah es nicht um sich zu ergeben, sondern um zu schlagen. Allein dem Anprall der Legionen standen doch die iberischen Schützen keinen Augenblick und da Artokes auch den Peloros von den Rö- mern überschritten sah, fügte er sich endlich den Bedingungen, die der Sieger stellte, und sandte seine Kinder als Geiſseln. Pom- peius konnte jetzt seinen früheren Plan wieder aufnehmen durch den Sarapanapaſs aus dem Gebiet des Kur in das des Phasis und von da am Flusse hinab marschirend an das schwarze Meer zu gelangen, wo an der kolchischen Küste die Flotte unter Servilius bereits seiner harrte. Dieser Marsch durch unbekannte und meistentheils feindliche Nationen ward unter groſsen Drang- salen vollendet; immer mehr aber zeigte es sich, wie schwierig der Weg, wie unsicher und nichtig das Ziel war, dem zu Liebe man Heer und Flotte an den mährchenreichen kolchischen Strand geführt hatte. Wenn es gelang mit Heer und Flotte von der Pha- sismündung aus die Krim zu erreichen, durch kriegerische und arme Barbarenstämme, auf unwirthlichen und unbekannten Ge- wässern, längs einer Küste, wo an einzelnen Stellen die Gebirge lothrecht in die See hinabfallen und es schlechterdings nothwen- dig gewesen wäre die Schiffe zu besteigen; wenn es gelang diesen Zug zu vollenden, der vielleicht schwieriger war als die Heerfahr- ten Alexanders und Hannibal, — was ward im besten Falle damit erzielt, was irgend den Mühen und Gefahren entsprach? Wohl

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/129>, abgerufen am 23.11.2024.