Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.STURZ DER OLIGARCHIE. pontischen Reiter plünderten ungescheut und ungestraft in Bithy-nien und Kappadokien. Durch den Piratenkrieg war auch Pom- peius veranlasst worden sich mit seinem Heer nach Kleinasien zu begeben; nichts lag näher als ihm den Oberbefehl in dem pon- tisch-armenischen Kriege zu übertragen, dem er selbst seit lan- gem nachtrachtete. Allein die demokratische Partei in Rom theilte begreiflicher Weise die Wünsche ihres Generals nicht und hütete sich wohl hierin die Initiative zu ergreifen. Es ist sehr wahrschein- lich, dass sie es gewesen war, die Gabinius bestimmt hatte den mithradatischen und den Piratenkrieg nicht beide zugleich an Pompeius, sondern den ersteren an Glabrio zu übertragen; auf keinen Fall konnte sie jetzt die Ausnahmestellung des schon allzu mächtigen Feldherrn steigern und verewigen wollen. Auch Pom- peius selbst verhielt nach seiner Gewohnheit sich passiv und viel- leicht wäre er in der That nach Vollziehung des ihm gewordenen Auftrags heimgekehrt, wenn nicht ein allen Parteien unerwarteter Zwischenfall eingetreten wäre. Ein gewisser Gaius Manilius, ein ganz nichtiger und unbedeutender Mensch, hatte als Volkstribun es durch seine ungeschickten Gesetzvorschläge zugleich mit der Aristokratie und der Demokratie verdorben. In der Hoffnung sich unter des mächtigen Feldherrn Flügeln zu bergen, wenn er diesem verschaffe, was er, wie Jedem bekannt war, sehnlichst wünschte, aber doch zu fordern sich nicht getraute, stellte er bei der Bürger- schaft den Antrag die Statthalter Glabrio aus Bithynien und Pon- tus, Marcius Rex aus Kilikien abzuberufen und diese Aemter so wie die Führung des Krieges im Osten, wie es scheint ohne fest bestimmte Zeitgrenze und jedenfalls mit der freiesten Befugniss Frieden und Bündniss zu schliessen, dem Proconsul der Meere und Küsten neben seinem bisherigen Amte zu übertragen (An- fang 688). Es zeigte hier sich einmal recht deutlich, wie zer- rüttet die römische Verfassungsmaschine war, seit die Legislation theils der Initiative nach jedem noch so geringen Demagogen und der Beschlussfassung nach der unmündigen Menge in die Hände gegeben, theils auf die wichtigsten Verwaltungsfragen erstreckt war. Der manilische Vorschlag war keiner der politischen Par- teien genehm; dennoch fand er kaum irgendwo ernstlichen Wi- derstand. Die demokratischen Führer konnten aus denselben Gründen, die sie gezwungen hatten das gabinische Gesetz sich gefallen zu lassen, es nicht wagen sich dem manilischen ernstlich zu widersetzen; sie verschlossen ihren Unwillen und ihre Besorg- nisse in sich und redeten öffentlich für den Feldherrn der De- mokratie. Die gemässigten Optimaten erklärten sich für den ma- STURZ DER OLIGARCHIE. pontischen Reiter plünderten ungescheut und ungestraft in Bithy-nien und Kappadokien. Durch den Piratenkrieg war auch Pom- peius veranlaſst worden sich mit seinem Heer nach Kleinasien zu begeben; nichts lag näher als ihm den Oberbefehl in dem pon- tisch-armenischen Kriege zu übertragen, dem er selbst seit lan- gem nachtrachtete. Allein die demokratische Partei in Rom theilte begreiflicher Weise die Wünsche ihres Generals nicht und hütete sich wohl hierin die Initiative zu ergreifen. Es ist sehr wahrschein- lich, daſs sie es gewesen war, die Gabinius bestimmt hatte den mithradatischen und den Piratenkrieg nicht beide zugleich an Pompeius, sondern den ersteren an Glabrio zu übertragen; auf keinen Fall konnte sie jetzt die Ausnahmestellung des schon allzu mächtigen Feldherrn steigern und verewigen wollen. Auch Pom- peius selbst verhielt nach seiner Gewohnheit sich passiv und viel- leicht wäre er in der That nach Vollziehung des ihm gewordenen Auftrags heimgekehrt, wenn nicht ein allen Parteien unerwarteter Zwischenfall eingetreten wäre. Ein gewisser Gaius Manilius, ein ganz nichtiger und unbedeutender Mensch, hatte als Volkstribun es durch seine ungeschickten Gesetzvorschläge zugleich mit der Aristokratie und der Demokratie verdorben. In der Hoffnung sich unter des mächtigen Feldherrn Flügeln zu bergen, wenn er diesem verschaffe, was er, wie Jedem bekannt war, sehnlichst wünschte, aber doch zu fordern sich nicht getraute, stellte er bei der Bürger- schaft den Antrag die Statthalter Glabrio aus Bithynien und Pon- tus, Marcius Rex aus Kilikien abzuberufen und diese Aemter so wie die Führung des Krieges im Osten, wie es scheint ohne fest bestimmte Zeitgrenze und jedenfalls mit der freiesten Befugniſs Frieden und Bündniſs zu schlieſsen, dem Proconsul der Meere und Küsten neben seinem bisherigen Amte zu übertragen (An- fang 688). Es zeigte hier sich einmal recht deutlich, wie zer- rüttet die römische Verfassungsmaschine war, seit die Legislation theils der Initiative nach jedem noch so geringen Demagogen und der Beschluſsfassung nach der unmündigen Menge in die Hände gegeben, theils auf die wichtigsten Verwaltungsfragen erstreckt war. Der manilische Vorschlag war keiner der politischen Par- teien genehm; dennoch fand er kaum irgendwo ernstlichen Wi- derstand. Die demokratischen Führer konnten aus denselben Gründen, die sie gezwungen hatten das gabinische Gesetz sich gefallen zu lassen, es nicht wagen sich dem manilischen ernstlich zu widersetzen; sie verschlossen ihren Unwillen und ihre Besorg- nisse in sich und redeten öffentlich für den Feldherrn der De- mokratie. Die gemäſsigten Optimaten erklärten sich für den ma- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0115" n="105"/><fw place="top" type="header">STURZ DER OLIGARCHIE.</fw><lb/> pontischen Reiter plünderten ungescheut und ungestraft in Bithy-<lb/> nien und Kappadokien. Durch den Piratenkrieg war auch Pom-<lb/> peius veranlaſst worden sich mit seinem Heer nach Kleinasien zu<lb/> begeben; nichts lag näher als ihm den Oberbefehl in dem pon-<lb/> tisch-armenischen Kriege zu übertragen, dem er selbst seit lan-<lb/> gem nachtrachtete. 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In der Hoffnung sich<lb/> unter des mächtigen Feldherrn Flügeln zu bergen, wenn er diesem<lb/> verschaffe, was er, wie Jedem bekannt war, sehnlichst wünschte,<lb/> aber doch zu fordern sich nicht getraute, stellte er bei der Bürger-<lb/> schaft den Antrag die Statthalter Glabrio aus Bithynien und Pon-<lb/> tus, Marcius Rex aus Kilikien abzuberufen und diese Aemter so<lb/> wie die Führung des Krieges im Osten, wie es scheint ohne fest<lb/> bestimmte Zeitgrenze und jedenfalls mit der freiesten Befugniſs<lb/> Frieden und Bündniſs zu schlieſsen, dem Proconsul der Meere<lb/> und Küsten neben seinem bisherigen Amte zu übertragen (An-<lb/> fang 688). Es zeigte hier sich einmal recht deutlich, wie zer-<lb/> rüttet die römische Verfassungsmaschine war, seit die Legislation<lb/> theils der Initiative nach jedem noch so geringen Demagogen und<lb/> der Beschluſsfassung nach der unmündigen Menge in die Hände<lb/> gegeben, theils auf die wichtigsten Verwaltungsfragen erstreckt<lb/> war. 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STURZ DER OLIGARCHIE.
pontischen Reiter plünderten ungescheut und ungestraft in Bithy-
nien und Kappadokien. Durch den Piratenkrieg war auch Pom-
peius veranlaſst worden sich mit seinem Heer nach Kleinasien zu
begeben; nichts lag näher als ihm den Oberbefehl in dem pon-
tisch-armenischen Kriege zu übertragen, dem er selbst seit lan-
gem nachtrachtete. Allein die demokratische Partei in Rom theilte
begreiflicher Weise die Wünsche ihres Generals nicht und hütete
sich wohl hierin die Initiative zu ergreifen. Es ist sehr wahrschein-
lich, daſs sie es gewesen war, die Gabinius bestimmt hatte den
mithradatischen und den Piratenkrieg nicht beide zugleich an
Pompeius, sondern den ersteren an Glabrio zu übertragen; auf
keinen Fall konnte sie jetzt die Ausnahmestellung des schon allzu
mächtigen Feldherrn steigern und verewigen wollen. Auch Pom-
peius selbst verhielt nach seiner Gewohnheit sich passiv und viel-
leicht wäre er in der That nach Vollziehung des ihm gewordenen
Auftrags heimgekehrt, wenn nicht ein allen Parteien unerwarteter
Zwischenfall eingetreten wäre. Ein gewisser Gaius Manilius, ein
ganz nichtiger und unbedeutender Mensch, hatte als Volkstribun
es durch seine ungeschickten Gesetzvorschläge zugleich mit der
Aristokratie und der Demokratie verdorben. In der Hoffnung sich
unter des mächtigen Feldherrn Flügeln zu bergen, wenn er diesem
verschaffe, was er, wie Jedem bekannt war, sehnlichst wünschte,
aber doch zu fordern sich nicht getraute, stellte er bei der Bürger-
schaft den Antrag die Statthalter Glabrio aus Bithynien und Pon-
tus, Marcius Rex aus Kilikien abzuberufen und diese Aemter so
wie die Führung des Krieges im Osten, wie es scheint ohne fest
bestimmte Zeitgrenze und jedenfalls mit der freiesten Befugniſs
Frieden und Bündniſs zu schlieſsen, dem Proconsul der Meere
und Küsten neben seinem bisherigen Amte zu übertragen (An-
fang 688). Es zeigte hier sich einmal recht deutlich, wie zer-
rüttet die römische Verfassungsmaschine war, seit die Legislation
theils der Initiative nach jedem noch so geringen Demagogen und
der Beschluſsfassung nach der unmündigen Menge in die Hände
gegeben, theils auf die wichtigsten Verwaltungsfragen erstreckt
war. Der manilische Vorschlag war keiner der politischen Par-
teien genehm; dennoch fand er kaum irgendwo ernstlichen Wi-
derstand. Die demokratischen Führer konnten aus denselben
Gründen, die sie gezwungen hatten das gabinische Gesetz sich
gefallen zu lassen, es nicht wagen sich dem manilischen ernstlich
zu widersetzen; sie verschlossen ihren Unwillen und ihre Besorg-
nisse in sich und redeten öffentlich für den Feldherrn der De-
mokratie. Die gemäſsigten Optimaten erklärten sich für den ma-
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