Da zog Trebellius, seines Eides vergessend, die Intercession klein- müthig zurück. Vergeblich bemühte sich darauf der Tribun Otho wenigstens zu bewirken, dass statt eines Feldherren zwei -- die alten Zweiherren der Flotte -- gewählt werden möchten; vergeb- lich strengte der hochbejahrte Quintus Catulus, der geachtetste Mann im Senat, seine letzten Kräfte dafür an, dass die Unterfeld- herren nicht vom Oberfeldherrn ernannt, sondern vom Volke ge- wählt werden möchten. Otho konnte in dem Toben der Menge nicht einmal sich Gehör verschaffen; dem Catulus verschaffte es Gabinius wohlberechnete Courtoisie und in ehrerbietigem Schwei- gen horchte die Menge den Worten des Greises; aber verloren wa- ren sie darum nicht minder. Die Vorschläge wurden nicht bloss mit allen Clauseln unverändert zum Gesetz erhoben, sondern auch, was Pompeius noch im Einzelnen nachträglich begehrte, augen- blicklich und vollständig bewilligt.
Mit hochgespannten Hoffnungen sah man die beiden Feldher- ren Pompeius und Glabrio nach ihren Bestimmungsorten abgehen. Die Kornpreise waren nach dem Durchgehen der gabinischen Ge- setze sogleich auf die gewöhnlichen Sätze zurückgegangen; ein Be- weis, welche Hoffnungen an die grossartige Expedition und ihren ruhmvollen Führer sich knüpften. Sie wurden, wie später erzählt werden wird, nicht bloss erfüllt, sondern übertroffen; in drei Mo- naten war die Säuberung der Meere vollendet. Seit dem hanni- balischen Kriege war die römische Regierung nicht mit solcher Energie nach aussen hin aufgetreten; gegenüber der schlaffen und unfähigen Verwaltung der Oligarchie hatte die demokratisch-mi- litärische Opposition auf das Glänzendste ihren Beruf dargethan die Zügel des Staates zu fassen und zu lenken. Die ebenso un- patriotischen wie ungeschickten Versuche des Consuls Piso den Massregeln des Pompeius gegen die Corsaren im narbonensischen Gallien kleinliche Hindernisse in den Weg zu legen steigerten nur noch mehr die Erbitterung der Bürgerschaft gegen die Oligarchie und ihren Enthusiasmus für Pompeius; nur dessen persönliche Dazwischenkunft verhinderte es, dass die Volksversammlung nicht den Consul kurzweg seines Amtes entsetzte. -- Inzwischen war auf dem asiatischen Festland die Verwirrung nur noch ärger gewor- den. Glabrio, der an Lucullus Stelle den Oberbefehl gegen Mithra- dates und Tigranes übernehmen sollte, war in Vorderasien sitzen geblieben und hatte zwar durch verschiedene Proclamationen die Soldaten gegen Lucullus aufgestiftet, aber den Oberbefehl nicht übernommen, so dass thatsächlich Lucullus denselben noch immer führte. Gegen Mithradates war natürlich nichts geschehen; die
FÜNFTES BUCH. KAPITEL III.
Da zog Trebellius, seines Eides vergessend, die Intercession klein- müthig zurück. Vergeblich bemühte sich darauf der Tribun Otho wenigstens zu bewirken, daſs statt eines Feldherren zwei — die alten Zweiherren der Flotte — gewählt werden möchten; vergeb- lich strengte der hochbejahrte Quintus Catulus, der geachtetste Mann im Senat, seine letzten Kräfte dafür an, daſs die Unterfeld- herren nicht vom Oberfeldherrn ernannt, sondern vom Volke ge- wählt werden möchten. Otho konnte in dem Toben der Menge nicht einmal sich Gehör verschaffen; dem Catulus verschaffte es Gabinius wohlberechnete Courtoisie und in ehrerbietigem Schwei- gen horchte die Menge den Worten des Greises; aber verloren wa- ren sie darum nicht minder. Die Vorschläge wurden nicht bloſs mit allen Clauseln unverändert zum Gesetz erhoben, sondern auch, was Pompeius noch im Einzelnen nachträglich begehrte, augen- blicklich und vollständig bewilligt.
Mit hochgespannten Hoffnungen sah man die beiden Feldher- ren Pompeius und Glabrio nach ihren Bestimmungsorten abgehen. Die Kornpreise waren nach dem Durchgehen der gabinischen Ge- setze sogleich auf die gewöhnlichen Sätze zurückgegangen; ein Be- weis, welche Hoffnungen an die groſsartige Expedition und ihren ruhmvollen Führer sich knüpften. Sie wurden, wie später erzählt werden wird, nicht bloſs erfüllt, sondern übertroffen; in drei Mo- naten war die Säuberung der Meere vollendet. Seit dem hanni- balischen Kriege war die römische Regierung nicht mit solcher Energie nach auſsen hin aufgetreten; gegenüber der schlaffen und unfähigen Verwaltung der Oligarchie hatte die demokratisch-mi- litärische Opposition auf das Glänzendste ihren Beruf dargethan die Zügel des Staates zu fassen und zu lenken. Die ebenso un- patriotischen wie ungeschickten Versuche des Consuls Piso den Maſsregeln des Pompeius gegen die Corsaren im narbonensischen Gallien kleinliche Hindernisse in den Weg zu legen steigerten nur noch mehr die Erbitterung der Bürgerschaft gegen die Oligarchie und ihren Enthusiasmus für Pompeius; nur dessen persönliche Dazwischenkunft verhinderte es, daſs die Volksversammlung nicht den Consul kurzweg seines Amtes entsetzte. — Inzwischen war auf dem asiatischen Festland die Verwirrung nur noch ärger gewor- den. Glabrio, der an Lucullus Stelle den Oberbefehl gegen Mithra- dates und Tigranes übernehmen sollte, war in Vorderasien sitzen geblieben und hatte zwar durch verschiedene Proclamationen die Soldaten gegen Lucullus aufgestiftet, aber den Oberbefehl nicht übernommen, so daſs thatsächlich Lucullus denselben noch immer führte. Gegen Mithradates war natürlich nichts geschehen; die
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FÜNFTES BUCH. KAPITEL III.
Da zog Trebellius, seines Eides vergessend, die Intercession klein-
müthig zurück. Vergeblich bemühte sich darauf der Tribun Otho
wenigstens zu bewirken, daſs statt eines Feldherren zwei — die
alten Zweiherren der Flotte — gewählt werden möchten; vergeb-
lich strengte der hochbejahrte Quintus Catulus, der geachtetste
Mann im Senat, seine letzten Kräfte dafür an, daſs die Unterfeld-
herren nicht vom Oberfeldherrn ernannt, sondern vom Volke ge-
wählt werden möchten. Otho konnte in dem Toben der Menge
nicht einmal sich Gehör verschaffen; dem Catulus verschaffte es
Gabinius wohlberechnete Courtoisie und in ehrerbietigem Schwei-
gen horchte die Menge den Worten des Greises; aber verloren wa-
ren sie darum nicht minder. Die Vorschläge wurden nicht bloſs
mit allen Clauseln unverändert zum Gesetz erhoben, sondern auch,
was Pompeius noch im Einzelnen nachträglich begehrte, augen-
blicklich und vollständig bewilligt.
Mit hochgespannten Hoffnungen sah man die beiden Feldher-
ren Pompeius und Glabrio nach ihren Bestimmungsorten abgehen.
Die Kornpreise waren nach dem Durchgehen der gabinischen Ge-
setze sogleich auf die gewöhnlichen Sätze zurückgegangen; ein Be-
weis, welche Hoffnungen an die groſsartige Expedition und ihren
ruhmvollen Führer sich knüpften. Sie wurden, wie später erzählt
werden wird, nicht bloſs erfüllt, sondern übertroffen; in drei Mo-
naten war die Säuberung der Meere vollendet. Seit dem hanni-
balischen Kriege war die römische Regierung nicht mit solcher
Energie nach auſsen hin aufgetreten; gegenüber der schlaffen und
unfähigen Verwaltung der Oligarchie hatte die demokratisch-mi-
litärische Opposition auf das Glänzendste ihren Beruf dargethan
die Zügel des Staates zu fassen und zu lenken. Die ebenso un-
patriotischen wie ungeschickten Versuche des Consuls Piso den
Maſsregeln des Pompeius gegen die Corsaren im narbonensischen
Gallien kleinliche Hindernisse in den Weg zu legen steigerten nur
noch mehr die Erbitterung der Bürgerschaft gegen die Oligarchie
und ihren Enthusiasmus für Pompeius; nur dessen persönliche
Dazwischenkunft verhinderte es, daſs die Volksversammlung nicht
den Consul kurzweg seines Amtes entsetzte. — Inzwischen war auf
dem asiatischen Festland die Verwirrung nur noch ärger gewor-
den. Glabrio, der an Lucullus Stelle den Oberbefehl gegen Mithra-
dates und Tigranes übernehmen sollte, war in Vorderasien sitzen
geblieben und hatte zwar durch verschiedene Proclamationen die
Soldaten gegen Lucullus aufgestiftet, aber den Oberbefehl nicht
übernommen, so daſs thatsächlich Lucullus denselben noch immer
führte. Gegen Mithradates war natürlich nichts geschehen; die
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/114>, abgerufen am 16.07.2024.
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