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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL III.
tragung des africanischen Commandos auf Gaius Marius 647 (II,
145) war nur ein verfassungsmässig zum Feldherrnamt überhaupt
berechtigter Beamter durch den Schluss der Bürgerschaft mit einer
bestimmten Expedition beauftragt und selbst dabei noch der frü-
her gefasste Beschluss des Senats respectirt worden. Aber jetzt
stattete die Bürgerschaft in directem Widerspruch mit dem Se-
nat einen beliebigen Privatmann nicht bloss mit der ausseror-
dentlichen höchsten Amtsgewalt aus, sondern auch mit einer
bestimmt von ihr normirten Competenz. Dass der Senat diesen
Mann aus der Reihe der Consulare auszuwählen hatte, war eine
Milderung nur in der Form. Die Auswahl war dem Senat nur
desshalb übertragen, weil es eben eine Wahl nicht war und der
stürmisch aufgeregten Menge gegenüber der Senat den Oberbe-
fehl der Meere und Küsten schlechterdings keinem Andern über-
tragen konnte als einzig dem Pompeius. Aber bedenklicher noch
als diese principielle Negirung der Senatsherrschaft war die that-
sächliche Aufhebung derselben durch die Einrichtung eines Am-
tes von fast unbeschränkter militärischer und finanzieller Com-
petenz. Während das Feldherrnamt sonst auf eine einjährige
Frist, auf eine bestimmte Provinz, auf streng zugemessene mili-
tärische und finanzielle Hülfsmittel beschränkt war, war dem
neuen ausserordentlichen Amt von vorn herein eine dreijährige
Dauer gesichert, die natürlich weitere Verlängerung nicht aus-
schloss, war demselben der grösste Theil der sämmtlichen Pro-
vinzen, ja sogar Italien selbst, das sonst von militärischer Amts-
gewalt frei war, untergeordnet, waren ihm die Soldaten, Schiffe,
Kassen des Staats fast unbeschränkt zur Verfügung gestellt. Der
eben erwähnte uralte Fundamentalsatz des republikanisch-römi-
schen Staatsrechts, dass die höchste militärische und bürgerliche
Amtsgewalt nicht ohne Mitwirkung der Bürgerschaft vergeben
werden könne, ward ferner zu Gunsten des neuen Oberfeldherrn
gebrochen: indem das Gesetz den fünfundzwanzig Adjutanten,
die er sich ernennen würde, im Voraus prätorischen Rang und
prätorische Befugnisse verlieh*, wurde das höchste Amt des re-
publikanischen Rom einem neu geschaffenen untergeordnet, für

* Die stellvertretende Amtsgewalt pro consule, pro praetore, pro
quaestore
konnte nach römischem Staatsrecht in dreifacher Weise erwor-
ben werden: durch Verfügung der Bürgerschaft, des Senats oder des Be-
amten selbst. Die Bürgerschaft griff dazu in manchen Fällen, wo die nomi-
nelle Bekleidung mit dem Amte auf Schwierigkeiten stiess; namentlich
wenn die Amtsfrist über ihre gesetzliche Grenze hinaus erstreckt werden
sollte, aber auch sonst nicht selten, z. B. bei der Sendung des älteren Scipio

FÜNFTES BUCH. KAPITEL III.
tragung des africanischen Commandos auf Gaius Marius 647 (II,
145) war nur ein verfassungsmäſsig zum Feldherrnamt überhaupt
berechtigter Beamter durch den Schluſs der Bürgerschaft mit einer
bestimmten Expedition beauftragt und selbst dabei noch der frü-
her gefaſste Beschluſs des Senats respectirt worden. Aber jetzt
stattete die Bürgerschaft in directem Widerspruch mit dem Se-
nat einen beliebigen Privatmann nicht bloſs mit der auſseror-
dentlichen höchsten Amtsgewalt aus, sondern auch mit einer
bestimmt von ihr normirten Competenz. Daſs der Senat diesen
Mann aus der Reihe der Consulare auszuwählen hatte, war eine
Milderung nur in der Form. Die Auswahl war dem Senat nur
deſshalb übertragen, weil es eben eine Wahl nicht war und der
stürmisch aufgeregten Menge gegenüber der Senat den Oberbe-
fehl der Meere und Küsten schlechterdings keinem Andern über-
tragen konnte als einzig dem Pompeius. Aber bedenklicher noch
als diese principielle Negirung der Senatsherrschaft war die that-
sächliche Aufhebung derselben durch die Einrichtung eines Am-
tes von fast unbeschränkter militärischer und finanzieller Com-
petenz. Während das Feldherrnamt sonst auf eine einjährige
Frist, auf eine bestimmte Provinz, auf streng zugemessene mili-
tärische und finanzielle Hülfsmittel beschränkt war, war dem
neuen auſserordentlichen Amt von vorn herein eine dreijährige
Dauer gesichert, die natürlich weitere Verlängerung nicht aus-
schloſs, war demselben der gröſste Theil der sämmtlichen Pro-
vinzen, ja sogar Italien selbst, das sonst von militärischer Amts-
gewalt frei war, untergeordnet, waren ihm die Soldaten, Schiffe,
Kassen des Staats fast unbeschränkt zur Verfügung gestellt. Der
eben erwähnte uralte Fundamentalsatz des republikanisch-römi-
schen Staatsrechts, daſs die höchste militärische und bürgerliche
Amtsgewalt nicht ohne Mitwirkung der Bürgerschaft vergeben
werden könne, ward ferner zu Gunsten des neuen Oberfeldherrn
gebrochen: indem das Gesetz den fünfundzwanzig Adjutanten,
die er sich ernennen würde, im Voraus prätorischen Rang und
prätorische Befugnisse verlieh*, wurde das höchste Amt des re-
publikanischen Rom einem neu geschaffenen untergeordnet, für

* Die stellvertretende Amtsgewalt pro consule, pro praetore, pro
quaestore
konnte nach römischem Staatsrecht in dreifacher Weise erwor-
ben werden: durch Verfügung der Bürgerschaft, des Senats oder des Be-
amten selbst. Die Bürgerschaft griff dazu in manchen Fällen, wo die nomi-
nelle Bekleidung mit dem Amte auf Schwierigkeiten stieſs; namentlich
wenn die Amtsfrist über ihre gesetzliche Grenze hinaus erstreckt werden
sollte, aber auch sonst nicht selten, z. B. bei der Sendung des älteren Scipio
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[100/0110] FÜNFTES BUCH. KAPITEL III. tragung des africanischen Commandos auf Gaius Marius 647 (II, 145) war nur ein verfassungsmäſsig zum Feldherrnamt überhaupt berechtigter Beamter durch den Schluſs der Bürgerschaft mit einer bestimmten Expedition beauftragt und selbst dabei noch der frü- her gefaſste Beschluſs des Senats respectirt worden. Aber jetzt stattete die Bürgerschaft in directem Widerspruch mit dem Se- nat einen beliebigen Privatmann nicht bloſs mit der auſseror- dentlichen höchsten Amtsgewalt aus, sondern auch mit einer bestimmt von ihr normirten Competenz. Daſs der Senat diesen Mann aus der Reihe der Consulare auszuwählen hatte, war eine Milderung nur in der Form. Die Auswahl war dem Senat nur deſshalb übertragen, weil es eben eine Wahl nicht war und der stürmisch aufgeregten Menge gegenüber der Senat den Oberbe- fehl der Meere und Küsten schlechterdings keinem Andern über- tragen konnte als einzig dem Pompeius. Aber bedenklicher noch als diese principielle Negirung der Senatsherrschaft war die that- sächliche Aufhebung derselben durch die Einrichtung eines Am- tes von fast unbeschränkter militärischer und finanzieller Com- petenz. Während das Feldherrnamt sonst auf eine einjährige Frist, auf eine bestimmte Provinz, auf streng zugemessene mili- tärische und finanzielle Hülfsmittel beschränkt war, war dem neuen auſserordentlichen Amt von vorn herein eine dreijährige Dauer gesichert, die natürlich weitere Verlängerung nicht aus- schloſs, war demselben der gröſste Theil der sämmtlichen Pro- vinzen, ja sogar Italien selbst, das sonst von militärischer Amts- gewalt frei war, untergeordnet, waren ihm die Soldaten, Schiffe, Kassen des Staats fast unbeschränkt zur Verfügung gestellt. Der eben erwähnte uralte Fundamentalsatz des republikanisch-römi- schen Staatsrechts, daſs die höchste militärische und bürgerliche Amtsgewalt nicht ohne Mitwirkung der Bürgerschaft vergeben werden könne, ward ferner zu Gunsten des neuen Oberfeldherrn gebrochen: indem das Gesetz den fünfundzwanzig Adjutanten, die er sich ernennen würde, im Voraus prätorischen Rang und prätorische Befugnisse verlieh *, wurde das höchste Amt des re- publikanischen Rom einem neu geschaffenen untergeordnet, für * Die stellvertretende Amtsgewalt pro consule, pro praetore, pro quaestore konnte nach römischem Staatsrecht in dreifacher Weise erwor- ben werden: durch Verfügung der Bürgerschaft, des Senats oder des Be- amten selbst. Die Bürgerschaft griff dazu in manchen Fällen, wo die nomi- nelle Bekleidung mit dem Amte auf Schwierigkeiten stieſs; namentlich wenn die Amtsfrist über ihre gesetzliche Grenze hinaus erstreckt werden sollte, aber auch sonst nicht selten, z. B. bei der Sendung des älteren Scipio

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/110>, abgerufen am 27.11.2024.