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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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VIERTES BUCH. KAPITEL II.
Schwäche; aber nicht ihrer Schwäche allein. Von Rechtswegen
war der römische Statthalter verpflichtet die Landstrassen rein
zu halten und die aufgegriffenen Räuber, wenn es Sclaven waren,
ans Kreuz schlagen zu lassen; natürlich, denn Sclavenwirthschaft
ist nicht möglich ohne Schreckensregiment. Allein in dieser Zeit
ward in Sicilien wohl auch mitunter, wenn es allzu arg herging,
eine Razzia veranstaltet, aber die Statthalter, um es mit den ita-
lischen Pflanzern nicht zu verderben, lieferten die gefangenen
Räuber an ihre Herren ab zu gutfindender Bestrafung und diese
Herren waren sparsame Leute, welche ihren Hirtenknechten,
wenn sie Kleider begehrten, mit Prügeln antworteten und mit
der Frage, ob denn die Reisenden nackt durch das Land zögen.
Die Folge solcher Connivenz war denn, dass nach Ueberwälti-
gung des Sclavenaufstandes der Consul Publius Rupilius alles,
was lebend in seine Hände kam, es heisst über 20000 Menschen,
ans Kreuz schlagen liess. Es war freilich nicht länger möglich
das Capital zu schonen.

Unendlich schwerer zu gewinnende, freilich auch unendlich
reichere Früchte verhiess die Fürsorge der Regierung für Hebung
der freien Arbeit und folgeweise für Beschränkung des Sclaven-
proletariats. Leider geschah in dieser Beziehung schlechterdings
gar nichts. In der ersten socialen Krise hatte man gesetzlich dem
Gutsherrn vorgeschrieben eine nach der Zahl seiner Sclaven-
arbeiter abgemessene Anzahl freier Arbeiter zu verwenden. Jetzt
ward eine punische Schrift über den Landbau, ohne Zweifel eine
Anweisung zur Plantagenwirthschaft nach karthagischer Art, zu
Nutz und Frommen der italischen Speculanten auf Befehl des
Senats ins Lateinische übersetzt -- das einzige Beispiel einer
von dem römischen Senat veranlassten litterarischen Unterneh-
mung! Dieselbe Tendenz offenbart sich in einer wichtigeren An-
gelegenheit oder vielmehr in der Lebensfrage für Rom, in dem
Colonisirungssystem. Es bedurfte nicht der Weisheit, nur der
Erinnerung an den Verlauf der ersten socialen Krise Roms um
zu begreifen, dass gegen ein agricoles Proletariat die einzige
ernstliche Abhülfe in einem umfassenden und regularisirten Emi-
grationssystem bestand (I, 196), wozu die äusseren Verhältnisse
Roms die günstigste Gelegenheit darboten. Bis gegen das Ende
des sechsten Jahrhunderts hatte man in der That fortgefahren
dem fortwährenden Zusammenschwinden des italischen Klein-
besitzes durch fortwährende Gründung neuer Bauerhufen zu be-
gegnen (I, 373. 378. 486. 488. 622). Es war dies zwar keines-
wegs in dem Masse geschehen, wie es hätte geschehen können

VIERTES BUCH. KAPITEL II.
Schwäche; aber nicht ihrer Schwäche allein. Von Rechtswegen
war der römische Statthalter verpflichtet die Landstraſsen rein
zu halten und die aufgegriffenen Räuber, wenn es Sclaven waren,
ans Kreuz schlagen zu lassen; natürlich, denn Sclavenwirthschaft
ist nicht möglich ohne Schreckensregiment. Allein in dieser Zeit
ward in Sicilien wohl auch mitunter, wenn es allzu arg herging,
eine Razzia veranstaltet, aber die Statthalter, um es mit den ita-
lischen Pflanzern nicht zu verderben, lieferten die gefangenen
Räuber an ihre Herren ab zu gutfindender Bestrafung und diese
Herren waren sparsame Leute, welche ihren Hirtenknechten,
wenn sie Kleider begehrten, mit Prügeln antworteten und mit
der Frage, ob denn die Reisenden nackt durch das Land zögen.
Die Folge solcher Connivenz war denn, daſs nach Ueberwälti-
gung des Sclavenaufstandes der Consul Publius Rupilius alles,
was lebend in seine Hände kam, es heiſst über 20000 Menschen,
ans Kreuz schlagen lieſs. Es war freilich nicht länger möglich
das Capital zu schonen.

Unendlich schwerer zu gewinnende, freilich auch unendlich
reichere Früchte verhieſs die Fürsorge der Regierung für Hebung
der freien Arbeit und folgeweise für Beschränkung des Sclaven-
proletariats. Leider geschah in dieser Beziehung schlechterdings
gar nichts. In der ersten socialen Krise hatte man gesetzlich dem
Gutsherrn vorgeschrieben eine nach der Zahl seiner Sclaven-
arbeiter abgemessene Anzahl freier Arbeiter zu verwenden. Jetzt
ward eine punische Schrift über den Landbau, ohne Zweifel eine
Anweisung zur Plantagenwirthschaft nach karthagischer Art, zu
Nutz und Frommen der italischen Speculanten auf Befehl des
Senats ins Lateinische übersetzt — das einzige Beispiel einer
von dem römischen Senat veranlaſsten litterarischen Unterneh-
mung! Dieselbe Tendenz offenbart sich in einer wichtigeren An-
gelegenheit oder vielmehr in der Lebensfrage für Rom, in dem
Colonisirungssystem. Es bedurfte nicht der Weisheit, nur der
Erinnerung an den Verlauf der ersten socialen Krise Roms um
zu begreifen, daſs gegen ein agricoles Proletariat die einzige
ernstliche Abhülfe in einem umfassenden und regularisirten Emi-
grationssystem bestand (I, 196), wozu die äuſseren Verhältnisse
Roms die günstigste Gelegenheit darboten. Bis gegen das Ende
des sechsten Jahrhunderts hatte man in der That fortgefahren
dem fortwährenden Zusammenschwinden des italischen Klein-
besitzes durch fortwährende Gründung neuer Bauerhufen zu be-
gegnen (I, 373. 378. 486. 488. 622). Es war dies zwar keines-
wegs in dem Maſse geschehen, wie es hätte geschehen können

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[74/0084] VIERTES BUCH. KAPITEL II. Schwäche; aber nicht ihrer Schwäche allein. Von Rechtswegen war der römische Statthalter verpflichtet die Landstraſsen rein zu halten und die aufgegriffenen Räuber, wenn es Sclaven waren, ans Kreuz schlagen zu lassen; natürlich, denn Sclavenwirthschaft ist nicht möglich ohne Schreckensregiment. Allein in dieser Zeit ward in Sicilien wohl auch mitunter, wenn es allzu arg herging, eine Razzia veranstaltet, aber die Statthalter, um es mit den ita- lischen Pflanzern nicht zu verderben, lieferten die gefangenen Räuber an ihre Herren ab zu gutfindender Bestrafung und diese Herren waren sparsame Leute, welche ihren Hirtenknechten, wenn sie Kleider begehrten, mit Prügeln antworteten und mit der Frage, ob denn die Reisenden nackt durch das Land zögen. Die Folge solcher Connivenz war denn, daſs nach Ueberwälti- gung des Sclavenaufstandes der Consul Publius Rupilius alles, was lebend in seine Hände kam, es heiſst über 20000 Menschen, ans Kreuz schlagen lieſs. Es war freilich nicht länger möglich das Capital zu schonen. Unendlich schwerer zu gewinnende, freilich auch unendlich reichere Früchte verhieſs die Fürsorge der Regierung für Hebung der freien Arbeit und folgeweise für Beschränkung des Sclaven- proletariats. Leider geschah in dieser Beziehung schlechterdings gar nichts. In der ersten socialen Krise hatte man gesetzlich dem Gutsherrn vorgeschrieben eine nach der Zahl seiner Sclaven- arbeiter abgemessene Anzahl freier Arbeiter zu verwenden. Jetzt ward eine punische Schrift über den Landbau, ohne Zweifel eine Anweisung zur Plantagenwirthschaft nach karthagischer Art, zu Nutz und Frommen der italischen Speculanten auf Befehl des Senats ins Lateinische übersetzt — das einzige Beispiel einer von dem römischen Senat veranlaſsten litterarischen Unterneh- mung! Dieselbe Tendenz offenbart sich in einer wichtigeren An- gelegenheit oder vielmehr in der Lebensfrage für Rom, in dem Colonisirungssystem. Es bedurfte nicht der Weisheit, nur der Erinnerung an den Verlauf der ersten socialen Krise Roms um zu begreifen, daſs gegen ein agricoles Proletariat die einzige ernstliche Abhülfe in einem umfassenden und regularisirten Emi- grationssystem bestand (I, 196), wozu die äuſseren Verhältnisse Roms die günstigste Gelegenheit darboten. Bis gegen das Ende des sechsten Jahrhunderts hatte man in der That fortgefahren dem fortwährenden Zusammenschwinden des italischen Klein- besitzes durch fortwährende Gründung neuer Bauerhufen zu be- gegnen (I, 373. 378. 486. 488. 622). Es war dies zwar keines- wegs in dem Maſse geschehen, wie es hätte geschehen können

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/84>, abgerufen am 24.11.2024.