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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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Regierung denselben gegenüber. Dass dies Proletariat weder
durch die Regierung ins Leben gerufen war noch geradezu von
ihr beseitigt werden konnte, leuchtet ein; es hätte dies nur ge-
schehen können durch Heilmittel, die noch schlimmer gewesen
wären als das Uebel. Die Aufgabe der Regierung konnte nur
darin bestehen theils die unmittelbare Gefahr für Eigenthum und
Leben, womit das Sclavenproletariat die Staatsangehörigen be-
drohte, durch eine ernstliche Sicherheitspolizei abzuwenden,
theils auf die möglichste Beschränkung des Proletariats durch
Hebung der freien Arbeit hinzuwirken. Sehen wir, wie die römi-
sche Aristokratie diesen beiden Aufgaben nachkam.

Wie die Polizei gehandhabt ward, zeigen die allerorts aus-
brechenden Sclavenverschwörungen und Sclavenkriege. In Italien
schienen die wüsten Vorgänge, wie sie in den unmittelbaren
Nachwehen des hannibalischen Krieges vorgekommen waren (I,
623), sich zu erneuern; auf einmal musste man in der Haupt-
stadt 150, in Minturnae 450, in Sinuessa gar 4000 Sclaven auf-
greifen und hinrichten lassen (621). Noch schlimmer stand es
begreiflicher Weise in den Provinzen. Auf dem grossen Sclaven-
markt zu Delos und in den attischen Silbergruben mussten um
dieselbe Zeit die aufständischen Sclaven mit den Waffen zur Ruhe
gebracht werden. Der Krieg gegen Aristonikos und seine klein-
asiatischen ,Sonnenstädter' war wesentlich ein Krieg der Besitzen-
den gegen die empörten Sclaven (S. 51). Am ärgsten aber stand
es natürlicher Weise in dem gelobten Lande des Plantagensystems,
in Sicilien. Die Räuberwirthschaft war zumal im Binnenlande längst
ein stehendes Uebel; sie fing jetzt an sich zur Insurrection zu stei-
gern. Ein reicher und mit den italischen Herren an industrieller
Exploitirung seines lebendigen Capitals wetteifernder Pflanzer von
Enna, Damophilos ward von seinen erbitterten Feldsclaven über-
fallen und ermordet; worauf die wilde Schaar in die Stadt Enna
(Castrogiovanni) strömte und dort derselbe Vorgang in grösse-
rem Massstab sich erneute. Alle Sclaven erhoben sich gegen ihre
Herren, tödteten oder knechteten sie und riefen an die Spitze des
schon ansehnlichen Insurgentenheeres einen Wundermann aus
dem syrischen Apameia, der Feuer zu speien und zu orakeln ver-
stand, bisher als Sclave Eunus genannt, jetzt als Haupt der In-
surgenten Antiochos der König der Syrier. Warum auch nicht?
Hatte doch wenige Jahre zuvor ein andrer syrischer Knecht, der
nicht einmal ein Prophet war, in Antiochia selbst das königliche
Stirnband der Seleukiden getragen. Der tapfere ,Feldherr' des
neuen Königs, der griechische Sclave Achaeos, durchstreifte die

VIERTES BUCH. KAPITEL II.
Regierung denselben gegenüber. Daſs dies Proletariat weder
durch die Regierung ins Leben gerufen war noch geradezu von
ihr beseitigt werden konnte, leuchtet ein; es hätte dies nur ge-
schehen können durch Heilmittel, die noch schlimmer gewesen
wären als das Uebel. Die Aufgabe der Regierung konnte nur
darin bestehen theils die unmittelbare Gefahr für Eigenthum und
Leben, womit das Sclavenproletariat die Staatsangehörigen be-
drohte, durch eine ernstliche Sicherheitspolizei abzuwenden,
theils auf die möglichste Beschränkung des Proletariats durch
Hebung der freien Arbeit hinzuwirken. Sehen wir, wie die römi-
sche Aristokratie diesen beiden Aufgaben nachkam.

Wie die Polizei gehandhabt ward, zeigen die allerorts aus-
brechenden Sclavenverschwörungen und Sclavenkriege. In Italien
schienen die wüsten Vorgänge, wie sie in den unmittelbaren
Nachwehen des hannibalischen Krieges vorgekommen waren (I,
623), sich zu erneuern; auf einmal muſste man in der Haupt-
stadt 150, in Minturnae 450, in Sinuessa gar 4000 Sclaven auf-
greifen und hinrichten lassen (621). Noch schlimmer stand es
begreiflicher Weise in den Provinzen. Auf dem groſsen Sclaven-
markt zu Delos und in den attischen Silbergruben muſsten um
dieselbe Zeit die aufständischen Sclaven mit den Waffen zur Ruhe
gebracht werden. Der Krieg gegen Aristonikos und seine klein-
asiatischen ‚Sonnenstädter‘ war wesentlich ein Krieg der Besitzen-
den gegen die empörten Sclaven (S. 51). Am ärgsten aber stand
es natürlicher Weise in dem gelobten Lande des Plantagensystems,
in Sicilien. Die Räuberwirthschaft war zumal im Binnenlande längst
ein stehendes Uebel; sie fing jetzt an sich zur Insurrection zu stei-
gern. Ein reicher und mit den italischen Herren an industrieller
Exploitirung seines lebendigen Capitals wetteifernder Pflanzer von
Enna, Damophilos ward von seinen erbitterten Feldsclaven über-
fallen und ermordet; worauf die wilde Schaar in die Stadt Enna
(Castrogiovanni) strömte und dort derselbe Vorgang in gröſse-
rem Maſsstab sich erneute. Alle Sclaven erhoben sich gegen ihre
Herren, tödteten oder knechteten sie und riefen an die Spitze des
schon ansehnlichen Insurgentenheeres einen Wundermann aus
dem syrischen Apameia, der Feuer zu speien und zu orakeln ver-
stand, bisher als Sclave Eunus genannt, jetzt als Haupt der In-
surgenten Antiochos der König der Syrier. Warum auch nicht?
Hatte doch wenige Jahre zuvor ein andrer syrischer Knecht, der
nicht einmal ein Prophet war, in Antiochia selbst das königliche
Stirnband der Seleukiden getragen. Der tapfere ‚Feldherr‘ des
neuen Königs, der griechische Sclave Achaeos, durchstreifte die

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[72/0082] VIERTES BUCH. KAPITEL II. Regierung denselben gegenüber. Daſs dies Proletariat weder durch die Regierung ins Leben gerufen war noch geradezu von ihr beseitigt werden konnte, leuchtet ein; es hätte dies nur ge- schehen können durch Heilmittel, die noch schlimmer gewesen wären als das Uebel. Die Aufgabe der Regierung konnte nur darin bestehen theils die unmittelbare Gefahr für Eigenthum und Leben, womit das Sclavenproletariat die Staatsangehörigen be- drohte, durch eine ernstliche Sicherheitspolizei abzuwenden, theils auf die möglichste Beschränkung des Proletariats durch Hebung der freien Arbeit hinzuwirken. Sehen wir, wie die römi- sche Aristokratie diesen beiden Aufgaben nachkam. Wie die Polizei gehandhabt ward, zeigen die allerorts aus- brechenden Sclavenverschwörungen und Sclavenkriege. In Italien schienen die wüsten Vorgänge, wie sie in den unmittelbaren Nachwehen des hannibalischen Krieges vorgekommen waren (I, 623), sich zu erneuern; auf einmal muſste man in der Haupt- stadt 150, in Minturnae 450, in Sinuessa gar 4000 Sclaven auf- greifen und hinrichten lassen (621). Noch schlimmer stand es begreiflicher Weise in den Provinzen. Auf dem groſsen Sclaven- markt zu Delos und in den attischen Silbergruben muſsten um dieselbe Zeit die aufständischen Sclaven mit den Waffen zur Ruhe gebracht werden. Der Krieg gegen Aristonikos und seine klein- asiatischen ‚Sonnenstädter‘ war wesentlich ein Krieg der Besitzen- den gegen die empörten Sclaven (S. 51). Am ärgsten aber stand es natürlicher Weise in dem gelobten Lande des Plantagensystems, in Sicilien. Die Räuberwirthschaft war zumal im Binnenlande längst ein stehendes Uebel; sie fing jetzt an sich zur Insurrection zu stei- gern. Ein reicher und mit den italischen Herren an industrieller Exploitirung seines lebendigen Capitals wetteifernder Pflanzer von Enna, Damophilos ward von seinen erbitterten Feldsclaven über- fallen und ermordet; worauf die wilde Schaar in die Stadt Enna (Castrogiovanni) strömte und dort derselbe Vorgang in gröſse- rem Maſsstab sich erneute. Alle Sclaven erhoben sich gegen ihre Herren, tödteten oder knechteten sie und riefen an die Spitze des schon ansehnlichen Insurgentenheeres einen Wundermann aus dem syrischen Apameia, der Feuer zu speien und zu orakeln ver- stand, bisher als Sclave Eunus genannt, jetzt als Haupt der In- surgenten Antiochos der König der Syrier. Warum auch nicht? Hatte doch wenige Jahre zuvor ein andrer syrischer Knecht, der nicht einmal ein Prophet war, in Antiochia selbst das königliche Stirnband der Seleukiden getragen. Der tapfere ‚Feldherr‘ des neuen Königs, der griechische Sclave Achaeos, durchstreifte die

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/82>, abgerufen am 21.11.2024.