Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.VIERTES BUCH. KAPITEL II. unter seine Sclaven eingestellt ward. Das Negerland jener Zeitaber war Kleinasien, wo die kretischen und kilikischen Cor- saren, die rechten gewerbmässigen Sclavenjäger und Sclaven- händler, die Küsten Syriens und die griechischen Inseln aus- raubten, und mit ihnen wetteifernd die römischen Zollpächter in den Clientelstaaten Menschenjagden veranstalteten und die Gefangenen unter ihr Sclavengesinde untersteckten -- es geschah dies in solchem Umfang, dass um 650 der König von Bithynien sich unfähig erklärte den verlangten Zuzug zu leisten, da aus sei- nem Reich alle arbeitsfähigen Leute von den Zollpächtern weg- geschleppt seien. Auf dem grossen Sclavenmarkt in Delos, wo die kleinasiatischen Sclavenhändler ihre Waare an die italischen Speculanten absetzten, sollen an einem Tage bis 10000 Sclaven des Morgens ausgeschifft und vor Abend alle verkauft gewesen sein -- ein Beweis zugleich, welche ungeheure Zahl von Sclaven geliefert ward und wie dennoch die Nachfrage immer noch das Angebot überstieg. Es war kein Wunder; solche Sclavenheerden waren ein vortreffliches Werkzeug der mannigfaltigsten Specula- tionen und wurden fast auf jedem Gebiet des Erwerbs verwandt. Durch sie wurden grossentheils die Handwerke betrieben, so dass der Ertrag dem Herrn zufiel. Durch die Sclaven der Steuer- pachtgesellschaften wurde die Erhebung der öffentlichen Gefälle in den untern Graden regelmässig beschafft. Ihre Hände besorg- ten den Grubenbau, die Pechhütten und was der Art sonst vor- kommt; schon früh kam es auf Sclavenheerden nach den spani- schen Bergwerken zu senden, deren Vorsteher sie bereitwillig an- nahmen und hoch verzinsten. Die Wein- und Olivenlese wurde in Italien schon zu Catos Zeit nicht von den Leuten auf dem Gut bewirkt, sondern einem Sclavenbesitzer in Accord gegeben. Vor allem aber waren es die Weidewirthschaft und der Feldbau, welche man durch Sclaven beschaffen liess. Die Hütung des Viehs ward in Italien schon längst auf den grossen zur Weide liegenden Strecken durch bewaffnete, häufig berittene Hirten- sclaven besorgt (I, 623); dieselbe Art der Weidewirthschaft ward auch in den Provinzen ein beliebter Gegenstand der rö- mischen Speculation -- so war zum Beispiel Dalmatien kaum erobert (599), als die römischen Capitalisten anfingen dort die Viehzucht im Grossen zu betreiben. Aber in jeder Bezie- hung weit schlimmer noch war der eigentliche Plantagenbau, die Bestellung der Felder durch eine Heerde mit dem Eisen ge- stempelter Sclaven, welche mit Fussschellen an den Beinen unter Aufsehern des Tags die Feldarbeit thaten und Nachts in den ge- VIERTES BUCH. KAPITEL II. unter seine Sclaven eingestellt ward. Das Negerland jener Zeitaber war Kleinasien, wo die kretischen und kilikischen Cor- saren, die rechten gewerbmäſsigen Sclavenjäger und Sclaven- händler, die Küsten Syriens und die griechischen Inseln aus- raubten, und mit ihnen wetteifernd die römischen Zollpächter in den Clientelstaaten Menschenjagden veranstalteten und die Gefangenen unter ihr Sclavengesinde untersteckten — es geschah dies in solchem Umfang, daſs um 650 der König von Bithynien sich unfähig erklärte den verlangten Zuzug zu leisten, da aus sei- nem Reich alle arbeitsfähigen Leute von den Zollpächtern weg- geschleppt seien. Auf dem groſsen Sclavenmarkt in Delos, wo die kleinasiatischen Sclavenhändler ihre Waare an die italischen Speculanten absetzten, sollen an einem Tage bis 10000 Sclaven des Morgens ausgeschifft und vor Abend alle verkauft gewesen sein — ein Beweis zugleich, welche ungeheure Zahl von Sclaven geliefert ward und wie dennoch die Nachfrage immer noch das Angebot überstieg. Es war kein Wunder; solche Sclavenheerden waren ein vortreffliches Werkzeug der mannigfaltigsten Specula- tionen und wurden fast auf jedem Gebiet des Erwerbs verwandt. Durch sie wurden groſsentheils die Handwerke betrieben, so daſs der Ertrag dem Herrn zufiel. Durch die Sclaven der Steuer- pachtgesellschaften wurde die Erhebung der öffentlichen Gefälle in den untern Graden regelmäſsig beschafft. Ihre Hände besorg- ten den Grubenbau, die Pechhütten und was der Art sonst vor- kommt; schon früh kam es auf Sclavenheerden nach den spani- schen Bergwerken zu senden, deren Vorsteher sie bereitwillig an- nahmen und hoch verzinsten. Die Wein- und Olivenlese wurde in Italien schon zu Catos Zeit nicht von den Leuten auf dem Gut bewirkt, sondern einem Sclavenbesitzer in Accord gegeben. Vor allem aber waren es die Weidewirthschaft und der Feldbau, welche man durch Sclaven beschaffen lieſs. Die Hütung des Viehs ward in Italien schon längst auf den groſsen zur Weide liegenden Strecken durch bewaffnete, häufig berittene Hirten- sclaven besorgt (I, 623); dieselbe Art der Weidewirthschaft ward auch in den Provinzen ein beliebter Gegenstand der rö- mischen Speculation — so war zum Beispiel Dalmatien kaum erobert (599), als die römischen Capitalisten anfingen dort die Viehzucht im Groſsen zu betreiben. Aber in jeder Bezie- hung weit schlimmer noch war der eigentliche Plantagenbau, die Bestellung der Felder durch eine Heerde mit dem Eisen ge- stempelter Sclaven, welche mit Fuſsschellen an den Beinen unter Aufsehern des Tags die Feldarbeit thaten und Nachts in den ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0080" n="70"/><fw place="top" type="header">VIERTES BUCH. KAPITEL II.</fw><lb/> unter seine Sclaven eingestellt ward. Das Negerland jener Zeit<lb/> aber war Kleinasien, wo die kretischen und kilikischen Cor-<lb/> saren, die rechten gewerbmäſsigen Sclavenjäger und Sclaven-<lb/> händler, die Küsten Syriens und die griechischen Inseln aus-<lb/> raubten, und mit ihnen wetteifernd die römischen Zollpächter<lb/> in den Clientelstaaten Menschenjagden veranstalteten und die<lb/> Gefangenen unter ihr Sclavengesinde untersteckten — es geschah<lb/> dies in solchem Umfang, daſs um 650 der König von Bithynien<lb/> sich unfähig erklärte den verlangten Zuzug zu leisten, da aus sei-<lb/> nem Reich alle arbeitsfähigen Leute von den Zollpächtern weg-<lb/> geschleppt seien. Auf dem groſsen Sclavenmarkt in Delos, wo<lb/> die kleinasiatischen Sclavenhändler ihre Waare an die italischen<lb/> Speculanten absetzten, sollen an einem Tage bis 10000 Sclaven<lb/> des Morgens ausgeschifft und vor Abend alle verkauft gewesen<lb/> sein — ein Beweis zugleich, welche ungeheure Zahl von Sclaven<lb/> geliefert ward und wie dennoch die Nachfrage immer noch das<lb/> Angebot überstieg. Es war kein Wunder; solche Sclavenheerden<lb/> waren ein vortreffliches Werkzeug der mannigfaltigsten Specula-<lb/> tionen und wurden fast auf jedem Gebiet des Erwerbs verwandt.<lb/> Durch sie wurden groſsentheils die Handwerke betrieben, so daſs<lb/> der Ertrag dem Herrn zufiel. Durch die Sclaven der Steuer-<lb/> pachtgesellschaften wurde die Erhebung der öffentlichen Gefälle<lb/> in den untern Graden regelmäſsig beschafft. Ihre Hände besorg-<lb/> ten den Grubenbau, die Pechhütten und was der Art sonst vor-<lb/> kommt; schon früh kam es auf Sclavenheerden nach den spani-<lb/> schen Bergwerken zu senden, deren Vorsteher sie bereitwillig an-<lb/> nahmen und hoch verzinsten. Die Wein- und Olivenlese wurde<lb/> in Italien schon zu Catos Zeit nicht von den Leuten auf dem Gut<lb/> bewirkt, sondern einem Sclavenbesitzer in Accord gegeben.<lb/> Vor allem aber waren es die Weidewirthschaft und der Feldbau,<lb/> welche man durch Sclaven beschaffen lieſs. Die Hütung des<lb/> Viehs ward in Italien schon längst auf den groſsen zur Weide<lb/> liegenden Strecken durch bewaffnete, häufig berittene Hirten-<lb/> sclaven besorgt (I, 623); dieselbe Art der Weidewirthschaft<lb/> ward auch in den Provinzen ein beliebter Gegenstand der rö-<lb/> mischen Speculation — so war zum Beispiel Dalmatien kaum<lb/> erobert (599), als die römischen Capitalisten anfingen dort<lb/> die Viehzucht im Groſsen zu betreiben. Aber in jeder Bezie-<lb/> hung weit schlimmer noch war der eigentliche Plantagenbau,<lb/> die Bestellung der Felder durch eine Heerde mit dem Eisen ge-<lb/> stempelter Sclaven, welche mit Fuſsschellen an den Beinen unter<lb/> Aufsehern des Tags die Feldarbeit thaten und Nachts in den ge-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [70/0080]
VIERTES BUCH. KAPITEL II.
unter seine Sclaven eingestellt ward. Das Negerland jener Zeit
aber war Kleinasien, wo die kretischen und kilikischen Cor-
saren, die rechten gewerbmäſsigen Sclavenjäger und Sclaven-
händler, die Küsten Syriens und die griechischen Inseln aus-
raubten, und mit ihnen wetteifernd die römischen Zollpächter
in den Clientelstaaten Menschenjagden veranstalteten und die
Gefangenen unter ihr Sclavengesinde untersteckten — es geschah
dies in solchem Umfang, daſs um 650 der König von Bithynien
sich unfähig erklärte den verlangten Zuzug zu leisten, da aus sei-
nem Reich alle arbeitsfähigen Leute von den Zollpächtern weg-
geschleppt seien. Auf dem groſsen Sclavenmarkt in Delos, wo
die kleinasiatischen Sclavenhändler ihre Waare an die italischen
Speculanten absetzten, sollen an einem Tage bis 10000 Sclaven
des Morgens ausgeschifft und vor Abend alle verkauft gewesen
sein — ein Beweis zugleich, welche ungeheure Zahl von Sclaven
geliefert ward und wie dennoch die Nachfrage immer noch das
Angebot überstieg. Es war kein Wunder; solche Sclavenheerden
waren ein vortreffliches Werkzeug der mannigfaltigsten Specula-
tionen und wurden fast auf jedem Gebiet des Erwerbs verwandt.
Durch sie wurden groſsentheils die Handwerke betrieben, so daſs
der Ertrag dem Herrn zufiel. Durch die Sclaven der Steuer-
pachtgesellschaften wurde die Erhebung der öffentlichen Gefälle
in den untern Graden regelmäſsig beschafft. Ihre Hände besorg-
ten den Grubenbau, die Pechhütten und was der Art sonst vor-
kommt; schon früh kam es auf Sclavenheerden nach den spani-
schen Bergwerken zu senden, deren Vorsteher sie bereitwillig an-
nahmen und hoch verzinsten. Die Wein- und Olivenlese wurde
in Italien schon zu Catos Zeit nicht von den Leuten auf dem Gut
bewirkt, sondern einem Sclavenbesitzer in Accord gegeben.
Vor allem aber waren es die Weidewirthschaft und der Feldbau,
welche man durch Sclaven beschaffen lieſs. Die Hütung des
Viehs ward in Italien schon längst auf den groſsen zur Weide
liegenden Strecken durch bewaffnete, häufig berittene Hirten-
sclaven besorgt (I, 623); dieselbe Art der Weidewirthschaft
ward auch in den Provinzen ein beliebter Gegenstand der rö-
mischen Speculation — so war zum Beispiel Dalmatien kaum
erobert (599), als die römischen Capitalisten anfingen dort
die Viehzucht im Groſsen zu betreiben. Aber in jeder Bezie-
hung weit schlimmer noch war der eigentliche Plantagenbau,
die Bestellung der Felder durch eine Heerde mit dem Eisen ge-
stempelter Sclaven, welche mit Fuſsschellen an den Beinen unter
Aufsehern des Tags die Feldarbeit thaten und Nachts in den ge-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |