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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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nige, unter denen einzelne persönliche Tapferkeit und Fähigkeit
bewiesen, war in der That beklagenswerth. Das Reich war in
ewigem Aufstand, sowohl die Provinzen unter ihren halb oder
ganz unabhängigen Satrapen als die Hauptstadt mit ihrem gleich
dem römischen und dem alexandrinischen zuchtlosen und wider-
spenstigen Pöbel. Die gesammte Meute der Nachbarkönige,
Aegypten, Kappadokien, Pergamon mengte unaufhörlich sich in
die Angelegenheiten Syriens und nährte die Erbfolgestreitigkei-
ten, so dass der Bürgerkrieg und die factische Theilung der Herr-
schaft unter zwei oder mehr Prätendenten fast zur stehenden
Landplage ward. Die römische Schutzmacht, wenn sie die Nach-
barn nicht aufstiftete, sah unthätig zu. Zu allem diesen drängte
von Osten her das neue Partherreich, nicht bloss mit seiner ma-
teriellen Macht, sondern auch mit dem ganzen Uebergewicht sei-
ner nationalen Sprache und Religion, seiner nationalen Heer-
und Staatsverfassung über den Staat der Fremdlinge. Es ist hier
noch nicht der Ort dies regenerirte Kyrosreich zu schildern; es
genügt im Allgemeinen daran zu erinnern, dass, so mächtig auch
in ihm noch der Hellenismus auftritt, dennoch der parthische
Staat, verglichen mit dem der Seleukiden, auf einer nationalen
und religiösen Reaction beruht und die alte iranische Sprache,
der Magierstand und der Mithrasdienst, die orientalische Lehns-
verfassung, die Reiterei der Wüste und Pfeil und Bogen hier zu-
erst dem Hellenismus wieder übermächtig entgegentraten. Das
Ergebniss war leicht vorauszusehen. Die östlichen Landschaften
Syriens unter ihren unbeschützten oder gar aufrührerischen Sa-
trapen geriethen unter parthische Botmässigkeit; Persien, Baby-
lonien, Medien wurden auf immer vom syrischen Reiche getrennt;
der neue Staat der Parther reichte zu beiden Seiten der grossen
Wüste vom Oxus und Hindukusch bis zum Tigris und zur arabi-
schen Wüste, wiederum gleich all den vor Alexander blühenden
asiatischen Grossstaaten eine reine Continentalmonarchie und
wiederum gleich dem Perserreich einerseits mit den Völkern von
Turan, andrerseits mit den Occidentalen in ewiger Fehde be-
griffen. Der syrische Staat umfasste ausser der Küstenlandschaft
im besten Fall Mesopotamien und verschwand, mehr noch in
Folge seiner inneren Zerrüttung als seiner Verkleinerung, auf
immer aus der Reihe der Grossstaaten. Wenn die mehrfach dro-
hende gänzliche Unterjochung des Landes durch die Parther un-
terblieb, so ist dies nicht der Gegenwehr der letzten Seleukiden,
noch weniger dem Einfluss Roms zuzuschreiben, sondern vielmehr
den vielfältigen inneren Unruhen im Partherreich und vor allem

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nige, unter denen einzelne persönliche Tapferkeit und Fähigkeit
bewiesen, war in der That beklagenswerth. Das Reich war in
ewigem Aufstand, sowohl die Provinzen unter ihren halb oder
ganz unabhängigen Satrapen als die Hauptstadt mit ihrem gleich
dem römischen und dem alexandrinischen zuchtlosen und wider-
spenstigen Pöbel. Die gesammte Meute der Nachbarkönige,
Aegypten, Kappadokien, Pergamon mengte unaufhörlich sich in
die Angelegenheiten Syriens und nährte die Erbfolgestreitigkei-
ten, so daſs der Bürgerkrieg und die factische Theilung der Herr-
schaft unter zwei oder mehr Prätendenten fast zur stehenden
Landplage ward. Die römische Schutzmacht, wenn sie die Nach-
barn nicht aufstiftete, sah unthätig zu. Zu allem diesen drängte
von Osten her das neue Partherreich, nicht bloſs mit seiner ma-
teriellen Macht, sondern auch mit dem ganzen Uebergewicht sei-
ner nationalen Sprache und Religion, seiner nationalen Heer-
und Staatsverfassung über den Staat der Fremdlinge. Es ist hier
noch nicht der Ort dies regenerirte Kyrosreich zu schildern; es
genügt im Allgemeinen daran zu erinnern, daſs, so mächtig auch
in ihm noch der Hellenismus auftritt, dennoch der parthische
Staat, verglichen mit dem der Seleukiden, auf einer nationalen
und religiösen Reaction beruht und die alte iranische Sprache,
der Magierstand und der Mithrasdienst, die orientalische Lehns-
verfassung, die Reiterei der Wüste und Pfeil und Bogen hier zu-
erst dem Hellenismus wieder übermächtig entgegentraten. Das
Ergebniſs war leicht vorauszusehen. Die östlichen Landschaften
Syriens unter ihren unbeschützten oder gar aufrührerischen Sa-
trapen geriethen unter parthische Botmäſsigkeit; Persien, Baby-
lonien, Medien wurden auf immer vom syrischen Reiche getrennt;
der neue Staat der Parther reichte zu beiden Seiten der groſsen
Wüste vom Oxus und Hindukusch bis zum Tigris und zur arabi-
schen Wüste, wiederum gleich all den vor Alexander blühenden
asiatischen Groſsstaaten eine reine Continentalmonarchie und
wiederum gleich dem Perserreich einerseits mit den Völkern von
Turan, andrerseits mit den Occidentalen in ewiger Fehde be-
griffen. Der syrische Staat umfaſste auſser der Küstenlandschaft
im besten Fall Mesopotamien und verschwand, mehr noch in
Folge seiner inneren Zerrüttung als seiner Verkleinerung, auf
immer aus der Reihe der Groſsstaaten. Wenn die mehrfach dro-
hende gänzliche Unterjochung des Landes durch die Parther un-
terblieb, so ist dies nicht der Gegenwehr der letzten Seleukiden,
noch weniger dem Einfluſs Roms zuzuschreiben, sondern vielmehr
den vielfältigen inneren Unruhen im Partherreich und vor allem

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[58/0068] VIERTES BUCH. KAPITEL I. nige, unter denen einzelne persönliche Tapferkeit und Fähigkeit bewiesen, war in der That beklagenswerth. Das Reich war in ewigem Aufstand, sowohl die Provinzen unter ihren halb oder ganz unabhängigen Satrapen als die Hauptstadt mit ihrem gleich dem römischen und dem alexandrinischen zuchtlosen und wider- spenstigen Pöbel. Die gesammte Meute der Nachbarkönige, Aegypten, Kappadokien, Pergamon mengte unaufhörlich sich in die Angelegenheiten Syriens und nährte die Erbfolgestreitigkei- ten, so daſs der Bürgerkrieg und die factische Theilung der Herr- schaft unter zwei oder mehr Prätendenten fast zur stehenden Landplage ward. Die römische Schutzmacht, wenn sie die Nach- barn nicht aufstiftete, sah unthätig zu. Zu allem diesen drängte von Osten her das neue Partherreich, nicht bloſs mit seiner ma- teriellen Macht, sondern auch mit dem ganzen Uebergewicht sei- ner nationalen Sprache und Religion, seiner nationalen Heer- und Staatsverfassung über den Staat der Fremdlinge. Es ist hier noch nicht der Ort dies regenerirte Kyrosreich zu schildern; es genügt im Allgemeinen daran zu erinnern, daſs, so mächtig auch in ihm noch der Hellenismus auftritt, dennoch der parthische Staat, verglichen mit dem der Seleukiden, auf einer nationalen und religiösen Reaction beruht und die alte iranische Sprache, der Magierstand und der Mithrasdienst, die orientalische Lehns- verfassung, die Reiterei der Wüste und Pfeil und Bogen hier zu- erst dem Hellenismus wieder übermächtig entgegentraten. Das Ergebniſs war leicht vorauszusehen. Die östlichen Landschaften Syriens unter ihren unbeschützten oder gar aufrührerischen Sa- trapen geriethen unter parthische Botmäſsigkeit; Persien, Baby- lonien, Medien wurden auf immer vom syrischen Reiche getrennt; der neue Staat der Parther reichte zu beiden Seiten der groſsen Wüste vom Oxus und Hindukusch bis zum Tigris und zur arabi- schen Wüste, wiederum gleich all den vor Alexander blühenden asiatischen Groſsstaaten eine reine Continentalmonarchie und wiederum gleich dem Perserreich einerseits mit den Völkern von Turan, andrerseits mit den Occidentalen in ewiger Fehde be- griffen. Der syrische Staat umfaſste auſser der Küstenlandschaft im besten Fall Mesopotamien und verschwand, mehr noch in Folge seiner inneren Zerrüttung als seiner Verkleinerung, auf immer aus der Reihe der Groſsstaaten. Wenn die mehrfach dro- hende gänzliche Unterjochung des Landes durch die Parther un- terblieb, so ist dies nicht der Gegenwehr der letzten Seleukiden, noch weniger dem Einfluſs Roms zuzuschreiben, sondern vielmehr den vielfältigen inneren Unruhen im Partherreich und vor allem

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/68>, abgerufen am 21.11.2024.