Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.VIERTES BUCH. KAPITEL I. einer der reichsten und gebildetsten Männer Roms und als Red-ner wie als Rechtskenner gleich ausgezeichnet, schickte sich an den Prätendenten in Leukae zu belagern; allein während der Vor- bereitungen dazu liess er von dem allzu gering geschätzten Geg- ner sich überraschen und schlagen. Er selbst ward von einem thrakischen Haufen gefangen; aber er gönnte einem solchen Feinde nicht den Triumph den Oberfeldherrn Roms als Gefan- genen zur Schau zu stellen: ehe er erkannt worden war, reizte er die Barbaren, die ihn ergriffen hatten, ihm den Tod zu geben (Anf. 624). Mit ihm, wie es scheint, fiel König Ariarathes von Kappadokien. Indess ward Aristonikos nicht lange nach diesem Erfolg von Crassus Nachfolger Marcus Perpenna überfallen, sein Heer zersprengt, er selbst in Stratonikeia belagert und gefangen und bald darauf in Rom hingerichtet. Die Unterwerfung der letz- ten noch Widerstand leistenden Städte und die definitive Reguli- rung der Landschaft übernahm nach Perpennas plötzlichem Tode Manius Aquillius (625). Man verfuhr ähnlich wie im kar- thagischen Gebiet. Der östliche Theil des Attalidenreiches ward den Clientelkönigreichen überwiesen, um die Römer von dem Grenzschutz und damit von der Nothwendigkeit einer stehenden Besatzung in Asien zu befreien; Telmissos (I, 562) kam an die lykische Eidgenossenschaft; die europäischen Besitzungen in Thrakien wurden zu der Provinz Makedonien geschlagen; das übrige Gebiet ward als neue römische Provinz eingerichtet, der gleich der karthagischen nicht ohne Absicht der Name des Welt- theils beigelegt ward, in dem sie lag. Die Steuern, die nach Per- gamon gezahlt worden waren, wurden dem Lande erlassen und dasselbe mit gleicher Milde behandelt wie Hellas und Makedonien. -- So ward der ansehnlichste kleinasiatische Staat eine römische Vogtei. Bei den zahlreichen andern Staaten und Städten Vorder- asiens, dem Königreich Bithynien, den paphlagonischen und gal- lischen Fürstenthümern, der lykischen, karischen, pamphylischen Eidgenossenschaft, den Freistädten Kyzikos und Rhodos trat eine wesentliche Umgestaltung nicht ein. Jenseit des Halys folgte Kappadokien, nachdem König Ariarathes V Philopator (591-624) hauptsächlich durch Hülfe der Attaliden sich gegen seinen von Syrien unterstützten Bruder und Nebenbuhler Holo- phernes behauptet hatte, wesentlich der pergamenischen Politik, sowohl in der unbedingten Hingebung an Rom als in der Rich- tung auf hellenistische Bildung. Durch ihn kam dieselbe in das bis dahin fast barbarische Kappadokien, freilich auch sogleich ihre Auswüchse, wie der Bakchosdienst und das wüste Treiben VIERTES BUCH. KAPITEL I. einer der reichsten und gebildetsten Männer Roms und als Red-ner wie als Rechtskenner gleich ausgezeichnet, schickte sich an den Prätendenten in Leukae zu belagern; allein während der Vor- bereitungen dazu lieſs er von dem allzu gering geschätzten Geg- ner sich überraschen und schlagen. Er selbst ward von einem thrakischen Haufen gefangen; aber er gönnte einem solchen Feinde nicht den Triumph den Oberfeldherrn Roms als Gefan- genen zur Schau zu stellen: ehe er erkannt worden war, reizte er die Barbaren, die ihn ergriffen hatten, ihm den Tod zu geben (Anf. 624). Mit ihm, wie es scheint, fiel König Ariarathes von Kappadokien. Indeſs ward Aristonikos nicht lange nach diesem Erfolg von Crassus Nachfolger Marcus Perpenna überfallen, sein Heer zersprengt, er selbst in Stratonikeia belagert und gefangen und bald darauf in Rom hingerichtet. Die Unterwerfung der letz- ten noch Widerstand leistenden Städte und die definitive Reguli- rung der Landschaft übernahm nach Perpennas plötzlichem Tode Manius Aquillius (625). Man verfuhr ähnlich wie im kar- thagischen Gebiet. Der östliche Theil des Attalidenreiches ward den Clientelkönigreichen überwiesen, um die Römer von dem Grenzschutz und damit von der Nothwendigkeit einer stehenden Besatzung in Asien zu befreien; Telmissos (I, 562) kam an die lykische Eidgenossenschaft; die europäischen Besitzungen in Thrakien wurden zu der Provinz Makedonien geschlagen; das übrige Gebiet ward als neue römische Provinz eingerichtet, der gleich der karthagischen nicht ohne Absicht der Name des Welt- theils beigelegt ward, in dem sie lag. Die Steuern, die nach Per- gamon gezahlt worden waren, wurden dem Lande erlassen und dasselbe mit gleicher Milde behandelt wie Hellas und Makedonien. — So ward der ansehnlichste kleinasiatische Staat eine römische Vogtei. Bei den zahlreichen andern Staaten und Städten Vorder- asiens, dem Königreich Bithynien, den paphlagonischen und gal- lischen Fürstenthümern, der lykischen, karischen, pamphylischen Eidgenossenschaft, den Freistädten Kyzikos und Rhodos trat eine wesentliche Umgestaltung nicht ein. Jenseit des Halys folgte Kappadokien, nachdem König Ariarathes V Philopator (591-624) hauptsächlich durch Hülfe der Attaliden sich gegen seinen von Syrien unterstützten Bruder und Nebenbuhler Holo- phernes behauptet hatte, wesentlich der pergamenischen Politik, sowohl in der unbedingten Hingebung an Rom als in der Rich- tung auf hellenistische Bildung. Durch ihn kam dieselbe in das bis dahin fast barbarische Kappadokien, freilich auch sogleich ihre Auswüchse, wie der Bakchosdienst und das wüste Treiben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0062" n="52"/><fw place="top" type="header">VIERTES BUCH. 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VIERTES BUCH. KAPITEL I.
einer der reichsten und gebildetsten Männer Roms und als Red-
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den Prätendenten in Leukae zu belagern; allein während der Vor-
bereitungen dazu lieſs er von dem allzu gering geschätzten Geg-
ner sich überraschen und schlagen. Er selbst ward von einem
thrakischen Haufen gefangen; aber er gönnte einem solchen
Feinde nicht den Triumph den Oberfeldherrn Roms als Gefan-
genen zur Schau zu stellen: ehe er erkannt worden war, reizte
er die Barbaren, die ihn ergriffen hatten, ihm den Tod zu geben
(Anf. 624). Mit ihm, wie es scheint, fiel König Ariarathes von
Kappadokien. Indeſs ward Aristonikos nicht lange nach diesem
Erfolg von Crassus Nachfolger Marcus Perpenna überfallen, sein
Heer zersprengt, er selbst in Stratonikeia belagert und gefangen
und bald darauf in Rom hingerichtet. Die Unterwerfung der letz-
ten noch Widerstand leistenden Städte und die definitive Reguli-
rung der Landschaft übernahm nach Perpennas plötzlichem
Tode Manius Aquillius (625). Man verfuhr ähnlich wie im kar-
thagischen Gebiet. Der östliche Theil des Attalidenreiches ward
den Clientelkönigreichen überwiesen, um die Römer von dem
Grenzschutz und damit von der Nothwendigkeit einer stehenden
Besatzung in Asien zu befreien; Telmissos (I, 562) kam an die
lykische Eidgenossenschaft; die europäischen Besitzungen in
Thrakien wurden zu der Provinz Makedonien geschlagen; das
übrige Gebiet ward als neue römische Provinz eingerichtet, der
gleich der karthagischen nicht ohne Absicht der Name des Welt-
theils beigelegt ward, in dem sie lag. Die Steuern, die nach Per-
gamon gezahlt worden waren, wurden dem Lande erlassen und
dasselbe mit gleicher Milde behandelt wie Hellas und Makedonien.
— So ward der ansehnlichste kleinasiatische Staat eine römische
Vogtei. Bei den zahlreichen andern Staaten und Städten Vorder-
asiens, dem Königreich Bithynien, den paphlagonischen und gal-
lischen Fürstenthümern, der lykischen, karischen, pamphylischen
Eidgenossenschaft, den Freistädten Kyzikos und Rhodos trat
eine wesentliche Umgestaltung nicht ein. Jenseit des Halys
folgte Kappadokien, nachdem König Ariarathes V Philopator
(591-624) hauptsächlich durch Hülfe der Attaliden sich gegen
seinen von Syrien unterstützten Bruder und Nebenbuhler Holo-
phernes behauptet hatte, wesentlich der pergamenischen Politik,
sowohl in der unbedingten Hingebung an Rom als in der Rich-
tung auf hellenistische Bildung. Durch ihn kam dieselbe in das
bis dahin fast barbarische Kappadokien, freilich auch sogleich
ihre Auswüchse, wie der Bakchosdienst und das wüste Treiben
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