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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN.
ten niedermachen liess; nebenher schrieb er Bücher über den
Gartenbau, zog Giftkräuter und bossirte in Wachs, bis ein plötz-
licher Tod ihn abrief. Mit ihm erlosch das Geschlecht der Atta-
liden. In solchem Fall konnte nach dem wenigstens für die
Clientelstaaten Roms gültigen Staatsrecht der letzte Regent testa-
mentarisch über die Succession verfügen. Ob der wahnwitzige
Groll gegen seine Unterthanen, der den letzten Attaliden bei sei-
nem Leben gepeinigt, ihm auch den Gedanken eingegeben hatte
in seinem Testament das Reich den Römern zu vermachen oder
ob hierin bloss eine weitere Anerkennung der thatsächlichen
Oberlehnsgewalt Roms lag, ist nicht zu entscheiden. Das Testa-
ment lag vor; die Römer traten die Erbschaft an und die Frage
über das Land und den Schatz der Attaliden fiel in Rom als
neuer Erisapfel unter die hadernden politischen Parteien. Aber
auch in Asien entzündete dies Königstestament den Bürgerkrieg.
Im Vertrauen auf die Abneigung der Asiaten gegen die bevorste-
hende Fremdherrschaft trat ein natürlicher Sohn Eumenes II,
Aristonikos in Leukae, einer kleinen Hafenstadt zwischen
Smyrna und Phokaea, als Kronprätendent auf und Phokaea und
andere Städte fielen ihm zu; indess von den Ephesiern, die in
dem festen Anschluss an Rom die einzige Möglichkeit erkannten
ihre Privilegien sich zu erhalten, zur See auf der Höhe von Kyme
geschlagen musste er in das Binnenland flüchten. Schon glaubte
man ihn verschollen; da erschien er plötzlich wieder an der
Spitze der neuen ,Bürger der Sonnenstadt'*, das heisst der von
ihm in Masse zur Freiheit gerufenen Sclaven, bemächtigte sich
der lydischen Städte Thyateira und Apollonis, so wie eines
Theils der attalischen Ortschaften und rief Schaaren thrakischer
Lanzknechte unter seine Fahnen. Der Kampf ward ernsthaft;
die asiatischen Freistädte und die Contingente der Clientelfürsten
von Bithynien, Paphlagonien, Kappadokien, Pontos, Armenien
konnten des Prätendenten sich nicht erwehren; er drang mit ge-
waffneter Hand in Kolophon, Samos, Myndos ein und gebot
schon fast über das gesammte väterliche Reich, als am Ende des
J. 623 ein römisches Heer in Asien landete. Der Feldherr, der
Consul und Oberpontifex Publius Licinius Crassus Mucianus,

* Diese seltsamen Heliopoliten sind wahrscheinlich so zu fassen, dass
die befreiten Sclaven als Bürger einer sei es für jetzt nur gedachten, sei
es einer umgenannten Stadt Heliopolis sich constituirten, die ihren Namen
von dem in Syrien hochverehrten Sonnengott trug (Mittheilung eines
Freundes).
4*

DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN.
ten niedermachen lieſs; nebenher schrieb er Bücher über den
Gartenbau, zog Giftkräuter und bossirte in Wachs, bis ein plötz-
licher Tod ihn abrief. Mit ihm erlosch das Geschlecht der Atta-
liden. In solchem Fall konnte nach dem wenigstens für die
Clientelstaaten Roms gültigen Staatsrecht der letzte Regent testa-
mentarisch über die Succession verfügen. Ob der wahnwitzige
Groll gegen seine Unterthanen, der den letzten Attaliden bei sei-
nem Leben gepeinigt, ihm auch den Gedanken eingegeben hatte
in seinem Testament das Reich den Römern zu vermachen oder
ob hierin bloſs eine weitere Anerkennung der thatsächlichen
Oberlehnsgewalt Roms lag, ist nicht zu entscheiden. Das Testa-
ment lag vor; die Römer traten die Erbschaft an und die Frage
über das Land und den Schatz der Attaliden fiel in Rom als
neuer Erisapfel unter die hadernden politischen Parteien. Aber
auch in Asien entzündete dies Königstestament den Bürgerkrieg.
Im Vertrauen auf die Abneigung der Asiaten gegen die bevorste-
hende Fremdherrschaft trat ein natürlicher Sohn Eumenes II,
Aristonikos in Leukae, einer kleinen Hafenstadt zwischen
Smyrna und Phokaea, als Kronprätendent auf und Phokaea und
andere Städte fielen ihm zu; indeſs von den Ephesiern, die in
dem festen Anschluſs an Rom die einzige Möglichkeit erkannten
ihre Privilegien sich zu erhalten, zur See auf der Höhe von Kyme
geschlagen muſste er in das Binnenland flüchten. Schon glaubte
man ihn verschollen; da erschien er plötzlich wieder an der
Spitze der neuen ‚Bürger der Sonnenstadt‘*, das heiſst der von
ihm in Masse zur Freiheit gerufenen Sclaven, bemächtigte sich
der lydischen Städte Thyateira und Apollonis, so wie eines
Theils der attalischen Ortschaften und rief Schaaren thrakischer
Lanzknechte unter seine Fahnen. Der Kampf ward ernsthaft;
die asiatischen Freistädte und die Contingente der Clientelfürsten
von Bithynien, Paphlagonien, Kappadokien, Pontos, Armenien
konnten des Prätendenten sich nicht erwehren; er drang mit ge-
waffneter Hand in Kolophon, Samos, Myndos ein und gebot
schon fast über das gesammte väterliche Reich, als am Ende des
J. 623 ein römisches Heer in Asien landete. Der Feldherr, der
Consul und Oberpontifex Publius Licinius Crassus Mucianus,

* Diese seltsamen Heliopoliten sind wahrscheinlich so zu fassen, daſs
die befreiten Sclaven als Bürger einer sei es für jetzt nur gedachten, sei
es einer umgenannten Stadt Heliopolis sich constituirten, die ihren Namen
von dem in Syrien hochverehrten Sonnengott trug (Mittheilung eines
Freundes).
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[51/0061] DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN. ten niedermachen lieſs; nebenher schrieb er Bücher über den Gartenbau, zog Giftkräuter und bossirte in Wachs, bis ein plötz- licher Tod ihn abrief. Mit ihm erlosch das Geschlecht der Atta- liden. In solchem Fall konnte nach dem wenigstens für die Clientelstaaten Roms gültigen Staatsrecht der letzte Regent testa- mentarisch über die Succession verfügen. Ob der wahnwitzige Groll gegen seine Unterthanen, der den letzten Attaliden bei sei- nem Leben gepeinigt, ihm auch den Gedanken eingegeben hatte in seinem Testament das Reich den Römern zu vermachen oder ob hierin bloſs eine weitere Anerkennung der thatsächlichen Oberlehnsgewalt Roms lag, ist nicht zu entscheiden. Das Testa- ment lag vor; die Römer traten die Erbschaft an und die Frage über das Land und den Schatz der Attaliden fiel in Rom als neuer Erisapfel unter die hadernden politischen Parteien. Aber auch in Asien entzündete dies Königstestament den Bürgerkrieg. Im Vertrauen auf die Abneigung der Asiaten gegen die bevorste- hende Fremdherrschaft trat ein natürlicher Sohn Eumenes II, Aristonikos in Leukae, einer kleinen Hafenstadt zwischen Smyrna und Phokaea, als Kronprätendent auf und Phokaea und andere Städte fielen ihm zu; indeſs von den Ephesiern, die in dem festen Anschluſs an Rom die einzige Möglichkeit erkannten ihre Privilegien sich zu erhalten, zur See auf der Höhe von Kyme geschlagen muſste er in das Binnenland flüchten. Schon glaubte man ihn verschollen; da erschien er plötzlich wieder an der Spitze der neuen ‚Bürger der Sonnenstadt‘ *, das heiſst der von ihm in Masse zur Freiheit gerufenen Sclaven, bemächtigte sich der lydischen Städte Thyateira und Apollonis, so wie eines Theils der attalischen Ortschaften und rief Schaaren thrakischer Lanzknechte unter seine Fahnen. Der Kampf ward ernsthaft; die asiatischen Freistädte und die Contingente der Clientelfürsten von Bithynien, Paphlagonien, Kappadokien, Pontos, Armenien konnten des Prätendenten sich nicht erwehren; er drang mit ge- waffneter Hand in Kolophon, Samos, Myndos ein und gebot schon fast über das gesammte väterliche Reich, als am Ende des J. 623 ein römisches Heer in Asien landete. Der Feldherr, der Consul und Oberpontifex Publius Licinius Crassus Mucianus, * Diese seltsamen Heliopoliten sind wahrscheinlich so zu fassen, daſs die befreiten Sclaven als Bürger einer sei es für jetzt nur gedachten, sei es einer umgenannten Stadt Heliopolis sich constituirten, die ihren Namen von dem in Syrien hochverehrten Sonnengott trug (Mittheilung eines Freundes). 4*

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/61>, abgerufen am 24.11.2024.