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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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VIERTES BUCH. KAPITEL I.
wie es scheint, nach den Bedingungen des Friedens mit Antio-
chos von Pergamon abhängig sein sollen; indess sicherten die
Römer ihnen jetzt die Freiheit und andere Vorrechte zu und sa-
hen es nicht ungern, dass sie an die daran geknüpfte Bedin-
gung Friede zu halten sich nicht kehrten, sondern im Einver-
ständniss mit dem Erbfeind der Attaliden, dem König Prusias
von Bithynien, um 587 plötzlich das Reich des Eumenes über-
rannten, bevor dieser Zeit gehabt hatte Miethstruppen zu dingen.
Alle Einsicht und Tapferkeit des Königs konnte nicht verhindern,
dass sie die asiatische Miliz schlugen und das Gebiet über-
schwemmten; indess wie er nur Zeit gefunden hatte mit Hülfe
seiner wohlgefüllten Kasse eine kampffähige Armee herzustellen,
trieb er die wilden Schaaren schnell zurück über die Grenze sei-
nes Reiches und hinterliess trotz aller offenen Angriffe und ge-
heimen Machinationen, die seine Nachbaren und die Römer
gegen ihn gerichtet hatten, bei seinem Tode (um 595) das Reich
in ungeschmälerter Macht seinem Bruder Attalos II Philadelphos
(+ 616). Dieser wies den Versuch des Königs Pharnakes von
Pontos sich der Vormundschaft über Eumenes unmündigen
Sohn zu bemächtigen mit römischer Hülfe zurück und regierte
anstatt seines Neffen wie Antigonos Doson als Vormund auf Le-
benszeit. Gewandt, tüchtig, fügsam, ein echter Attalide verstand
er es den argwöhnischen Senat von der Nichtigkeit der früher
gehegten Besorgnisse zu überzeugen; wesshalb ihn denn freilich
die antirömische Partei beschuldigte, dass er sich dazu hergebe
das Land für die Römer zu hüten und jede Beleidigung und Er-
pressung von ihnen sich gefallen lasse. Indess konnte er, des
römischen Schutzes sicher, in die syrischen, kappadokischen und
bithynischen Thronstreitigkeiten entscheidend eingreifen und
auch aus dem gefährlichen bithynischen Krieg, den König Pru-
sias II, der Jäger genannt (572?-605), ein Regent, der alle
barbarischen und alle civilisirten Laster in sich vereinigte, gegen
ihn begonnen hatte, rettete ihn die römische Intervention --
freilich erst nachdem er selbst in seiner Hauptstadt belagert und
eine erste Mahnung der Römer von Prusias unbefolgt gelassen,
ja verhöhnt worden war (598-600). Allein mit der Thron-
besteigung seines Mündels Attalos III Philometor (616-621)
trat an die Stelle des friedlichen und mässigen Bürgerkönigthums
ein asiatisches Sultanregiment, unter dem es zum Beispiel vor-
kam, dass der König um des unbequemen Raths seiner väterli-
chen Freunde sich zu entledigen, sie im Palast versammeln und
erst sie, sodann ihre Frauen und Kinder von seinen Lanzknech-

VIERTES BUCH. KAPITEL I.
wie es scheint, nach den Bedingungen des Friedens mit Antio-
chos von Pergamon abhängig sein sollen; indeſs sicherten die
Römer ihnen jetzt die Freiheit und andere Vorrechte zu und sa-
hen es nicht ungern, daſs sie an die daran geknüpfte Bedin-
gung Friede zu halten sich nicht kehrten, sondern im Einver-
ständniſs mit dem Erbfeind der Attaliden, dem König Prusias
von Bithynien, um 587 plötzlich das Reich des Eumenes über-
rannten, bevor dieser Zeit gehabt hatte Miethstruppen zu dingen.
Alle Einsicht und Tapferkeit des Königs konnte nicht verhindern,
daſs sie die asiatische Miliz schlugen und das Gebiet über-
schwemmten; indeſs wie er nur Zeit gefunden hatte mit Hülfe
seiner wohlgefüllten Kasse eine kampffähige Armee herzustellen,
trieb er die wilden Schaaren schnell zurück über die Grenze sei-
nes Reiches und hinterlieſs trotz aller offenen Angriffe und ge-
heimen Machinationen, die seine Nachbaren und die Römer
gegen ihn gerichtet hatten, bei seinem Tode (um 595) das Reich
in ungeschmälerter Macht seinem Bruder Attalos II Philadelphos
(† 616). Dieser wies den Versuch des Königs Pharnakes von
Pontos sich der Vormundschaft über Eumenes unmündigen
Sohn zu bemächtigen mit römischer Hülfe zurück und regierte
anstatt seines Neffen wie Antigonos Doson als Vormund auf Le-
benszeit. Gewandt, tüchtig, fügsam, ein echter Attalide verstand
er es den argwöhnischen Senat von der Nichtigkeit der früher
gehegten Besorgnisse zu überzeugen; weſshalb ihn denn freilich
die antirömische Partei beschuldigte, daſs er sich dazu hergebe
das Land für die Römer zu hüten und jede Beleidigung und Er-
pressung von ihnen sich gefallen lasse. Indeſs konnte er, des
römischen Schutzes sicher, in die syrischen, kappadokischen und
bithynischen Thronstreitigkeiten entscheidend eingreifen und
auch aus dem gefährlichen bithynischen Krieg, den König Pru-
sias II, der Jäger genannt (572?-605), ein Regent, der alle
barbarischen und alle civilisirten Laster in sich vereinigte, gegen
ihn begonnen hatte, rettete ihn die römische Intervention —
freilich erst nachdem er selbst in seiner Hauptstadt belagert und
eine erste Mahnung der Römer von Prusias unbefolgt gelassen,
ja verhöhnt worden war (598-600). Allein mit der Thron-
besteigung seines Mündels Attalos III Philometor (616-621)
trat an die Stelle des friedlichen und mäſsigen Bürgerkönigthums
ein asiatisches Sultanregiment, unter dem es zum Beispiel vor-
kam, daſs der König um des unbequemen Raths seiner väterli-
chen Freunde sich zu entledigen, sie im Palast versammeln und
erst sie, sodann ihre Frauen und Kinder von seinen Lanzknech-

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[50/0060] VIERTES BUCH. KAPITEL I. wie es scheint, nach den Bedingungen des Friedens mit Antio- chos von Pergamon abhängig sein sollen; indeſs sicherten die Römer ihnen jetzt die Freiheit und andere Vorrechte zu und sa- hen es nicht ungern, daſs sie an die daran geknüpfte Bedin- gung Friede zu halten sich nicht kehrten, sondern im Einver- ständniſs mit dem Erbfeind der Attaliden, dem König Prusias von Bithynien, um 587 plötzlich das Reich des Eumenes über- rannten, bevor dieser Zeit gehabt hatte Miethstruppen zu dingen. Alle Einsicht und Tapferkeit des Königs konnte nicht verhindern, daſs sie die asiatische Miliz schlugen und das Gebiet über- schwemmten; indeſs wie er nur Zeit gefunden hatte mit Hülfe seiner wohlgefüllten Kasse eine kampffähige Armee herzustellen, trieb er die wilden Schaaren schnell zurück über die Grenze sei- nes Reiches und hinterlieſs trotz aller offenen Angriffe und ge- heimen Machinationen, die seine Nachbaren und die Römer gegen ihn gerichtet hatten, bei seinem Tode (um 595) das Reich in ungeschmälerter Macht seinem Bruder Attalos II Philadelphos († 616). Dieser wies den Versuch des Königs Pharnakes von Pontos sich der Vormundschaft über Eumenes unmündigen Sohn zu bemächtigen mit römischer Hülfe zurück und regierte anstatt seines Neffen wie Antigonos Doson als Vormund auf Le- benszeit. Gewandt, tüchtig, fügsam, ein echter Attalide verstand er es den argwöhnischen Senat von der Nichtigkeit der früher gehegten Besorgnisse zu überzeugen; weſshalb ihn denn freilich die antirömische Partei beschuldigte, daſs er sich dazu hergebe das Land für die Römer zu hüten und jede Beleidigung und Er- pressung von ihnen sich gefallen lasse. Indeſs konnte er, des römischen Schutzes sicher, in die syrischen, kappadokischen und bithynischen Thronstreitigkeiten entscheidend eingreifen und auch aus dem gefährlichen bithynischen Krieg, den König Pru- sias II, der Jäger genannt (572?-605), ein Regent, der alle barbarischen und alle civilisirten Laster in sich vereinigte, gegen ihn begonnen hatte, rettete ihn die römische Intervention — freilich erst nachdem er selbst in seiner Hauptstadt belagert und eine erste Mahnung der Römer von Prusias unbefolgt gelassen, ja verhöhnt worden war (598-600). Allein mit der Thron- besteigung seines Mündels Attalos III Philometor (616-621) trat an die Stelle des friedlichen und mäſsigen Bürgerkönigthums ein asiatisches Sultanregiment, unter dem es zum Beispiel vor- kam, daſs der König um des unbequemen Raths seiner väterli- chen Freunde sich zu entledigen, sie im Palast versammeln und erst sie, sodann ihre Frauen und Kinder von seinen Lanzknech-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/60>, abgerufen am 24.11.2024.