Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.VIERTES BUCH. KAPITEL I. schaffte. So apokryphisch auch seine Erzählung klang und soentschieden es auch feststand, dass der ächte Philippos achtzehn Jahre alt in Alba gestorben und dieser Mensch nichts weniger als ein makedonischer Prinz, sondern der adramyttenische Walker Andriskos sei, so war man doch in Makedonien der Königsherr- schaft zu sehr gewohnt, um nicht mit der Legitimitätsfrage sich wie es ging abzufinden und von selber in das alte Gleis wieder einzulenken. Schon kamen Boten von den Thessalern, dass der Prätendent in ihr Gebiet eingerückt sei; dem römischen Com- missar Nasica, der in der Erwartung, dass es keiner Truppen bedürfen werde um dem thörichten Beginnen ein Ende zu ma- chen, vom Senat ohne Soldaten nach Makedonien gesandt wor- den war, blieb nichts übrig als die achäische und pergamenische Mannschaft aufzubieten und mit den Achäern Thessalien gegen die Uebermacht so weit es anging zu schirmen. Endlich (605?) erschien der Prätor Juventius mit einer Legion und griff die Ma- kedonier an; allein er selber fiel, sein Heer ging fast ganz zu Grunde und Thessalien gerieth zum grössten Theil in die Gewalt des falschen Philippos, der sein Regiment hier und in Makedo- nien in grausamer und übermüthiger Weise verwaltete, bis der neue römische Feldherr Quintus Caecilius Metellus mit einem stärkeren Heer auf dem Kampfplatz erschien und, unterstützt durch eine pergamenische Flotte, in Makedonien eindrang. Zwar behielten in dem ersten Reitergefecht die Makedonier die Oberhand; allein bald traten Spaltungen und Desertionen im ma- kedonischen Heer ein und der Fehler des Gegners sein Heer zu theilen und die eine Hälfte nach Thessalien zu detachiren ver- schaffte den Römern einen leichten und entscheidenden Sieg (606). Der Prätendent flüchtete nach Thrakien zu den Häupt- ling Byzes, wohin Metellus ihm folgte und nach einem zweiten Sieg seine Auslieferung erlangte. -- In Folge dieser Ereignisse verloren die Makedonier auch den Schatten von Freiheit, der nach der Schlacht von Pydna ihnen noch geblieben war. Die vier Eidgenossenschaften verschwanden so rasch wie die entstan- den waren, trotzdem dass sie sich dem Prätendenten nicht frei- willig unterworfen hatten, sondern einzig der Gewalt gewichen waren. Ein ausreichender Grund die Gemeinden zu bestrafen lag nach der bisher befolgten Politik nicht vor; man ging eben in Rom über von dem Clientelsystem zu dem der Einverleibung, wesshalb denn auch die Einziehung Makedoniens in dem ganzen Kreise der Clientelstaaten als ein schwerer gegen alle gerichteter Schlag empfunden ward. Das Reich Alexanders ward von Metel- VIERTES BUCH. KAPITEL I. schaffte. So apokryphisch auch seine Erzählung klang und soentschieden es auch feststand, daſs der ächte Philippos achtzehn Jahre alt in Alba gestorben und dieser Mensch nichts weniger als ein makedonischer Prinz, sondern der adramyttenische Walker Andriskos sei, so war man doch in Makedonien der Königsherr- schaft zu sehr gewohnt, um nicht mit der Legitimitätsfrage sich wie es ging abzufinden und von selber in das alte Gleis wieder einzulenken. Schon kamen Boten von den Thessalern, daſs der Prätendent in ihr Gebiet eingerückt sei; dem römischen Com- missar Nasica, der in der Erwartung, daſs es keiner Truppen bedürfen werde um dem thörichten Beginnen ein Ende zu ma- chen, vom Senat ohne Soldaten nach Makedonien gesandt wor- den war, blieb nichts übrig als die achäische und pergamenische Mannschaft aufzubieten und mit den Achäern Thessalien gegen die Uebermacht so weit es anging zu schirmen. Endlich (605?) erschien der Prätor Juventius mit einer Legion und griff die Ma- kedonier an; allein er selber fiel, sein Heer ging fast ganz zu Grunde und Thessalien gerieth zum gröſsten Theil in die Gewalt des falschen Philippos, der sein Regiment hier und in Makedo- nien in grausamer und übermüthiger Weise verwaltete, bis der neue römische Feldherr Quintus Caecilius Metellus mit einem stärkeren Heer auf dem Kampfplatz erschien und, unterstützt durch eine pergamenische Flotte, in Makedonien eindrang. Zwar behielten in dem ersten Reitergefecht die Makedonier die Oberhand; allein bald traten Spaltungen und Desertionen im ma- kedonischen Heer ein und der Fehler des Gegners sein Heer zu theilen und die eine Hälfte nach Thessalien zu detachiren ver- schaffte den Römern einen leichten und entscheidenden Sieg (606). Der Prätendent flüchtete nach Thrakien zu den Häupt- ling Byzes, wohin Metellus ihm folgte und nach einem zweiten Sieg seine Auslieferung erlangte. — In Folge dieser Ereignisse verloren die Makedonier auch den Schatten von Freiheit, der nach der Schlacht von Pydna ihnen noch geblieben war. Die vier Eidgenossenschaften verschwanden so rasch wie die entstan- den waren, trotzdem daſs sie sich dem Prätendenten nicht frei- willig unterworfen hatten, sondern einzig der Gewalt gewichen waren. Ein ausreichender Grund die Gemeinden zu bestrafen lag nach der bisher befolgten Politik nicht vor; man ging eben in Rom über von dem Clientelsystem zu dem der Einverleibung, weſshalb denn auch die Einziehung Makedoniens in dem ganzen Kreise der Clientelstaaten als ein schwerer gegen alle gerichteter Schlag empfunden ward. Das Reich Alexanders ward von Metel- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0048" n="38"/><fw place="top" type="header">VIERTES BUCH. KAPITEL I.</fw><lb/> schaffte. So apokryphisch auch seine Erzählung klang und so<lb/> entschieden es auch feststand, daſs der ächte Philippos achtzehn<lb/> Jahre alt in Alba gestorben und dieser Mensch nichts weniger als<lb/> ein makedonischer Prinz, sondern der adramyttenische Walker<lb/> Andriskos sei, so war man doch in Makedonien der Königsherr-<lb/> schaft zu sehr gewohnt, um nicht mit der Legitimitätsfrage sich<lb/> wie es ging abzufinden und von selber in das alte Gleis wieder<lb/> einzulenken. 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VIERTES BUCH. KAPITEL I.
schaffte. So apokryphisch auch seine Erzählung klang und so
entschieden es auch feststand, daſs der ächte Philippos achtzehn
Jahre alt in Alba gestorben und dieser Mensch nichts weniger als
ein makedonischer Prinz, sondern der adramyttenische Walker
Andriskos sei, so war man doch in Makedonien der Königsherr-
schaft zu sehr gewohnt, um nicht mit der Legitimitätsfrage sich
wie es ging abzufinden und von selber in das alte Gleis wieder
einzulenken. Schon kamen Boten von den Thessalern, daſs der
Prätendent in ihr Gebiet eingerückt sei; dem römischen Com-
missar Nasica, der in der Erwartung, daſs es keiner Truppen
bedürfen werde um dem thörichten Beginnen ein Ende zu ma-
chen, vom Senat ohne Soldaten nach Makedonien gesandt wor-
den war, blieb nichts übrig als die achäische und pergamenische
Mannschaft aufzubieten und mit den Achäern Thessalien gegen
die Uebermacht so weit es anging zu schirmen. Endlich (605?)
erschien der Prätor Juventius mit einer Legion und griff die Ma-
kedonier an; allein er selber fiel, sein Heer ging fast ganz zu
Grunde und Thessalien gerieth zum gröſsten Theil in die Gewalt
des falschen Philippos, der sein Regiment hier und in Makedo-
nien in grausamer und übermüthiger Weise verwaltete, bis der
neue römische Feldherr Quintus Caecilius Metellus mit einem
stärkeren Heer auf dem Kampfplatz erschien und, unterstützt
durch eine pergamenische Flotte, in Makedonien eindrang.
Zwar behielten in dem ersten Reitergefecht die Makedonier die
Oberhand; allein bald traten Spaltungen und Desertionen im ma-
kedonischen Heer ein und der Fehler des Gegners sein Heer zu
theilen und die eine Hälfte nach Thessalien zu detachiren ver-
schaffte den Römern einen leichten und entscheidenden Sieg
(606). Der Prätendent flüchtete nach Thrakien zu den Häupt-
ling Byzes, wohin Metellus ihm folgte und nach einem zweiten
Sieg seine Auslieferung erlangte. — In Folge dieser Ereignisse
verloren die Makedonier auch den Schatten von Freiheit, der
nach der Schlacht von Pydna ihnen noch geblieben war. Die
vier Eidgenossenschaften verschwanden so rasch wie die entstan-
den waren, trotzdem daſs sie sich dem Prätendenten nicht frei-
willig unterworfen hatten, sondern einzig der Gewalt gewichen
waren. Ein ausreichender Grund die Gemeinden zu bestrafen
lag nach der bisher befolgten Politik nicht vor; man ging eben
in Rom über von dem Clientelsystem zu dem der Einverleibung,
weſshalb denn auch die Einziehung Makedoniens in dem ganzen
Kreise der Clientelstaaten als ein schwerer gegen alle gerichteter
Schlag empfunden ward. Das Reich Alexanders ward von Metel-
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