losophische Schriftstellerei hervorriefen. Mit Sicherheit als dieser Zeit angehörig sind nicht einmal lateinische Uebersetzungen po- pulärer philosophischer Compendien nachzuweisen; wer Philo- sophie trieb, las und disputirte griechisch.
In den Fachwissenschaften ist die Thätigkeit gering. So gut man auch in Rom verstand zu ackern und zu rechnen, so fand doch die physikalische und mathematische Forschung dort keinen Boden; der als mathematischer und astronomischer Schriftsteller genannte Gaius Sulpicius Gallus Consul 588 ist eine ganz vereinzelte Erscheinung. Die Folgen der vernachlässig- ten Theorie zeigen sich praktisch in dem niedrigen Stande der Arzneikunde und eines Theils der militärischen Wissenschaften. Unter allen Fachwissenschaften blüht nur die Jurisprudenz. Wir können ihre innerliche Entwicklung nicht chronologisch genau verfolgen; im Ganzen trat das Sacralrecht mehr und mehr zu- rück und stand am Ende dieser Periode ungefähr wie heut- zutage das kanonische; die feinere und tiefere Rechtsauffas- sung dagegen, welche an die Stelle der äusserlichen Kennzeichen die innerlich wirksamen Momente setzt, zum Beispiel die Ent- wickelung der Begriffe der absichtlichen und der fahrlässigen Verschuldung, des vorläufig schutzberechtigten Besitzes, war zur Zeit der Zwölftafeln noch nicht, wohl aber in der ciceronischen Zeit vorhanden und mag der gegenwärtigen Epoche ihre wesent- liche Ausbildung verdanken. Die Rückwirkung der politischen Verhältnisse auf die Rechtsentwickelung ist schon mehrfach an- gedeutet worden. Sie war nicht immer vortheilhaft, wie zum Beispiel durch die Einrichtung des Erbschaftsgerichtshofs der Hundertmänner (S. 342) auch in dem Vermögensrecht ein Ge- schwornencollegium auftrat, das gleich den Criminalbehörden statt das Gesetz einfach anzuwenden sich über dasselbe stellte und mit der sogenannten Billigkeit die rechtlichen Institutionen untergrub; wovon unter Anderm eine Folge war die unvernünftige Satzung, dass es jedem, den ein Verwandter im Testament über- gangen hat, freistehe auf Cassirung des Testaments vor dem Ge- richtshof anzutragen und dem Gericht nach Ermessen zu ent- scheiden. Bestimmter lässt die Entwickelung der juristischen Litteratur sich erkennen. Sie hatte bisher auf Formularien- sammlungen und Worterklärungen zu den Gesetzen sich be- schränkt; in dieser Periode bildete sich zunächst eine Gutachten- litteratur, die ungefähr unseren heutigen Präjudicatsammlungen entspricht. Die Gutachten, die längst nicht mehr bloss von Mit- gliedern des Pontificalcollegiums, sondern von jedem, der Befra-
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LITTERATUR UND KUNST.
losophische Schriftstellerei hervorriefen. Mit Sicherheit als dieser Zeit angehörig sind nicht einmal lateinische Uebersetzungen po- pulärer philosophischer Compendien nachzuweisen; wer Philo- sophie trieb, las und disputirte griechisch.
In den Fachwissenschaften ist die Thätigkeit gering. So gut man auch in Rom verstand zu ackern und zu rechnen, so fand doch die physikalische und mathematische Forschung dort keinen Boden; der als mathematischer und astronomischer Schriftsteller genannte Gaius Sulpicius Gallus Consul 588 ist eine ganz vereinzelte Erscheinung. Die Folgen der vernachlässig- ten Theorie zeigen sich praktisch in dem niedrigen Stande der Arzneikunde und eines Theils der militärischen Wissenschaften. Unter allen Fachwissenschaften blüht nur die Jurisprudenz. Wir können ihre innerliche Entwicklung nicht chronologisch genau verfolgen; im Ganzen trat das Sacralrecht mehr und mehr zu- rück und stand am Ende dieser Periode ungefähr wie heut- zutage das kanonische; die feinere und tiefere Rechtsauffas- sung dagegen, welche an die Stelle der äuſserlichen Kennzeichen die innerlich wirksamen Momente setzt, zum Beispiel die Ent- wickelung der Begriffe der absichtlichen und der fahrlässigen Verschuldung, des vorläufig schutzberechtigten Besitzes, war zur Zeit der Zwölftafeln noch nicht, wohl aber in der ciceronischen Zeit vorhanden und mag der gegenwärtigen Epoche ihre wesent- liche Ausbildung verdanken. Die Rückwirkung der politischen Verhältnisse auf die Rechtsentwickelung ist schon mehrfach an- gedeutet worden. Sie war nicht immer vortheilhaft, wie zum Beispiel durch die Einrichtung des Erbschaftsgerichtshofs der Hundertmänner (S. 342) auch in dem Vermögensrecht ein Ge- schwornencollegium auftrat, das gleich den Criminalbehörden statt das Gesetz einfach anzuwenden sich über dasselbe stellte und mit der sogenannten Billigkeit die rechtlichen Institutionen untergrub; wovon unter Anderm eine Folge war die unvernünftige Satzung, daſs es jedem, den ein Verwandter im Testament über- gangen hat, freistehe auf Cassirung des Testaments vor dem Ge- richtshof anzutragen und dem Gericht nach Ermessen zu ent- scheiden. Bestimmter läſst die Entwickelung der juristischen Litteratur sich erkennen. Sie hatte bisher auf Formularien- sammlungen und Worterklärungen zu den Gesetzen sich be- schränkt; in dieser Periode bildete sich zunächst eine Gutachten- litteratur, die ungefähr unseren heutigen Präjudicatsammlungen entspricht. Die Gutachten, die längst nicht mehr bloſs von Mit- gliedern des Pontificalcollegiums, sondern von jedem, der Befra-
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LITTERATUR UND KUNST.
losophische Schriftstellerei hervorriefen. Mit Sicherheit als dieser
Zeit angehörig sind nicht einmal lateinische Uebersetzungen po-
pulärer philosophischer Compendien nachzuweisen; wer Philo-
sophie trieb, las und disputirte griechisch.
In den Fachwissenschaften ist die Thätigkeit gering. So
gut man auch in Rom verstand zu ackern und zu rechnen, so
fand doch die physikalische und mathematische Forschung dort
keinen Boden; der als mathematischer und astronomischer
Schriftsteller genannte Gaius Sulpicius Gallus Consul 588 ist
eine ganz vereinzelte Erscheinung. Die Folgen der vernachlässig-
ten Theorie zeigen sich praktisch in dem niedrigen Stande der
Arzneikunde und eines Theils der militärischen Wissenschaften.
Unter allen Fachwissenschaften blüht nur die Jurisprudenz. Wir
können ihre innerliche Entwicklung nicht chronologisch genau
verfolgen; im Ganzen trat das Sacralrecht mehr und mehr zu-
rück und stand am Ende dieser Periode ungefähr wie heut-
zutage das kanonische; die feinere und tiefere Rechtsauffas-
sung dagegen, welche an die Stelle der äuſserlichen Kennzeichen
die innerlich wirksamen Momente setzt, zum Beispiel die Ent-
wickelung der Begriffe der absichtlichen und der fahrlässigen
Verschuldung, des vorläufig schutzberechtigten Besitzes, war zur
Zeit der Zwölftafeln noch nicht, wohl aber in der ciceronischen
Zeit vorhanden und mag der gegenwärtigen Epoche ihre wesent-
liche Ausbildung verdanken. Die Rückwirkung der politischen
Verhältnisse auf die Rechtsentwickelung ist schon mehrfach an-
gedeutet worden. Sie war nicht immer vortheilhaft, wie zum
Beispiel durch die Einrichtung des Erbschaftsgerichtshofs der
Hundertmänner (S. 342) auch in dem Vermögensrecht ein Ge-
schwornencollegium auftrat, das gleich den Criminalbehörden
statt das Gesetz einfach anzuwenden sich über dasselbe stellte
und mit der sogenannten Billigkeit die rechtlichen Institutionen
untergrub; wovon unter Anderm eine Folge war die unvernünftige
Satzung, daſs es jedem, den ein Verwandter im Testament über-
gangen hat, freistehe auf Cassirung des Testaments vor dem Ge-
richtshof anzutragen und dem Gericht nach Ermessen zu ent-
scheiden. Bestimmter läſst die Entwickelung der juristischen
Litteratur sich erkennen. Sie hatte bisher auf Formularien-
sammlungen und Worterklärungen zu den Gesetzen sich be-
schränkt; in dieser Periode bildete sich zunächst eine Gutachten-
litteratur, die ungefähr unseren heutigen Präjudicatsammlungen
entspricht. Die Gutachten, die längst nicht mehr bloſs von Mit-
gliedern des Pontificalcollegiums, sondern von jedem, der Befra-
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/445>, abgerufen am 23.11.2024.
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