Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN. schon litt, die Besatzung war noch hinreichend versorgt. Scipiozog desshalb von der Landzunge zwischen See und Golf in den letzteren hinein einen Steindamm von 96 Fuss Breite, um damit die Hafenmündung zu sperren. Die Stadt schien verloren, als das Gelingen dieses anfangs von den Karthagern als unausführ- bar verspotteten Unternehmens offenbar ward. Während die rö- mischen Arbeiter draussen damit beschäftigt waren, wurde im karthagischen Hafen zwei Monate lang Tag und Nacht gearbeitet, ohne dass selbst die Ueberläufer zu sagen wussten, was die Be- lagerten beabsichtigten. Plötzlich, als eben die Römer mit der Verbauung der Hafenmündung fertig waren, segelten aus dem- selben Hafen funfzig karthagische Dreidecker und eine Anzahl Böte und Kähne nach einer andern Seite hinaus in den Golf -- die Karthager hatten, während die Feinde die alte Hafenmündung gegen Süden sperrten, durch einen in östlicher Richtung gezoge- nen Kanal sich eine neue Hafenöffnung verschafft, welche bei der Tiefe des Meeres an der Ostseite unmöglich gesperrt werden konnte. Hätten die Karthager, statt mit dem Paradezug sich zu begnügen, auf die halb abgetakelte und völlig unvorbereitete rö- mische Flotte sofort sich entschlossen gestürzt, so war diese ver- loren; nun fanden sie, als sie am dritten Tage wiederkehrten um die Seeschlacht zu liefern, die Römer gerüstet. Der Kampf selbst verlief ohne Entscheidung; bei der Rückfahrt aber stopften sich die karthagischen Schiffe so sehr in und vor der Hafenmündung, dass der dadurch entstandene Schaden einer Niederlage gleichkam. Scipio richtete nun seine Angriffe auf den äussern Hafenquai, wel- cher ausserhalb der Stadtmauern lag und nur durch einen vor kur- zem angelegten Erdwall nothdürftig geschützt war. Die Maschi- nen wurden auf der Landzunge aufgestellt und eine Bresche war leicht gemacht; aber mit beispielloser Unerschrockenheit griffen die Karthager, die Untiefen durchwatend, das Belagerungszeug an, verjagten die Besatzungsmannschaft, welche so ins Laufen kam, dass Scipio seine eigenen Reiter auf sie einhauen lassen musste, und zerstörten die Maschinen, wodurch sie Zeit gewannen die Bre- sche zu schliessen. Scipio stellte indess die Maschinen wieder her und schoss die Holzthürme der Feinde in Brand, wodurch er den Quai und damit den Aussenhafen in seine Gewalt bekam. Ein der Stadtmauer an Höhe gleichkommender Wall wurde hier aufge- führt und es war jetzt endlich die Stadt von der Land- wie von der Seeseite vollständig abgesperrt, da man in den inneren Hafen nur durch den äusseren gelangte. Um die Blokade vollständig zu sichern, liess Scipio das Lager bei Nepheris, das jetzt Diogenes Röm. Gesch. II. 3
DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN. schon litt, die Besatzung war noch hinreichend versorgt. Scipiozog deſshalb von der Landzunge zwischen See und Golf in den letzteren hinein einen Steindamm von 96 Fuſs Breite, um damit die Hafenmündung zu sperren. Die Stadt schien verloren, als das Gelingen dieses anfangs von den Karthagern als unausführ- bar verspotteten Unternehmens offenbar ward. Während die rö- mischen Arbeiter drauſsen damit beschäftigt waren, wurde im karthagischen Hafen zwei Monate lang Tag und Nacht gearbeitet, ohne daſs selbst die Ueberläufer zu sagen wuſsten, was die Be- lagerten beabsichtigten. Plötzlich, als eben die Römer mit der Verbauung der Hafenmündung fertig waren, segelten aus dem- selben Hafen funfzig karthagische Dreidecker und eine Anzahl Böte und Kähne nach einer andern Seite hinaus in den Golf — die Karthager hatten, während die Feinde die alte Hafenmündung gegen Süden sperrten, durch einen in östlicher Richtung gezoge- nen Kanal sich eine neue Hafenöffnung verschafft, welche bei der Tiefe des Meeres an der Ostseite unmöglich gesperrt werden konnte. Hätten die Karthager, statt mit dem Paradezug sich zu begnügen, auf die halb abgetakelte und völlig unvorbereitete rö- mische Flotte sofort sich entschlossen gestürzt, so war diese ver- loren; nun fanden sie, als sie am dritten Tage wiederkehrten um die Seeschlacht zu liefern, die Römer gerüstet. Der Kampf selbst verlief ohne Entscheidung; bei der Rückfahrt aber stopften sich die karthagischen Schiffe so sehr in und vor der Hafenmündung, daſs der dadurch entstandene Schaden einer Niederlage gleichkam. Scipio richtete nun seine Angriffe auf den äuſsern Hafenquai, wel- cher auſserhalb der Stadtmauern lag und nur durch einen vor kur- zem angelegten Erdwall nothdürftig geschützt war. Die Maschi- nen wurden auf der Landzunge aufgestellt und eine Bresche war leicht gemacht; aber mit beispielloser Unerschrockenheit griffen die Karthager, die Untiefen durchwatend, das Belagerungszeug an, verjagten die Besatzungsmannschaft, welche so ins Laufen kam, daſs Scipio seine eigenen Reiter auf sie einhauen lassen muſste, und zerstörten die Maschinen, wodurch sie Zeit gewannen die Bre- sche zu schlieſsen. Scipio stellte indeſs die Maschinen wieder her und schoſs die Holzthürme der Feinde in Brand, wodurch er den Quai und damit den Auſsenhafen in seine Gewalt bekam. Ein der Stadtmauer an Höhe gleichkommender Wall wurde hier aufge- führt und es war jetzt endlich die Stadt von der Land- wie von der Seeseite vollständig abgesperrt, da man in den inneren Hafen nur durch den äuſseren gelangte. Um die Blokade vollständig zu sichern, lieſs Scipio das Lager bei Nepheris, das jetzt Diogenes Röm. Gesch. II. 3
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DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN.
schon litt, die Besatzung war noch hinreichend versorgt. Scipio
zog deſshalb von der Landzunge zwischen See und Golf in den
letzteren hinein einen Steindamm von 96 Fuſs Breite, um damit
die Hafenmündung zu sperren. Die Stadt schien verloren, als
das Gelingen dieses anfangs von den Karthagern als unausführ-
bar verspotteten Unternehmens offenbar ward. Während die rö-
mischen Arbeiter drauſsen damit beschäftigt waren, wurde im
karthagischen Hafen zwei Monate lang Tag und Nacht gearbeitet,
ohne daſs selbst die Ueberläufer zu sagen wuſsten, was die Be-
lagerten beabsichtigten. Plötzlich, als eben die Römer mit der
Verbauung der Hafenmündung fertig waren, segelten aus dem-
selben Hafen funfzig karthagische Dreidecker und eine Anzahl
Böte und Kähne nach einer andern Seite hinaus in den Golf —
die Karthager hatten, während die Feinde die alte Hafenmündung
gegen Süden sperrten, durch einen in östlicher Richtung gezoge-
nen Kanal sich eine neue Hafenöffnung verschafft, welche bei der
Tiefe des Meeres an der Ostseite unmöglich gesperrt werden
konnte. Hätten die Karthager, statt mit dem Paradezug sich zu
begnügen, auf die halb abgetakelte und völlig unvorbereitete rö-
mische Flotte sofort sich entschlossen gestürzt, so war diese ver-
loren; nun fanden sie, als sie am dritten Tage wiederkehrten um
die Seeschlacht zu liefern, die Römer gerüstet. Der Kampf selbst
verlief ohne Entscheidung; bei der Rückfahrt aber stopften sich die
karthagischen Schiffe so sehr in und vor der Hafenmündung, daſs
der dadurch entstandene Schaden einer Niederlage gleichkam.
Scipio richtete nun seine Angriffe auf den äuſsern Hafenquai, wel-
cher auſserhalb der Stadtmauern lag und nur durch einen vor kur-
zem angelegten Erdwall nothdürftig geschützt war. Die Maschi-
nen wurden auf der Landzunge aufgestellt und eine Bresche war
leicht gemacht; aber mit beispielloser Unerschrockenheit griffen
die Karthager, die Untiefen durchwatend, das Belagerungszeug an,
verjagten die Besatzungsmannschaft, welche so ins Laufen kam,
daſs Scipio seine eigenen Reiter auf sie einhauen lassen muſste,
und zerstörten die Maschinen, wodurch sie Zeit gewannen die Bre-
sche zu schlieſsen. Scipio stellte indeſs die Maschinen wieder her
und schoſs die Holzthürme der Feinde in Brand, wodurch er den
Quai und damit den Auſsenhafen in seine Gewalt bekam. Ein der
Stadtmauer an Höhe gleichkommender Wall wurde hier aufge-
führt und es war jetzt endlich die Stadt von der Land- wie von
der Seeseite vollständig abgesperrt, da man in den inneren Hafen
nur durch den äuſseren gelangte. Um die Blokade vollständig zu
sichern, lieſs Scipio das Lager bei Nepheris, das jetzt Diogenes
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