Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

VIERTES BUCH. KAPITEL XI.
gerkrieges und der grossen finanziellen Krise scheint man der
Plattirung sich so über die Gebühr bedient zu haben, dass zu der
Finanzkrise eine Münzkrise sich gesellte und die Masse der fal-
schen und factisch entwertheten Stücke den Verkehr höchst un-
sicher machten. Desshalb wurde während des cinnanischen Re-
giments von den Prätoren und Tribunen, zunächst von Marcus
Marius Gratidianus (S. 327) beschlossen das sämmtliche Zei-
chengeld aufzurufen und durch Silbergeld einlösen zu lassen und
zu dem Ende ein Probirbureau einzurichten. In wie weit die
Aufrufung durchgeführt ward, ist nicht überliefert; die Sitte selbst
blieb bestehen. -- Was die Provinzen anlangt, so ward in Gemäss-
heit der grundsätzlichen Beseitigung der Goldmünze die Goldprä-
gung nirgends, auch in den Clientelstaaten nicht gestattet; so dass
die Goldprägung in dieser Zeit nur vorkommt, wo Rom gar nichts
zu sagen hatte, wie namentlich bei den Kelten nordwärts von den
Cevennen. Die Silberprägung dagegen ward den Provinzialen
in der bisherigen Weise gelassen: die kleinasiatischen Freistädte
schlugen auch ferner die pergamenischen Cistophoren, Rhodos
und Massalia ihre Drachmen, Makedonien seine attischen Tetra-
drachmen, und selbst wenn, wie in Makedonien, die römischen
Beamten bei der Prägung sich betheiligten, so geschah darum
diese nicht weniger nach dem landüblichen Münzfuss. Doch fing
auch hier das römische Silbergeld an sich Eingang zu verschaffen.
Zwar in den Osten, wo die Zahl der seit alter Zeit münzenden
Staaten und die Masse der Landesmünze sehr ansehnlich war,
drang der Denar nicht ein; nur an der seit langem mit Italien in
lebhaftem Verkehr stehenden dalmatisch-illyrischen Küste und
auf der von dort in das goldreiche Dacien führenden Strasse, im
Banat und Siebenbürgen, begegnen Denarfunde älterer Vergra-
bung, dagegen nicht in den westlich und östlich angrenzenden
Landschaften. Anders war es im Westen. In Sicilien hatte die
Prägung in edlen Metallen mit kaum nennenswerthen Ausnah-
men mit der Einziehung des syrakusanischen Reiches im J. 542
aufgehört: spätestens in dieser Epoche muss daselbst die Landes-
münze aufgerufen und durch die römische ersetzt worden sein,
da im Beginn der nächsten nachweislich die letztere das einzige
in Sicilien geltende Courant ist. Aehnlich mag die römische
Münze in Sardinien und Africa früh alleinige Geltung erlangt
haben, um so mehr als in Folge des karthagischen Zeichengeld-
systems es hier kaum eine Landesmünze gab; doch lässt bis jetzt
sich die Epoche der Einführung des römischen Courants hier
noch nicht fixiren. In Spanien hatte der römische Denar theils

VIERTES BUCH. KAPITEL XI.
gerkrieges und der groſsen finanziellen Krise scheint man der
Plattirung sich so über die Gebühr bedient zu haben, daſs zu der
Finanzkrise eine Münzkrise sich gesellte und die Masse der fal-
schen und factisch entwertheten Stücke den Verkehr höchst un-
sicher machten. Deſshalb wurde während des cinnanischen Re-
giments von den Prätoren und Tribunen, zunächst von Marcus
Marius Gratidianus (S. 327) beschlossen das sämmtliche Zei-
chengeld aufzurufen und durch Silbergeld einlösen zu lassen und
zu dem Ende ein Probirbureau einzurichten. In wie weit die
Aufrufung durchgeführt ward, ist nicht überliefert; die Sitte selbst
blieb bestehen. — Was die Provinzen anlangt, so ward in Gemäſs-
heit der grundsätzlichen Beseitigung der Goldmünze die Goldprä-
gung nirgends, auch in den Clientelstaaten nicht gestattet; so daſs
die Goldprägung in dieser Zeit nur vorkommt, wo Rom gar nichts
zu sagen hatte, wie namentlich bei den Kelten nordwärts von den
Cevennen. Die Silberprägung dagegen ward den Provinzialen
in der bisherigen Weise gelassen: die kleinasiatischen Freistädte
schlugen auch ferner die pergamenischen Cistophoren, Rhodos
und Massalia ihre Drachmen, Makedonien seine attischen Tetra-
drachmen, und selbst wenn, wie in Makedonien, die römischen
Beamten bei der Prägung sich betheiligten, so geschah darum
diese nicht weniger nach dem landüblichen Münzfuſs. Doch fing
auch hier das römische Silbergeld an sich Eingang zu verschaffen.
Zwar in den Osten, wo die Zahl der seit alter Zeit münzenden
Staaten und die Masse der Landesmünze sehr ansehnlich war,
drang der Denar nicht ein; nur an der seit langem mit Italien in
lebhaftem Verkehr stehenden dalmatisch-illyrischen Küste und
auf der von dort in das goldreiche Dacien führenden Straſse, im
Banat und Siebenbürgen, begegnen Denarfunde älterer Vergra-
bung, dagegen nicht in den westlich und östlich angrenzenden
Landschaften. Anders war es im Westen. In Sicilien hatte die
Prägung in edlen Metallen mit kaum nennenswerthen Ausnah-
men mit der Einziehung des syrakusanischen Reiches im J. 542
aufgehört: spätestens in dieser Epoche muſs daselbst die Landes-
münze aufgerufen und durch die römische ersetzt worden sein,
da im Beginn der nächsten nachweislich die letztere das einzige
in Sicilien geltende Courant ist. Aehnlich mag die römische
Münze in Sardinien und Africa früh alleinige Geltung erlangt
haben, um so mehr als in Folge des karthagischen Zeichengeld-
systems es hier kaum eine Landesmünze gab; doch läſst bis jetzt
sich die Epoche der Einführung des römischen Courants hier
noch nicht fixiren. In Spanien hatte der römische Denar theils

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0390" n="380"/><fw place="top" type="header">VIERTES BUCH. KAPITEL XI.</fw><lb/>
gerkrieges und der gro&#x017F;sen finanziellen Krise scheint man der<lb/>
Plattirung sich so über die Gebühr bedient zu haben, da&#x017F;s zu der<lb/>
Finanzkrise eine Münzkrise sich gesellte und die Masse der fal-<lb/>
schen und factisch entwertheten Stücke den Verkehr höchst un-<lb/>
sicher machten. De&#x017F;shalb wurde während des cinnanischen Re-<lb/>
giments von den Prätoren und Tribunen, zunächst von Marcus<lb/>
Marius Gratidianus (S. 327) beschlossen das sämmtliche Zei-<lb/>
chengeld aufzurufen und durch Silbergeld einlösen zu lassen und<lb/>
zu dem Ende ein Probirbureau einzurichten. In wie weit die<lb/>
Aufrufung durchgeführt ward, ist nicht überliefert; die Sitte selbst<lb/>
blieb bestehen. &#x2014; Was die Provinzen anlangt, so ward in Gemä&#x017F;s-<lb/>
heit der grundsätzlichen Beseitigung der Goldmünze die Goldprä-<lb/>
gung nirgends, auch in den Clientelstaaten nicht gestattet; so da&#x017F;s<lb/>
die Goldprägung in dieser Zeit nur vorkommt, wo Rom gar nichts<lb/>
zu sagen hatte, wie namentlich bei den Kelten nordwärts von den<lb/>
Cevennen. Die Silberprägung dagegen ward den Provinzialen<lb/>
in der bisherigen Weise gelassen: die kleinasiatischen Freistädte<lb/>
schlugen auch ferner die pergamenischen Cistophoren, Rhodos<lb/>
und Massalia ihre Drachmen, Makedonien seine attischen Tetra-<lb/>
drachmen, und selbst wenn, wie in Makedonien, die römischen<lb/>
Beamten bei der Prägung sich betheiligten, so geschah darum<lb/>
diese nicht weniger nach dem landüblichen Münzfu&#x017F;s. Doch fing<lb/>
auch hier das römische Silbergeld an sich Eingang zu verschaffen.<lb/>
Zwar in den Osten, wo die Zahl der seit alter Zeit münzenden<lb/>
Staaten und die Masse der Landesmünze sehr ansehnlich war,<lb/>
drang der Denar nicht ein; nur an der seit langem mit Italien in<lb/>
lebhaftem Verkehr stehenden dalmatisch-illyrischen Küste und<lb/>
auf der von dort in das goldreiche Dacien führenden Stra&#x017F;se, im<lb/>
Banat und Siebenbürgen, begegnen Denarfunde älterer Vergra-<lb/>
bung, dagegen nicht in den westlich und östlich angrenzenden<lb/>
Landschaften. Anders war es im Westen. In Sicilien hatte die<lb/>
Prägung in edlen Metallen mit kaum nennenswerthen Ausnah-<lb/>
men mit der Einziehung des syrakusanischen Reiches im J. 542<lb/>
aufgehört: spätestens in dieser Epoche mu&#x017F;s daselbst die Landes-<lb/>
münze aufgerufen und durch die römische ersetzt worden sein,<lb/>
da im Beginn der nächsten nachweislich die letztere das einzige<lb/>
in Sicilien geltende Courant ist. Aehnlich mag die römische<lb/>
Münze in Sardinien und Africa früh alleinige Geltung erlangt<lb/>
haben, um so mehr als in Folge des karthagischen Zeichengeld-<lb/>
systems es hier kaum eine Landesmünze gab; doch lä&#x017F;st bis jetzt<lb/>
sich die Epoche der Einführung des römischen Courants hier<lb/>
noch nicht fixiren. In Spanien hatte der römische Denar theils<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[380/0390] VIERTES BUCH. KAPITEL XI. gerkrieges und der groſsen finanziellen Krise scheint man der Plattirung sich so über die Gebühr bedient zu haben, daſs zu der Finanzkrise eine Münzkrise sich gesellte und die Masse der fal- schen und factisch entwertheten Stücke den Verkehr höchst un- sicher machten. Deſshalb wurde während des cinnanischen Re- giments von den Prätoren und Tribunen, zunächst von Marcus Marius Gratidianus (S. 327) beschlossen das sämmtliche Zei- chengeld aufzurufen und durch Silbergeld einlösen zu lassen und zu dem Ende ein Probirbureau einzurichten. In wie weit die Aufrufung durchgeführt ward, ist nicht überliefert; die Sitte selbst blieb bestehen. — Was die Provinzen anlangt, so ward in Gemäſs- heit der grundsätzlichen Beseitigung der Goldmünze die Goldprä- gung nirgends, auch in den Clientelstaaten nicht gestattet; so daſs die Goldprägung in dieser Zeit nur vorkommt, wo Rom gar nichts zu sagen hatte, wie namentlich bei den Kelten nordwärts von den Cevennen. Die Silberprägung dagegen ward den Provinzialen in der bisherigen Weise gelassen: die kleinasiatischen Freistädte schlugen auch ferner die pergamenischen Cistophoren, Rhodos und Massalia ihre Drachmen, Makedonien seine attischen Tetra- drachmen, und selbst wenn, wie in Makedonien, die römischen Beamten bei der Prägung sich betheiligten, so geschah darum diese nicht weniger nach dem landüblichen Münzfuſs. Doch fing auch hier das römische Silbergeld an sich Eingang zu verschaffen. Zwar in den Osten, wo die Zahl der seit alter Zeit münzenden Staaten und die Masse der Landesmünze sehr ansehnlich war, drang der Denar nicht ein; nur an der seit langem mit Italien in lebhaftem Verkehr stehenden dalmatisch-illyrischen Küste und auf der von dort in das goldreiche Dacien führenden Straſse, im Banat und Siebenbürgen, begegnen Denarfunde älterer Vergra- bung, dagegen nicht in den westlich und östlich angrenzenden Landschaften. Anders war es im Westen. In Sicilien hatte die Prägung in edlen Metallen mit kaum nennenswerthen Ausnah- men mit der Einziehung des syrakusanischen Reiches im J. 542 aufgehört: spätestens in dieser Epoche muſs daselbst die Landes- münze aufgerufen und durch die römische ersetzt worden sein, da im Beginn der nächsten nachweislich die letztere das einzige in Sicilien geltende Courant ist. Aehnlich mag die römische Münze in Sardinien und Africa früh alleinige Geltung erlangt haben, um so mehr als in Folge des karthagischen Zeichengeld- systems es hier kaum eine Landesmünze gab; doch läſst bis jetzt sich die Epoche der Einführung des römischen Courants hier noch nicht fixiren. In Spanien hatte der römische Denar theils

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/390
Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/390>, abgerufen am 26.11.2024.