Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.DAS GEMEINWESEN UND SEINE OEKONOMIE. in den nichtitalischen Meeren und die Anlage- und Unterhal-tungskosten der nichtitalischen Militärstrassen, auf die städtischen Budgets abgewälzt wurden. Ja sogar für den Militärdienst selbst fing man an die Zuzüge der Clientelstaaten wie die Contingente der Unterthanen nicht bloss innerhalb ihrer Provinz aufzubieten, was zu allen Zeiten geschehen war, sondern Thraker in Africa, Africaner in Italien und so weiter alle an jedem beliebigen Ort zu verwenden, wovon die Kosten natürlich mehr oder minder auf die Heimathgemeinden fielen (S. 184). Endlich ist das grosse Kapitel des Unrechts nicht zu vergessen, durch das die römischen Beamten und Steuerpächter in der mannigfaltigsten Weise die Steuerlast der Provinzen erschwerten. Die Einquartierung der Truppen; die freie Wohnung der Beamten und des Schwarmes von Adjutanten senatorischen oder Ritterranges, von Schrei- bern, Gerichtsdienern, Herolden, Aerzten und Pfaffen; das den Staatsboten zukommende Recht unentgeltlicher Beförderung; die Approbirung und der Transport der schuldigen Naturallieferun- gen; vor allem die Zwangsverkäufe und die Requisitionen gaben den Beamten Anlass genug aus den Provinzen fürstliche Vermö- gen heimzubringen; und das Stehlen ward immer allgemeiner, je mehr die Controle der Regierung als null und die der Capitalisten- gerichte sogar als allein für den ehrlichen Beamten gefährlich sich erwies. Die durch die Häufigkeit der Klagen wegen Beamten- erpressung in den Provinzen veranlasste Einrichtung einer ste- henden Commission für dergleichen Fälle im J. 605 (S. 77) und die rasch sich folgenden und die Strafe stets steigernden Erpres- sungsgesetze zeigen, wie die Fluthmesser den Wasserstand, die immer wachsende Höhe des Uebels. -- Unter all diesen Verhält- nissen konnte selbst eine nominell sehr mässige Besteuerung ef- fectiv äusserst drückend werden. Uebrigens bleibt es dennoch sehr zweifelhaft, ob nicht der ökonomische Druck, den die itali- schen Kaufleute und Banquiers auf die Provinzen übten, weit schwerer auf denselben lastete als die Besteuerung mit allen daran hängenden Missbräuchen. Wie glänzend in den ersten Decennien dieser Epoche der Röm. Gesch. II. 24
DAS GEMEINWESEN UND SEINE OEKONOMIE. in den nichtitalischen Meeren und die Anlage- und Unterhal-tungskosten der nichtitalischen Militärstraſsen, auf die städtischen Budgets abgewälzt wurden. Ja sogar für den Militärdienst selbst fing man an die Zuzüge der Clientelstaaten wie die Contingente der Unterthanen nicht bloſs innerhalb ihrer Provinz aufzubieten, was zu allen Zeiten geschehen war, sondern Thraker in Africa, Africaner in Italien und so weiter alle an jedem beliebigen Ort zu verwenden, wovon die Kosten natürlich mehr oder minder auf die Heimathgemeinden fielen (S. 184). Endlich ist das groſse Kapitel des Unrechts nicht zu vergessen, durch das die römischen Beamten und Steuerpächter in der mannigfaltigsten Weise die Steuerlast der Provinzen erschwerten. Die Einquartierung der Truppen; die freie Wohnung der Beamten und des Schwarmes von Adjutanten senatorischen oder Ritterranges, von Schrei- bern, Gerichtsdienern, Herolden, Aerzten und Pfaffen; das den Staatsboten zukommende Recht unentgeltlicher Beförderung; die Approbirung und der Transport der schuldigen Naturallieferun- gen; vor allem die Zwangsverkäufe und die Requisitionen gaben den Beamten Anlaſs genug aus den Provinzen fürstliche Vermö- gen heimzubringen; und das Stehlen ward immer allgemeiner, je mehr die Controle der Regierung als null und die der Capitalisten- gerichte sogar als allein für den ehrlichen Beamten gefährlich sich erwies. Die durch die Häufigkeit der Klagen wegen Beamten- erpressung in den Provinzen veranlaſste Einrichtung einer ste- henden Commission für dergleichen Fälle im J. 605 (S. 77) und die rasch sich folgenden und die Strafe stets steigernden Erpres- sungsgesetze zeigen, wie die Fluthmesser den Wasserstand, die immer wachsende Höhe des Uebels. — Unter all diesen Verhält- nissen konnte selbst eine nominell sehr mäſsige Besteuerung ef- fectiv äuſserst drückend werden. Uebrigens bleibt es dennoch sehr zweifelhaft, ob nicht der ökonomische Druck, den die itali- schen Kaufleute und Banquiers auf die Provinzen übten, weit schwerer auf denselben lastete als die Besteuerung mit allen daran hängenden Miſsbräuchen. Wie glänzend in den ersten Decennien dieser Epoche der Röm. Gesch. II. 24
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DAS GEMEINWESEN UND SEINE OEKONOMIE.
in den nichtitalischen Meeren und die Anlage- und Unterhal-
tungskosten der nichtitalischen Militärstraſsen, auf die städtischen
Budgets abgewälzt wurden. Ja sogar für den Militärdienst selbst
fing man an die Zuzüge der Clientelstaaten wie die Contingente
der Unterthanen nicht bloſs innerhalb ihrer Provinz aufzubieten,
was zu allen Zeiten geschehen war, sondern Thraker in Africa,
Africaner in Italien und so weiter alle an jedem beliebigen Ort zu
verwenden, wovon die Kosten natürlich mehr oder minder auf
die Heimathgemeinden fielen (S. 184). Endlich ist das groſse
Kapitel des Unrechts nicht zu vergessen, durch das die römischen
Beamten und Steuerpächter in der mannigfaltigsten Weise die
Steuerlast der Provinzen erschwerten. Die Einquartierung der
Truppen; die freie Wohnung der Beamten und des Schwarmes
von Adjutanten senatorischen oder Ritterranges, von Schrei-
bern, Gerichtsdienern, Herolden, Aerzten und Pfaffen; das den
Staatsboten zukommende Recht unentgeltlicher Beförderung; die
Approbirung und der Transport der schuldigen Naturallieferun-
gen; vor allem die Zwangsverkäufe und die Requisitionen gaben
den Beamten Anlaſs genug aus den Provinzen fürstliche Vermö-
gen heimzubringen; und das Stehlen ward immer allgemeiner, je
mehr die Controle der Regierung als null und die der Capitalisten-
gerichte sogar als allein für den ehrlichen Beamten gefährlich sich
erwies. Die durch die Häufigkeit der Klagen wegen Beamten-
erpressung in den Provinzen veranlaſste Einrichtung einer ste-
henden Commission für dergleichen Fälle im J. 605 (S. 77) und
die rasch sich folgenden und die Strafe stets steigernden Erpres-
sungsgesetze zeigen, wie die Fluthmesser den Wasserstand, die
immer wachsende Höhe des Uebels. — Unter all diesen Verhält-
nissen konnte selbst eine nominell sehr mäſsige Besteuerung ef-
fectiv äuſserst drückend werden. Uebrigens bleibt es dennoch
sehr zweifelhaft, ob nicht der ökonomische Druck, den die itali-
schen Kaufleute und Banquiers auf die Provinzen übten, weit
schwerer auf denselben lastete als die Besteuerung mit allen
daran hängenden Miſsbräuchen.
Wie glänzend in den ersten Decennien dieser Epoche der
Stand der römischen Finanzen war, zeigen am deutlichsten die
in gröſstem Umfang betriebenen öffentlichen Bauten, vor allem
die zu keiner Zeit so energisch geförderten Chausseeanlagen. In
Italien schloſs sich an die groſse vermuthlich schon ältere Süd-
chaussee, die als Verlängerung der appischen von Rom über Ca-
pua, Beneventum, Venusia nach den Häfen von Tarent und Brun-
disium lief, eine Seitenstraſse an von Capua bis zur sicilischen
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