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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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VIERTES BUCH. KAPITEL X.
allem ein persönlicher Conflict zwischen den beiden Generalen
war, endigte mit Marius Aechtung und Flucht. Fast ohne es zu
wollen war Sulla der berühmteste Feldherr seiner Zeit, der Hort
der Oligarchie geworden. Es folgten neue und furchtbarere Kri-
sen, der mithradatische Krieg, die cinnanische Revolution: Sul-
las Stern blieb immer im Steigen. Wie der Capitain, der das
brennende Schiff nicht löscht, sondern fortfährt auf den Feind
zu feuern, harrte Sulla, während die Revolution in Italien tobte,
in Asien unerschüttert aus, bis der Landesfeind bezwungen war.
Mit diesem fertig zerschmetterte er die Anarchie und rettete die
Hauptstadt vor der Brandfackel der verzweifelnden Samniten und
Revolutionäre. Der Moment der Heimkehr war für Sulla ein
überwältigender in Freude und in Schmerz; Sulla selbst erzählt
in seinen Memoiren, dass er die erste Nacht in Rom kein Auge
habe zuthun können und wohl mag man es glauben. Aber im-
mer noch war seine Aufgabe nicht zu Ende, sein Stern in wei-
terem Steigen. Absoluter Selbstherrscher wie nur je ein König
und doch stets eingedenk den Boden des formellen Rechts nicht
zu verlassen, zügelte er die ultrareactionäre Partei, vernichtete
die seit vierzig Jahren die Oligarchie einengende gracchische Ver-
fassung und zwang die der Oligarchie Concurrenz machenden
Mächte der Capitalisten und des hauptstädtischen Proletariats und
endlich den im Schosse seines eigenen Stabes erwachsenen Ueber-
muth des Säbels wieder unter das neu befestigte Gesetz. Selbst-
ständiger als je stellte er die Oligarchie hin, legte die Beamten-
macht als dienendes Werkzeug in ihre Hände, verlieh ihr die
Gesetzgebung, die Gerichte, die militärische und finanzielle Ober-
gewalt und gab ihr eine Art Leibwache in den befreiten Sclaven,
eine Art Heer in den angesiedelten Militärcolonisten. Endlich als
das Werk vollendet war, trat der Schöpfer zurück vor seiner
Schöpfung; freiwillig ward der absolute Selbstherrscher wieder
einfacher Senator. In dieser ganzen langen militärischen und po-
litischen Bahn hat Sulla nie eine Schlacht verloren, nie einen
Schritt zurückthun müssen und ungeirrt von Feinden und Freun-
den sein Werk geführt bis an das selbstgesteckte Ziel. Wohl
hatte er Ursache seinen Stern zu preisen. Die launenhafte Göt-
tin des Glücks schien hier einmal die Laune der Beständigkeit
angewandelt zu haben und darin sich zu gefallen auf ihren Lieb-
ling an Erfolgen und an Ehren zn häufen, was er begehrte und
nicht begehrte. Aber die Geschichte wird gerechter gegen ihn sein
müssen als er es gegen sich selber war und ihn in eine höhere
Reihe stellen als in die der blossen Favoriten der Fortuna. Nie

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allem ein persönlicher Conflict zwischen den beiden Generalen
war, endigte mit Marius Aechtung und Flucht. Fast ohne es zu
wollen war Sulla der berühmteste Feldherr seiner Zeit, der Hort
der Oligarchie geworden. Es folgten neue und furchtbarere Kri-
sen, der mithradatische Krieg, die cinnanische Revolution: Sul-
las Stern blieb immer im Steigen. Wie der Capitain, der das
brennende Schiff nicht löscht, sondern fortfährt auf den Feind
zu feuern, harrte Sulla, während die Revolution in Italien tobte,
in Asien unerschüttert aus, bis der Landesfeind bezwungen war.
Mit diesem fertig zerschmetterte er die Anarchie und rettete die
Hauptstadt vor der Brandfackel der verzweifelnden Samniten und
Revolutionäre. Der Moment der Heimkehr war für Sulla ein
überwältigender in Freude und in Schmerz; Sulla selbst erzählt
in seinen Memoiren, daſs er die erste Nacht in Rom kein Auge
habe zuthun können und wohl mag man es glauben. Aber im-
mer noch war seine Aufgabe nicht zu Ende, sein Stern in wei-
terem Steigen. Absoluter Selbstherrscher wie nur je ein König
und doch stets eingedenk den Boden des formellen Rechts nicht
zu verlassen, zügelte er die ultrareactionäre Partei, vernichtete
die seit vierzig Jahren die Oligarchie einengende gracchische Ver-
fassung und zwang die der Oligarchie Concurrenz machenden
Mächte der Capitalisten und des hauptstädtischen Proletariats und
endlich den im Schoſse seines eigenen Stabes erwachsenen Ueber-
muth des Säbels wieder unter das neu befestigte Gesetz. Selbst-
ständiger als je stellte er die Oligarchie hin, legte die Beamten-
macht als dienendes Werkzeug in ihre Hände, verlieh ihr die
Gesetzgebung, die Gerichte, die militärische und finanzielle Ober-
gewalt und gab ihr eine Art Leibwache in den befreiten Sclaven,
eine Art Heer in den angesiedelten Militärcolonisten. Endlich als
das Werk vollendet war, trat der Schöpfer zurück vor seiner
Schöpfung; freiwillig ward der absolute Selbstherrscher wieder
einfacher Senator. In dieser ganzen langen militärischen und po-
litischen Bahn hat Sulla nie eine Schlacht verloren, nie einen
Schritt zurückthun müssen und ungeirrt von Feinden und Freun-
den sein Werk geführt bis an das selbstgesteckte Ziel. Wohl
hatte er Ursache seinen Stern zu preisen. Die launenhafte Göt-
tin des Glücks schien hier einmal die Laune der Beständigkeit
angewandelt zu haben und darin sich zu gefallen auf ihren Lieb-
ling an Erfolgen und an Ehren zn häufen, was er begehrte und
nicht begehrte. Aber die Geschichte wird gerechter gegen ihn sein
müssen als er es gegen sich selber war und ihn in eine höhere
Reihe stellen als in die der bloſsen Favoriten der Fortuna. Nie

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[354/0364] VIERTES BUCH. KAPITEL X. allem ein persönlicher Conflict zwischen den beiden Generalen war, endigte mit Marius Aechtung und Flucht. Fast ohne es zu wollen war Sulla der berühmteste Feldherr seiner Zeit, der Hort der Oligarchie geworden. Es folgten neue und furchtbarere Kri- sen, der mithradatische Krieg, die cinnanische Revolution: Sul- las Stern blieb immer im Steigen. Wie der Capitain, der das brennende Schiff nicht löscht, sondern fortfährt auf den Feind zu feuern, harrte Sulla, während die Revolution in Italien tobte, in Asien unerschüttert aus, bis der Landesfeind bezwungen war. Mit diesem fertig zerschmetterte er die Anarchie und rettete die Hauptstadt vor der Brandfackel der verzweifelnden Samniten und Revolutionäre. Der Moment der Heimkehr war für Sulla ein überwältigender in Freude und in Schmerz; Sulla selbst erzählt in seinen Memoiren, daſs er die erste Nacht in Rom kein Auge habe zuthun können und wohl mag man es glauben. Aber im- mer noch war seine Aufgabe nicht zu Ende, sein Stern in wei- terem Steigen. Absoluter Selbstherrscher wie nur je ein König und doch stets eingedenk den Boden des formellen Rechts nicht zu verlassen, zügelte er die ultrareactionäre Partei, vernichtete die seit vierzig Jahren die Oligarchie einengende gracchische Ver- fassung und zwang die der Oligarchie Concurrenz machenden Mächte der Capitalisten und des hauptstädtischen Proletariats und endlich den im Schoſse seines eigenen Stabes erwachsenen Ueber- muth des Säbels wieder unter das neu befestigte Gesetz. Selbst- ständiger als je stellte er die Oligarchie hin, legte die Beamten- macht als dienendes Werkzeug in ihre Hände, verlieh ihr die Gesetzgebung, die Gerichte, die militärische und finanzielle Ober- gewalt und gab ihr eine Art Leibwache in den befreiten Sclaven, eine Art Heer in den angesiedelten Militärcolonisten. Endlich als das Werk vollendet war, trat der Schöpfer zurück vor seiner Schöpfung; freiwillig ward der absolute Selbstherrscher wieder einfacher Senator. In dieser ganzen langen militärischen und po- litischen Bahn hat Sulla nie eine Schlacht verloren, nie einen Schritt zurückthun müssen und ungeirrt von Feinden und Freun- den sein Werk geführt bis an das selbstgesteckte Ziel. Wohl hatte er Ursache seinen Stern zu preisen. Die launenhafte Göt- tin des Glücks schien hier einmal die Laune der Beständigkeit angewandelt zu haben und darin sich zu gefallen auf ihren Lieb- ling an Erfolgen und an Ehren zn häufen, was er begehrte und nicht begehrte. Aber die Geschichte wird gerechter gegen ihn sein müssen als er es gegen sich selber war und ihn in eine höhere Reihe stellen als in die der bloſsen Favoriten der Fortuna. Nie

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/364>, abgerufen am 28.11.2024.