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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DIE SULLANISCHE VERFASSUNG.
Register als das Ziel seines Lebens zu betrachten; zu gleich-
gültig und zu wenig Ideolog um sich mit der Reform des mor-
schen Staatsgebäudes befassen zu mögen. Er blieb, wo Geburt
und Bildung ihn hinwiesen, in dem Kreis der vornehmen Gesell-
schaft und machte wie üblich die Aemtercarriere durch; Ursache
sich anzustrengen hatte er nicht und überliess dies den politi-
schen Arbeitsbienen, an denen es nicht fehlte. So führte ihn im
J. 647 bei der Verloosung der Quästorstellen der Zufall nach
Africa in das Hauptquartier des Gaius Marius. Der unversuchte
hauptstädtische Elegant ward von dem rauhen bäurischen Feld-
herrn und seinem erprobten Stab nicht zum besten empfangen.
Durch diese Aufnahme gereizt machte Sulla, furchtlos und anstellig
wie er war, im Fluge das Waffenhandwerk sich zu eigen und ent-
wickelte auf dem verwegenen Zug nach Mauretanien zuerst jene
eigenthümliche Verbindung von Keckheit und Verschmitztheit,
wegen deren seine Zeitgenossen von ihm sagten, dass er halb
Löwe, halb Fuchs und der Fuchs in ihm gefährlicher als der Löwe
sei. Dem jungen hochgebornen brillanten Offizier, der anerkann-
termassen der eigentliche Beendiger des lästigen numidischen
Krieges war, öffnete jetzt sich die glänzendste Laufbahn; er nahm
auch Theil am kimbrischen Krieg und entwickelte dabei in der
Leitung des schwierigen Verpflegungsgeschäftes sein ungemeines
Organisationstalent; aber nichts desto weniger zogen ihn auch
jetzt die Freuden des hauptstädtischen Lebens weit mehr an als
Krieg oder gar Politik. In der Prätur, welches Amt er, nach-
dem er einmal sich vergeblich beworben hatte, im J. 661 über-
nahm, fügte es sich abermals, dass ihm in seiner Provinz, der
unbedeutendsten von allen, der erste Sieg über König Mithradates
und der erste Vertrag mit den mächtigen Arsakiden so wie deren
erste Demüthigung gelang. Der Bürgerkrieg folgte. Sulla war es
wesentlich, der den ersten Act desselben, die italische Insurrec-
tion, zu Roms Gunsten entschied und dabei mit dem Degen
das Consulat sich gewann; er war es ferner, der als Consul
den sulpicischen Aufstand mit energischer Raschheit zu Boden
schlug. Das Glück schien sich ein Geschäft daraus zu machen
den alten Helden Marius durch diesen jüngeren Offizier zu ver-
dunkeln. Die Gefangennehmung Jugurthas, die Besiegung Mi-
thradats, die beide Marius vergeblich erstrebt hatte, wurden in
untergeordneter Rolle von Sulla vollführt; im Bundesgenossen-
krieg, in dem Marius seinen Feldherrnruhm einbüsste und abge-
setzt ward, gründete Sulla seinen militärischen Ruf und stieg em-
por zum Consulat; die Revolution von 666, die zugleich und vor

Röm. Gesch. II. 23

DIE SULLANISCHE VERFASSUNG.
Register als das Ziel seines Lebens zu betrachten; zu gleich-
gültig und zu wenig Ideolog um sich mit der Reform des mor-
schen Staatsgebäudes befassen zu mögen. Er blieb, wo Geburt
und Bildung ihn hinwiesen, in dem Kreis der vornehmen Gesell-
schaft und machte wie üblich die Aemtercarriere durch; Ursache
sich anzustrengen hatte er nicht und überlieſs dies den politi-
schen Arbeitsbienen, an denen es nicht fehlte. So führte ihn im
J. 647 bei der Verloosung der Quästorstellen der Zufall nach
Africa in das Hauptquartier des Gaius Marius. Der unversuchte
hauptstädtische Elegant ward von dem rauhen bäurischen Feld-
herrn und seinem erprobten Stab nicht zum besten empfangen.
Durch diese Aufnahme gereizt machte Sulla, furchtlos und anstellig
wie er war, im Fluge das Waffenhandwerk sich zu eigen und ent-
wickelte auf dem verwegenen Zug nach Mauretanien zuerst jene
eigenthümliche Verbindung von Keckheit und Verschmitztheit,
wegen deren seine Zeitgenossen von ihm sagten, daſs er halb
Löwe, halb Fuchs und der Fuchs in ihm gefährlicher als der Löwe
sei. Dem jungen hochgebornen brillanten Offizier, der anerkann-
termaſsen der eigentliche Beendiger des lästigen numidischen
Krieges war, öffnete jetzt sich die glänzendste Laufbahn; er nahm
auch Theil am kimbrischen Krieg und entwickelte dabei in der
Leitung des schwierigen Verpflegungsgeschäftes sein ungemeines
Organisationstalent; aber nichts desto weniger zogen ihn auch
jetzt die Freuden des hauptstädtischen Lebens weit mehr an als
Krieg oder gar Politik. In der Prätur, welches Amt er, nach-
dem er einmal sich vergeblich beworben hatte, im J. 661 über-
nahm, fügte es sich abermals, daſs ihm in seiner Provinz, der
unbedeutendsten von allen, der erste Sieg über König Mithradates
und der erste Vertrag mit den mächtigen Arsakiden so wie deren
erste Demüthigung gelang. Der Bürgerkrieg folgte. Sulla war es
wesentlich, der den ersten Act desselben, die italische Insurrec-
tion, zu Roms Gunsten entschied und dabei mit dem Degen
das Consulat sich gewann; er war es ferner, der als Consul
den sulpicischen Aufstand mit energischer Raschheit zu Boden
schlug. Das Glück schien sich ein Geschäft daraus zu machen
den alten Helden Marius durch diesen jüngeren Offizier zu ver-
dunkeln. Die Gefangennehmung Jugurthas, die Besiegung Mi-
thradats, die beide Marius vergeblich erstrebt hatte, wurden in
untergeordneter Rolle von Sulla vollführt; im Bundesgenossen-
krieg, in dem Marius seinen Feldherrnruhm einbüſste und abge-
setzt ward, gründete Sulla seinen militärischen Ruf und stieg em-
por zum Consulat; die Revolution von 666, die zugleich und vor

Röm. Gesch. II. 23
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[353/0363] DIE SULLANISCHE VERFASSUNG. Register als das Ziel seines Lebens zu betrachten; zu gleich- gültig und zu wenig Ideolog um sich mit der Reform des mor- schen Staatsgebäudes befassen zu mögen. Er blieb, wo Geburt und Bildung ihn hinwiesen, in dem Kreis der vornehmen Gesell- schaft und machte wie üblich die Aemtercarriere durch; Ursache sich anzustrengen hatte er nicht und überlieſs dies den politi- schen Arbeitsbienen, an denen es nicht fehlte. So führte ihn im J. 647 bei der Verloosung der Quästorstellen der Zufall nach Africa in das Hauptquartier des Gaius Marius. Der unversuchte hauptstädtische Elegant ward von dem rauhen bäurischen Feld- herrn und seinem erprobten Stab nicht zum besten empfangen. Durch diese Aufnahme gereizt machte Sulla, furchtlos und anstellig wie er war, im Fluge das Waffenhandwerk sich zu eigen und ent- wickelte auf dem verwegenen Zug nach Mauretanien zuerst jene eigenthümliche Verbindung von Keckheit und Verschmitztheit, wegen deren seine Zeitgenossen von ihm sagten, daſs er halb Löwe, halb Fuchs und der Fuchs in ihm gefährlicher als der Löwe sei. Dem jungen hochgebornen brillanten Offizier, der anerkann- termaſsen der eigentliche Beendiger des lästigen numidischen Krieges war, öffnete jetzt sich die glänzendste Laufbahn; er nahm auch Theil am kimbrischen Krieg und entwickelte dabei in der Leitung des schwierigen Verpflegungsgeschäftes sein ungemeines Organisationstalent; aber nichts desto weniger zogen ihn auch jetzt die Freuden des hauptstädtischen Lebens weit mehr an als Krieg oder gar Politik. In der Prätur, welches Amt er, nach- dem er einmal sich vergeblich beworben hatte, im J. 661 über- nahm, fügte es sich abermals, daſs ihm in seiner Provinz, der unbedeutendsten von allen, der erste Sieg über König Mithradates und der erste Vertrag mit den mächtigen Arsakiden so wie deren erste Demüthigung gelang. Der Bürgerkrieg folgte. Sulla war es wesentlich, der den ersten Act desselben, die italische Insurrec- tion, zu Roms Gunsten entschied und dabei mit dem Degen das Consulat sich gewann; er war es ferner, der als Consul den sulpicischen Aufstand mit energischer Raschheit zu Boden schlug. Das Glück schien sich ein Geschäft daraus zu machen den alten Helden Marius durch diesen jüngeren Offizier zu ver- dunkeln. Die Gefangennehmung Jugurthas, die Besiegung Mi- thradats, die beide Marius vergeblich erstrebt hatte, wurden in untergeordneter Rolle von Sulla vollführt; im Bundesgenossen- krieg, in dem Marius seinen Feldherrnruhm einbüſste und abge- setzt ward, gründete Sulla seinen militärischen Ruf und stieg em- por zum Consulat; die Revolution von 666, die zugleich und vor Röm. Gesch. II. 23

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/363>, abgerufen am 24.11.2024.