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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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ändert. Es war allerdings durch die marianische Reform wieder
schlagfertiger und militärisch brauchbarer geworden als da es
vor den Mauern von Numantia nicht focht; aber es hatte zugleich
sich aus einer Bürgerwehr in eine Lanzknechtschaar verwandelt,
welche dem Staat gar keine und dem Offizier nur dann Treue be-
wies, wenn er persönlich sie an sich zu fesseln verstand. Diese
völlige Umgestaltung des Armeegeistes hatte der Bürgerkrieg in
grässlicher Weise zur Evidenz gebracht: fünf Generale, Albinus
(S. 238), Cato (S. 239), Rufus (S. 251), Flaccus (S. 285) und
Cinna (S. 305), waren während desselben gefallen von der Hand
ihrer Soldaten; einzig Sulla hatte bisher es vermocht der gefähr-
lichen Meute Herr zu bleiben, freilich nur indem er allen ihren wilden
Begierden den Zügel schiessen liess wie noch nie vor ihm ein
römischer Feldherr. Wenn desshalb ihm der Verderb der alten
Kriegszucht Schuld gegeben wird, so ist dies nicht gerade un-
richtig, aber dennoch ungerecht; er war eben der erste römische
Beamte, der seiner militärischen und politischen Aufgabe nur da-
durch zu genügen im Stande war, dass er auftrat als Condottier.
Aber er hatte die Militärdictatur nicht übernommen um den Staat
der Soldatesca unterthänig zu machen, sondern vielmehr um
alles im Staat, vor allem aber das Heer und die Offiziere, unter
die Gewalt der bürgerlichen Ordnung zurückzuzwingen. Wie
man dies sah, erhob sich gegen ihn eine Opposition in seinem
eigenen Stab. Mochte den übrigen Bürgern gegenüber die Oli-
garchie den Tyrannen spielen, aber dass auch die Generale, die
mit ihrem guten Schwert den verlorenen Senat wieder eingesetzt
hatten, ihm jetzt unweigerlichen Gehorsam zu leisten aufgefor-
dert wurden, schien unerträglich. Eben die beiden Offiziere, denen
Sulla das meiste Vertrauen geschenkt hatte, widersetzten sich der
neuen Ordnung der Dinge. Als Gnaeus Pompeius, den Sulla mit
der Eroberung von Sicilien und Africa beauftragt und zu seinem
Tochtermanne erkoren hatte, nach Vollzug seiner Aufgabe vom
Senat den Befehl erhielt sein Heer zu entlassen, unterliess er es
zu gehorsamen und wenig fehlte an offenem Aufstand. Quintus
Ofella, dessen festem Ausharren vor Praeneste wesentlich der
Erfolg des letzten und schwersten Feldzugs verdankt ward, be-
warb sich in ebenso offenem Widerspruch gegen die neu erlas-
senen Ordnungen um das Consulat, ohne die niederen Aemter
bekleidet zu haben. Mit Pompeius kam, wenn nicht eine herz-
liche Aussöhuung, doch ein Vergleich zu Stande. Sulla, der sei-
nen Mann genug kannte um ihn nicht zu fürchten, nahm die Im-
pertinenz hin, die Pompeius ihm ins Gesicht sagte, dass mehr

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ändert. Es war allerdings durch die marianische Reform wieder
schlagfertiger und militärisch brauchbarer geworden als da es
vor den Mauern von Numantia nicht focht; aber es hatte zugleich
sich aus einer Bürgerwehr in eine Lanzknechtschaar verwandelt,
welche dem Staat gar keine und dem Offizier nur dann Treue be-
wies, wenn er persönlich sie an sich zu fesseln verstand. Diese
völlige Umgestaltung des Armeegeistes hatte der Bürgerkrieg in
gräſslicher Weise zur Evidenz gebracht: fünf Generale, Albinus
(S. 238), Cato (S. 239), Rufus (S. 251), Flaccus (S. 285) und
Cinna (S. 305), waren während desselben gefallen von der Hand
ihrer Soldaten; einzig Sulla hatte bisher es vermocht der gefähr-
lichen Meute Herr zu bleiben, freilich nur indem er allen ihren wilden
Begierden den Zügel schieſsen lieſs wie noch nie vor ihm ein
römischer Feldherr. Wenn deſshalb ihm der Verderb der alten
Kriegszucht Schuld gegeben wird, so ist dies nicht gerade un-
richtig, aber dennoch ungerecht; er war eben der erste römische
Beamte, der seiner militärischen und politischen Aufgabe nur da-
durch zu genügen im Stande war, daſs er auftrat als Condottier.
Aber er hatte die Militärdictatur nicht übernommen um den Staat
der Soldatesca unterthänig zu machen, sondern vielmehr um
alles im Staat, vor allem aber das Heer und die Offiziere, unter
die Gewalt der bürgerlichen Ordnung zurückzuzwingen. Wie
man dies sah, erhob sich gegen ihn eine Opposition in seinem
eigenen Stab. Mochte den übrigen Bürgern gegenüber die Oli-
garchie den Tyrannen spielen, aber daſs auch die Generale, die
mit ihrem guten Schwert den verlorenen Senat wieder eingesetzt
hatten, ihm jetzt unweigerlichen Gehorsam zu leisten aufgefor-
dert wurden, schien unerträglich. Eben die beiden Offiziere, denen
Sulla das meiste Vertrauen geschenkt hatte, widersetzten sich der
neuen Ordnung der Dinge. Als Gnaeus Pompeius, den Sulla mit
der Eroberung von Sicilien und Africa beauftragt und zu seinem
Tochtermanne erkoren hatte, nach Vollzug seiner Aufgabe vom
Senat den Befehl erhielt sein Heer zu entlassen, unterlieſs er es
zu gehorsamen und wenig fehlte an offenem Aufstand. Quintus
Ofella, dessen festem Ausharren vor Praeneste wesentlich der
Erfolg des letzten und schwersten Feldzugs verdankt ward, be-
warb sich in ebenso offenem Widerspruch gegen die neu erlas-
senen Ordnungen um das Consulat, ohne die niederen Aemter
bekleidet zu haben. Mit Pompeius kam, wenn nicht eine herz-
liche Aussöhuung, doch ein Vergleich zu Stande. Sulla, der sei-
nen Mann genug kannte um ihn nicht zu fürchten, nahm die Im-
pertinenz hin, die Pompeius ihm ins Gesicht sagte, daſs mehr

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[348/0358] VIERTES BUCH. KAPITEL X. ändert. Es war allerdings durch die marianische Reform wieder schlagfertiger und militärisch brauchbarer geworden als da es vor den Mauern von Numantia nicht focht; aber es hatte zugleich sich aus einer Bürgerwehr in eine Lanzknechtschaar verwandelt, welche dem Staat gar keine und dem Offizier nur dann Treue be- wies, wenn er persönlich sie an sich zu fesseln verstand. Diese völlige Umgestaltung des Armeegeistes hatte der Bürgerkrieg in gräſslicher Weise zur Evidenz gebracht: fünf Generale, Albinus (S. 238), Cato (S. 239), Rufus (S. 251), Flaccus (S. 285) und Cinna (S. 305), waren während desselben gefallen von der Hand ihrer Soldaten; einzig Sulla hatte bisher es vermocht der gefähr- lichen Meute Herr zu bleiben, freilich nur indem er allen ihren wilden Begierden den Zügel schieſsen lieſs wie noch nie vor ihm ein römischer Feldherr. Wenn deſshalb ihm der Verderb der alten Kriegszucht Schuld gegeben wird, so ist dies nicht gerade un- richtig, aber dennoch ungerecht; er war eben der erste römische Beamte, der seiner militärischen und politischen Aufgabe nur da- durch zu genügen im Stande war, daſs er auftrat als Condottier. Aber er hatte die Militärdictatur nicht übernommen um den Staat der Soldatesca unterthänig zu machen, sondern vielmehr um alles im Staat, vor allem aber das Heer und die Offiziere, unter die Gewalt der bürgerlichen Ordnung zurückzuzwingen. Wie man dies sah, erhob sich gegen ihn eine Opposition in seinem eigenen Stab. Mochte den übrigen Bürgern gegenüber die Oli- garchie den Tyrannen spielen, aber daſs auch die Generale, die mit ihrem guten Schwert den verlorenen Senat wieder eingesetzt hatten, ihm jetzt unweigerlichen Gehorsam zu leisten aufgefor- dert wurden, schien unerträglich. Eben die beiden Offiziere, denen Sulla das meiste Vertrauen geschenkt hatte, widersetzten sich der neuen Ordnung der Dinge. Als Gnaeus Pompeius, den Sulla mit der Eroberung von Sicilien und Africa beauftragt und zu seinem Tochtermanne erkoren hatte, nach Vollzug seiner Aufgabe vom Senat den Befehl erhielt sein Heer zu entlassen, unterlieſs er es zu gehorsamen und wenig fehlte an offenem Aufstand. Quintus Ofella, dessen festem Ausharren vor Praeneste wesentlich der Erfolg des letzten und schwersten Feldzugs verdankt ward, be- warb sich in ebenso offenem Widerspruch gegen die neu erlas- senen Ordnungen um das Consulat, ohne die niederen Aemter bekleidet zu haben. Mit Pompeius kam, wenn nicht eine herz- liche Aussöhuung, doch ein Vergleich zu Stande. Sulla, der sei- nen Mann genug kannte um ihn nicht zu fürchten, nahm die Im- pertinenz hin, die Pompeius ihm ins Gesicht sagte, daſs mehr

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/358>, abgerufen am 27.11.2024.