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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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reform, bei der die Staatskasse wohl nur nicht verlor und vorzugs-
weise die Steuerpflichtigen gewannen, als durch die Rückgabe
der campanischen Domäne, wozu jetzt noch Aenaria gefügt ward
(S. 330), und vor allem durch die Abschaffung der Kornverthei-
lungen, die seit Gaius Gracchus wie ein Krebs an den römischen
Finanzen gezehrt hatten.

Dagegen ward das Gerichtswesen wesentlich umgestaltet,
theils aus politischen Rücksichten, theils um in die bisherige
sehr unzulängliche und unzusammenhängende rechtliche Legis-
lation grössere Einheit und Brauchbarkeit zu bringen. Ausser den
Gerichten, in denen die ganze Bürgerschaft auf Provocation von
dem Urtheil des Magistrats hin entschied, gab es in dieser Zeit
ein doppeltes Verfahren vor Geschwornen. Das ordentliche, wel-
ches in allen nach unserer Auffassung zu einem Criminal- oder
Civilprozess sich eignenden Fällen mit Ausnahme der unmittelbar
gegen den Staat gerichteten Verbrechen anwendbar war, bestand
darin, dass der eine der beiden hauptstädtischen Gerichtsherren
die Sache instruirte und ein von ihm ernannter Geschworner auf
Grund dieser Instruction entschied. Der ausserordentliche Ge-
schwornenprozess trat ein in einzelnen besonders wichtigen Ci-
vil- oder Criminalfällen, wegen welcher durch besondere Gesetze
anstatt des Einzelgeschwornen ein besonderer Geschwornenhof
bestellt worden war. Dieser Art waren theils die für einzelne
Fälle constituirten Specialgerichtshöfe (z. B. S. 139. 171), theils
die stehenden Commissionalgerichtshöfe, wie sie für Erpressun-
gen (S. 77), für Giftmischerei und Mord (S. 102), vielleicht auch
für Wahlbestechung und andere Verbrechen im Laufe des sieben-
ten Jahrhunderts niedergesetzt worden waren; theils endlich der
Hof der Hundertundfünf- oder der Hundertmänner, auch von dem
bei dem Eigenthumsprozess gebrauchten Lanzenschaft das Schaft-
gericht (hasta) genannt, welches in den Prozessen über römi-
sches Erbe entschied -- die Entstehungszeit und Veranlassung
des letzteren liegen im Dunkeln, werden aber vermuthlich ungefähr
dieselben sein wie bei den gleichartigen Criminalcommissionen.
Ueber die Leitung dieser verschiedenen Gerichtshöfe war in den
einzelnen Gerichtsordnungen verschieden bestimmt; so standen
dem Erpressungsgericht ein Prätor, dem Mordgericht ein aus
den gewesenen Aedilen besonders ernannter Vorstand, dem
Schaftgericht mehrere aus den gewesenen Quästoren genom-
mene Directoren vor. Die Geschwornen wurden für das ordent-
liche wie für das ausserordentliche Verfahren in Gemässheit der
gracchischen Ordnung aus den nicht senatorischen Männern von

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reform, bei der die Staatskasse wohl nur nicht verlor und vorzugs-
weise die Steuerpflichtigen gewannen, als durch die Rückgabe
der campanischen Domäne, wozu jetzt noch Aenaria gefügt ward
(S. 330), und vor allem durch die Abschaffung der Kornverthei-
lungen, die seit Gaius Gracchus wie ein Krebs an den römischen
Finanzen gezehrt hatten.

Dagegen ward das Gerichtswesen wesentlich umgestaltet,
theils aus politischen Rücksichten, theils um in die bisherige
sehr unzulängliche und unzusammenhängende rechtliche Legis-
lation gröſsere Einheit und Brauchbarkeit zu bringen. Auſser den
Gerichten, in denen die ganze Bürgerschaft auf Provocation von
dem Urtheil des Magistrats hin entschied, gab es in dieser Zeit
ein doppeltes Verfahren vor Geschwornen. Das ordentliche, wel-
ches in allen nach unserer Auffassung zu einem Criminal- oder
Civilprozeſs sich eignenden Fällen mit Ausnahme der unmittelbar
gegen den Staat gerichteten Verbrechen anwendbar war, bestand
darin, daſs der eine der beiden hauptstädtischen Gerichtsherren
die Sache instruirte und ein von ihm ernannter Geschworner auf
Grund dieser Instruction entschied. Der auſserordentliche Ge-
schwornenprozeſs trat ein in einzelnen besonders wichtigen Ci-
vil- oder Criminalfällen, wegen welcher durch besondere Gesetze
anstatt des Einzelgeschwornen ein besonderer Geschwornenhof
bestellt worden war. Dieser Art waren theils die für einzelne
Fälle constituirten Specialgerichtshöfe (z. B. S. 139. 171), theils
die stehenden Commissionalgerichtshöfe, wie sie für Erpressun-
gen (S. 77), für Giftmischerei und Mord (S. 102), vielleicht auch
für Wahlbestechung und andere Verbrechen im Laufe des sieben-
ten Jahrhunderts niedergesetzt worden waren; theils endlich der
Hof der Hundertundfünf- oder der Hundertmänner, auch von dem
bei dem Eigenthumsprozeſs gebrauchten Lanzenschaft das Schaft-
gericht (hasta) genannt, welches in den Prozessen über römi-
sches Erbe entschied — die Entstehungszeit und Veranlassung
des letzteren liegen im Dunkeln, werden aber vermuthlich ungefähr
dieselben sein wie bei den gleichartigen Criminalcommissionen.
Ueber die Leitung dieser verschiedenen Gerichtshöfe war in den
einzelnen Gerichtsordnungen verschieden bestimmt; so standen
dem Erpressungsgericht ein Prätor, dem Mordgericht ein aus
den gewesenen Aedilen besonders ernannter Vorstand, dem
Schaftgericht mehrere aus den gewesenen Quästoren genom-
mene Directoren vor. Die Geschwornen wurden für das ordent-
liche wie für das auſserordentliche Verfahren in Gemäſsheit der
gracchischen Ordnung aus den nicht senatorischen Männern von

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[342/0352] VIERTES BUCH. KAPITEL X. reform, bei der die Staatskasse wohl nur nicht verlor und vorzugs- weise die Steuerpflichtigen gewannen, als durch die Rückgabe der campanischen Domäne, wozu jetzt noch Aenaria gefügt ward (S. 330), und vor allem durch die Abschaffung der Kornverthei- lungen, die seit Gaius Gracchus wie ein Krebs an den römischen Finanzen gezehrt hatten. Dagegen ward das Gerichtswesen wesentlich umgestaltet, theils aus politischen Rücksichten, theils um in die bisherige sehr unzulängliche und unzusammenhängende rechtliche Legis- lation gröſsere Einheit und Brauchbarkeit zu bringen. Auſser den Gerichten, in denen die ganze Bürgerschaft auf Provocation von dem Urtheil des Magistrats hin entschied, gab es in dieser Zeit ein doppeltes Verfahren vor Geschwornen. Das ordentliche, wel- ches in allen nach unserer Auffassung zu einem Criminal- oder Civilprozeſs sich eignenden Fällen mit Ausnahme der unmittelbar gegen den Staat gerichteten Verbrechen anwendbar war, bestand darin, daſs der eine der beiden hauptstädtischen Gerichtsherren die Sache instruirte und ein von ihm ernannter Geschworner auf Grund dieser Instruction entschied. Der auſserordentliche Ge- schwornenprozeſs trat ein in einzelnen besonders wichtigen Ci- vil- oder Criminalfällen, wegen welcher durch besondere Gesetze anstatt des Einzelgeschwornen ein besonderer Geschwornenhof bestellt worden war. Dieser Art waren theils die für einzelne Fälle constituirten Specialgerichtshöfe (z. B. S. 139. 171), theils die stehenden Commissionalgerichtshöfe, wie sie für Erpressun- gen (S. 77), für Giftmischerei und Mord (S. 102), vielleicht auch für Wahlbestechung und andere Verbrechen im Laufe des sieben- ten Jahrhunderts niedergesetzt worden waren; theils endlich der Hof der Hundertundfünf- oder der Hundertmänner, auch von dem bei dem Eigenthumsprozeſs gebrauchten Lanzenschaft das Schaft- gericht (hasta) genannt, welches in den Prozessen über römi- sches Erbe entschied — die Entstehungszeit und Veranlassung des letzteren liegen im Dunkeln, werden aber vermuthlich ungefähr dieselben sein wie bei den gleichartigen Criminalcommissionen. Ueber die Leitung dieser verschiedenen Gerichtshöfe war in den einzelnen Gerichtsordnungen verschieden bestimmt; so standen dem Erpressungsgericht ein Prätor, dem Mordgericht ein aus den gewesenen Aedilen besonders ernannter Vorstand, dem Schaftgericht mehrere aus den gewesenen Quästoren genom- mene Directoren vor. Die Geschwornen wurden für das ordent- liche wie für das auſserordentliche Verfahren in Gemäſsheit der gracchischen Ordnung aus den nicht senatorischen Männern von

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/352>, abgerufen am 22.11.2024.