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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DIE SULLANISCHE VERFASSUNG.
herigen unordentlichen und zu allen möglichen schlechten Ma-
növern und Intriguen einladenden Schaltens in der Theilung der
Aemter eine klare und feste Regel gesetzt; dann aber auch der
Einfluss der obersten Regierungsbehörde wesentlich gesteigert.
Nach der bisherigen Ordnung war derselbe Mann sehr häufig zwei,
oft auch mehr Jahre in demselben Amte verblieben; die neue Ord-
nung beschränkte die hauptstädtischen Aemter wie die Statthal-
terposten durchaus auf ein Jahr und die specielle Verfügung, dass
jeder Statthalter binnen dreissig Tagen, nachdem der Nachfolger
in seinem Sprengel eingetroffen sei, denselben unfehlbar zu ver-
lassen habe, zeigt sehr klar, namentlich wenn man damit noch das
früher erwähnte Verbot der Continuirung desselben Amtes durch
Volkswahl zusammennimmt, was die Tendenz dieser Einrichtun-
gen war: es war die alterprobte Maxime, durch die einst der Se-
nat das Königthum sich dienstbar gemacht hatte, dass die Be-
schränkung der Magistratur der Competenz nach der Demokratie,
die der Zeit nach der Oligarchie zu Gute komme. Nach der bis-
herigen Ordnung war es ferner möglich gewesen die höchste po-
litische und militärische Macht in derselben Hand zu vereinigen;
Gaius Marius hatte als Consul zugleich an der Spitze des Staats
und an der Spitze der Armee gestanden und nur seiner eigenen
Ungeschicklichkeit es zuzuschreiben, dass er mit diesen Mitteln
nicht die Oligarchie gestürzt hatte. Sulla beherzigte die Lehre und
trennte ein für allemal die politische Gewalt von der militärischen.
Künftig sollte der Consul und Prätor mit Senat und Volk verhan-
deln, der Proconsul und Proprätor die Armee commandiren, je-
nem aber jede militärische, diesem jede politische Thätigkeit ge-
setzlich abgeschnitten sein. Wenn indess dies vollständig durch-
geführt werden sollte, musste der Consul auch der Verpflichtung
enthoben werden, die bisher ihm obgelegen hatte, die Nordgrenze
Italiens zu schirmen: dies hat zu der politischen Trennung der
norditalischen Landschaften von dem eigentlichen Italien geführt.
Bisher hatten dieselben wohl in einem nationalen Gegensatz ge-
standen, insofern Norditalien vorwiegend von Ligurern und Kelten,
Mittel- und Süditalien von Italikern bewohnt ward; allein politisch
und administrativ stand die ganze Landschaft von der südlichen
Meerenge bis an den Fuss der Alpen sich gleich und im ordentli-

liens, heisst, so widerspricht ihm Plutarch (Pomp. 27), der die fragliche An-
ordnung von Rom aus treffen lässt. -- Es mag ausser andern Gründen, die
nicht schwer zu finden sind, nur das noch angeführt werden, dass die Ver-
mehrung der Prätoren durch Sulla von sechs auf acht sich nicht aus der
Zahl der Quaestionen, wohl aber aus der der Provinzen erklären lässt.
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DIE SULLANISCHE VERFASSUNG.
herigen unordentlichen und zu allen möglichen schlechten Ma-
növern und Intriguen einladenden Schaltens in der Theilung der
Aemter eine klare und feste Regel gesetzt; dann aber auch der
Einfluſs der obersten Regierungsbehörde wesentlich gesteigert.
Nach der bisherigen Ordnung war derselbe Mann sehr häufig zwei,
oft auch mehr Jahre in demselben Amte verblieben; die neue Ord-
nung beschränkte die hauptstädtischen Aemter wie die Statthal-
terposten durchaus auf ein Jahr und die specielle Verfügung, daſs
jeder Statthalter binnen dreiſsig Tagen, nachdem der Nachfolger
in seinem Sprengel eingetroffen sei, denselben unfehlbar zu ver-
lassen habe, zeigt sehr klar, namentlich wenn man damit noch das
früher erwähnte Verbot der Continuirung desselben Amtes durch
Volkswahl zusammennimmt, was die Tendenz dieser Einrichtun-
gen war: es war die alterprobte Maxime, durch die einst der Se-
nat das Königthum sich dienstbar gemacht hatte, daſs die Be-
schränkung der Magistratur der Competenz nach der Demokratie,
die der Zeit nach der Oligarchie zu Gute komme. Nach der bis-
herigen Ordnung war es ferner möglich gewesen die höchste po-
litische und militärische Macht in derselben Hand zu vereinigen;
Gaius Marius hatte als Consul zugleich an der Spitze des Staats
und an der Spitze der Armee gestanden und nur seiner eigenen
Ungeschicklichkeit es zuzuschreiben, daſs er mit diesen Mitteln
nicht die Oligarchie gestürzt hatte. Sulla beherzigte die Lehre und
trennte ein für allemal die politische Gewalt von der militärischen.
Künftig sollte der Consul und Prätor mit Senat und Volk verhan-
deln, der Proconsul und Proprätor die Armee commandiren, je-
nem aber jede militärische, diesem jede politische Thätigkeit ge-
setzlich abgeschnitten sein. Wenn indeſs dies vollständig durch-
geführt werden sollte, muſste der Consul auch der Verpflichtung
enthoben werden, die bisher ihm obgelegen hatte, die Nordgrenze
Italiens zu schirmen: dies hat zu der politischen Trennung der
norditalischen Landschaften von dem eigentlichen Italien geführt.
Bisher hatten dieselben wohl in einem nationalen Gegensatz ge-
standen, insofern Norditalien vorwiegend von Ligurern und Kelten,
Mittel- und Süditalien von Italikern bewohnt ward; allein politisch
und administrativ stand die ganze Landschaft von der südlichen
Meerenge bis an den Fuſs der Alpen sich gleich und im ordentli-

liens, heiſst, so widerspricht ihm Plutarch (Pomp. 27), der die fragliche An-
ordnung von Rom aus treffen läſst. — Es mag auſser andern Gründen, die
nicht schwer zu finden sind, nur das noch angeführt werden, daſs die Ver-
mehrung der Prätoren durch Sulla von sechs auf acht sich nicht aus der
Zahl der Quaestionen, wohl aber aus der der Provinzen erklären läſst.
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[339/0349] DIE SULLANISCHE VERFASSUNG. herigen unordentlichen und zu allen möglichen schlechten Ma- növern und Intriguen einladenden Schaltens in der Theilung der Aemter eine klare und feste Regel gesetzt; dann aber auch der Einfluſs der obersten Regierungsbehörde wesentlich gesteigert. Nach der bisherigen Ordnung war derselbe Mann sehr häufig zwei, oft auch mehr Jahre in demselben Amte verblieben; die neue Ord- nung beschränkte die hauptstädtischen Aemter wie die Statthal- terposten durchaus auf ein Jahr und die specielle Verfügung, daſs jeder Statthalter binnen dreiſsig Tagen, nachdem der Nachfolger in seinem Sprengel eingetroffen sei, denselben unfehlbar zu ver- lassen habe, zeigt sehr klar, namentlich wenn man damit noch das früher erwähnte Verbot der Continuirung desselben Amtes durch Volkswahl zusammennimmt, was die Tendenz dieser Einrichtun- gen war: es war die alterprobte Maxime, durch die einst der Se- nat das Königthum sich dienstbar gemacht hatte, daſs die Be- schränkung der Magistratur der Competenz nach der Demokratie, die der Zeit nach der Oligarchie zu Gute komme. Nach der bis- herigen Ordnung war es ferner möglich gewesen die höchste po- litische und militärische Macht in derselben Hand zu vereinigen; Gaius Marius hatte als Consul zugleich an der Spitze des Staats und an der Spitze der Armee gestanden und nur seiner eigenen Ungeschicklichkeit es zuzuschreiben, daſs er mit diesen Mitteln nicht die Oligarchie gestürzt hatte. Sulla beherzigte die Lehre und trennte ein für allemal die politische Gewalt von der militärischen. Künftig sollte der Consul und Prätor mit Senat und Volk verhan- deln, der Proconsul und Proprätor die Armee commandiren, je- nem aber jede militärische, diesem jede politische Thätigkeit ge- setzlich abgeschnitten sein. Wenn indeſs dies vollständig durch- geführt werden sollte, muſste der Consul auch der Verpflichtung enthoben werden, die bisher ihm obgelegen hatte, die Nordgrenze Italiens zu schirmen: dies hat zu der politischen Trennung der norditalischen Landschaften von dem eigentlichen Italien geführt. Bisher hatten dieselben wohl in einem nationalen Gegensatz ge- standen, insofern Norditalien vorwiegend von Ligurern und Kelten, Mittel- und Süditalien von Italikern bewohnt ward; allein politisch und administrativ stand die ganze Landschaft von der südlichen Meerenge bis an den Fuſs der Alpen sich gleich und im ordentli- * * liens, heiſst, so widerspricht ihm Plutarch (Pomp. 27), der die fragliche An- ordnung von Rom aus treffen läſst. — Es mag auſser andern Gründen, die nicht schwer zu finden sind, nur das noch angeführt werden, daſs die Ver- mehrung der Prätoren durch Sulla von sechs auf acht sich nicht aus der Zahl der Quaestionen, wohl aber aus der der Provinzen erklären läſst. 22*

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/349>, abgerufen am 25.11.2024.