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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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VIERTES BUCH. KAPITEL X.
Rittergerichte Verbannten jetzt die Rückkehr frei, wie dem Con-
sular Publius Rutilius Rufus (S. 202), der übrigens von der Er-
laubniss keinen Gebrauch machte, und dem Freunde des Drusus
Gaius Cotta (S. 219); allein es war dies ein geringer Ersatz für
die Lücken, die der revolutionäre wie der reactionäre Terroris-
mus in die Reihen des Senats gerissen hatte. Sulla verfügte zu-
nächst eine ausserordentliche Ergänzung des Senats durch etwa
300 neue Senatoren, welche die Districtversammlung aus den
Männern vom Rittercensus zu ernennen hatte und die sie wie be-
greiflich vorzugsweise theils aus den jüngeren Männern der sena-
torischen Häuser, theils aus sullanischen Offizieren und anderen
durch die letzte Umwälzung Emporgekommenen auslas. Ferner
ward für die Zukunft der gesetzliche Eintritt in den Senat statt
an die Aedilität geknüpft an die Quästur und zugleich die Zahl
der jährlich zu ernennenden Quästoren von acht auf zwanzig er-
höht. Durch diese Massregeln wurde die Gesammtzahl der Sena-
toren, die bis dahin vermuthlich noch immer die alte von 300
nicht oder nicht viel überstiegen hatte, beträchtlich, vielleicht um
das Doppelte erhöht *, was auch schon wegen der durch die
Uebertragung der Geschwornenfunctionen stark vermehrten Ge-
schäfte des Senats nothwendig war. Es ward ferner der Senat
durchaus auf directe Volkswahl gegründet, indem sowohl die
ausserordentlich eintretenden Senatoren als die Quästoren ernannt
wurden von den Tributcomitien; so dass derselbe, wenn er schon
bisher mittelbar auf den Wahlen des Volkes geruht hatte (I, 199),
jetzt so weit einem repräsentativen Regiment sich näherte, als
dies mit dem Wesen der Oligarchie und den Begriffen des Alter-
thums überhaupt sich vertrug. Aus einem nur zum Berathen der
Beamten bestimmten Collegium war im Laufe der Zeit der Senat
eine den Beamten befehlende und selbstregierende Behörde ge-
worden; es war hiervon nur eine consequente Weiterentwicklung,
wenn das den Beamten ursprünglich zustehende Recht die Sena-

* Von einer festen Zahl der Senatoren kann genau genommen über-
haupt nicht die Rede sein, da dieselbe vor Sulla von der Willkür der Cen-
soren abhing, nach ihm davon, wie viel Quästorier jedesmal am Leben wa-
ren. Wohl aber ist anzunehmen, dass die Censoren bis auf Sulla darauf
sahen den Senat bis zu ungefähr 300 Köpfen zu completiren und dass Sulla
ihn auf 5-600 Köpfe zu bringen bedacht war. Wenn jährlich 20 neue
Mitglieder von durchschnittlich 30 Jahren eintraten, so ergiebt sich diese
Zahl, wenn man die durchschnittliche Dauer der senatorischen Würde auf
25-30 Jahre ansetzt. In einer stark besuchten Senatssitzung der cicero-
nischen Zeit waren 417 Mitglieder anwesend.

VIERTES BUCH. KAPITEL X.
Rittergerichte Verbannten jetzt die Rückkehr frei, wie dem Con-
sular Publius Rutilius Rufus (S. 202), der übrigens von der Er-
laubniſs keinen Gebrauch machte, und dem Freunde des Drusus
Gaius Cotta (S. 219); allein es war dies ein geringer Ersatz für
die Lücken, die der revolutionäre wie der reactionäre Terroris-
mus in die Reihen des Senats gerissen hatte. Sulla verfügte zu-
nächst eine auſserordentliche Ergänzung des Senats durch etwa
300 neue Senatoren, welche die Districtversammlung aus den
Männern vom Rittercensus zu ernennen hatte und die sie wie be-
greiflich vorzugsweise theils aus den jüngeren Männern der sena-
torischen Häuser, theils aus sullanischen Offizieren und anderen
durch die letzte Umwälzung Emporgekommenen auslas. Ferner
ward für die Zukunft der gesetzliche Eintritt in den Senat statt
an die Aedilität geknüpft an die Quästur und zugleich die Zahl
der jährlich zu ernennenden Quästoren von acht auf zwanzig er-
höht. Durch diese Maſsregeln wurde die Gesammtzahl der Sena-
toren, die bis dahin vermuthlich noch immer die alte von 300
nicht oder nicht viel überstiegen hatte, beträchtlich, vielleicht um
das Doppelte erhöht *, was auch schon wegen der durch die
Uebertragung der Geschwornenfunctionen stark vermehrten Ge-
schäfte des Senats nothwendig war. Es ward ferner der Senat
durchaus auf directe Volkswahl gegründet, indem sowohl die
auſserordentlich eintretenden Senatoren als die Quästoren ernannt
wurden von den Tributcomitien; so daſs derselbe, wenn er schon
bisher mittelbar auf den Wahlen des Volkes geruht hatte (I, 199),
jetzt so weit einem repräsentativen Regiment sich näherte, als
dies mit dem Wesen der Oligarchie und den Begriffen des Alter-
thums überhaupt sich vertrug. Aus einem nur zum Berathen der
Beamten bestimmten Collegium war im Laufe der Zeit der Senat
eine den Beamten befehlende und selbstregierende Behörde ge-
worden; es war hiervon nur eine consequente Weiterentwicklung,
wenn das den Beamten ursprünglich zustehende Recht die Sena-

* Von einer festen Zahl der Senatoren kann genau genommen über-
haupt nicht die Rede sein, da dieselbe vor Sulla von der Willkür der Cen-
soren abhing, nach ihm davon, wie viel Quästorier jedesmal am Leben wa-
ren. Wohl aber ist anzunehmen, daſs die Censoren bis auf Sulla darauf
sahen den Senat bis zu ungefähr 300 Köpfen zu completiren und daſs Sulla
ihn auf 5-600 Köpfe zu bringen bedacht war. Wenn jährlich 20 neue
Mitglieder von durchschnittlich 30 Jahren eintraten, so ergiebt sich diese
Zahl, wenn man die durchschnittliche Dauer der senatorischen Würde auf
25-30 Jahre ansetzt. In einer stark besuchten Senatssitzung der cicero-
nischen Zeit waren 417 Mitglieder anwesend.
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[334/0344] VIERTES BUCH. KAPITEL X. Rittergerichte Verbannten jetzt die Rückkehr frei, wie dem Con- sular Publius Rutilius Rufus (S. 202), der übrigens von der Er- laubniſs keinen Gebrauch machte, und dem Freunde des Drusus Gaius Cotta (S. 219); allein es war dies ein geringer Ersatz für die Lücken, die der revolutionäre wie der reactionäre Terroris- mus in die Reihen des Senats gerissen hatte. Sulla verfügte zu- nächst eine auſserordentliche Ergänzung des Senats durch etwa 300 neue Senatoren, welche die Districtversammlung aus den Männern vom Rittercensus zu ernennen hatte und die sie wie be- greiflich vorzugsweise theils aus den jüngeren Männern der sena- torischen Häuser, theils aus sullanischen Offizieren und anderen durch die letzte Umwälzung Emporgekommenen auslas. Ferner ward für die Zukunft der gesetzliche Eintritt in den Senat statt an die Aedilität geknüpft an die Quästur und zugleich die Zahl der jährlich zu ernennenden Quästoren von acht auf zwanzig er- höht. Durch diese Maſsregeln wurde die Gesammtzahl der Sena- toren, die bis dahin vermuthlich noch immer die alte von 300 nicht oder nicht viel überstiegen hatte, beträchtlich, vielleicht um das Doppelte erhöht *, was auch schon wegen der durch die Uebertragung der Geschwornenfunctionen stark vermehrten Ge- schäfte des Senats nothwendig war. Es ward ferner der Senat durchaus auf directe Volkswahl gegründet, indem sowohl die auſserordentlich eintretenden Senatoren als die Quästoren ernannt wurden von den Tributcomitien; so daſs derselbe, wenn er schon bisher mittelbar auf den Wahlen des Volkes geruht hatte (I, 199), jetzt so weit einem repräsentativen Regiment sich näherte, als dies mit dem Wesen der Oligarchie und den Begriffen des Alter- thums überhaupt sich vertrug. Aus einem nur zum Berathen der Beamten bestimmten Collegium war im Laufe der Zeit der Senat eine den Beamten befehlende und selbstregierende Behörde ge- worden; es war hiervon nur eine consequente Weiterentwicklung, wenn das den Beamten ursprünglich zustehende Recht die Sena- * Von einer festen Zahl der Senatoren kann genau genommen über- haupt nicht die Rede sein, da dieselbe vor Sulla von der Willkür der Cen- soren abhing, nach ihm davon, wie viel Quästorier jedesmal am Leben wa- ren. Wohl aber ist anzunehmen, daſs die Censoren bis auf Sulla darauf sahen den Senat bis zu ungefähr 300 Köpfen zu completiren und daſs Sulla ihn auf 5-600 Köpfe zu bringen bedacht war. Wenn jährlich 20 neue Mitglieder von durchschnittlich 30 Jahren eintraten, so ergiebt sich diese Zahl, wenn man die durchschnittliche Dauer der senatorischen Würde auf 25-30 Jahre ansetzt. In einer stark besuchten Senatssitzung der cicero- nischen Zeit waren 417 Mitglieder anwesend.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/344>, abgerufen am 22.11.2024.