Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.VIERTES BUCH. KAPITEL IX. geschwebt als am 25. October 672, als Pontius, Lamponius,Carrinas, Damasippus, auf der latinischen Strasse gegen Rom herangezogen, etwa eine Viertelmeile vom collinischen Thor la- gerten. Es drohte ein Tag wie der 20. Juli 364 d. St. und der 15. Juni 455 n. Chr., die Tage der Kelten und der Vandalen. Die Zeiten waren nicht mehr, wo ein Handstreich gegen Rom ein thörichtes Unternehmen war und den Anrückenden konnte es an Verbindungen in der Hauptstadt nicht fehlen. Die Freiwilligen- schaar, meist vornehme Jünglinge, die aus der Stadt ausrückte, zerstob wie Spreu vor der ungeheuren Uebermacht. Die einzige Hoffnung der Rettung beruhte auf Sulla. Dieser war auf die Nachricht vom Abmarsch des samnitischen Heeres in der Rich- tung auf Rom gleichfalls eiligst aufgebrochen der Hauptstadt zu Hülfe. Den sinkenden Muth der Bürgerschaft belebte im Laufe des Morgens das Erscheinen seiner ersten Reiter unter Balbus; um Mittag erschien er selbst mit der Hauptmacht und ordnete sofort am Tempel der erycinischen Aphrodite vor dem collini- schen Thor (unweit Porta Pia) die Reihen zur Schlacht. Seine Unterbefehlshaber beschworen ihn nicht die durch den Gewalt- marsch erschöpften Truppen sofort in den Kampf zu schicken; aber Sulla erwog, was die Nacht über Rom bringen könne, und befahl noch am späten Nachmittag den Angriff. Die Schlacht war hart bestritten und blutig. Der linke Flügel Sullas, den er selbst anführte, wich zurück bis an die Stadtmauer, so dass es nothwendig ward die Stadtthore zu schliessen; schon brachten Versprengte die Nachricht an Ofella, dass die Schlacht verloren sei. Allein auf dem rechten Flügel warf Marcus Crassus den Feind und verfolgte ihn bis Antemnae, wodurch auch der andere Flügel wieder Luft bekam und eine Stunde nach Sonnenuntergang auch seinerseits zum Vorrücken übergehen konnte. Die ganze Nacht und noch den folgenden Morgen ward gefochten; erst der Ueber- tritt einer Abtheilung von 3000 Mann, die sofort die Waffen gegen die früheren Kameraden wandten, setzte dem Kampf ein Ziel. Rom war gerettet. Die Insurgentenarmee, für die es nir- gends einen Rückzug gab, wurde vollständig aufgerieben. Die in der Schlacht gemachten Gefangenen, 3-4000 an der Zahl, dar- unter die Generale Damasippus, Carrinas und den schwer ver- wundeten Pontius, liess Sulla am dritten Tage nach der Schlacht in das städtische Meierhaus auf dem Marsfeld führen und da- selbst bis auf den letzten Mann niederhauen, so dass man in dem nahen Tempel der Bellona, wo Sulla eben eine Senatssitzung ab- hielt, deutlich das Klirren der Waffen und das Stöhnen der Ster- VIERTES BUCH. KAPITEL IX. geschwebt als am 25. October 672, als Pontius, Lamponius,Carrinas, Damasippus, auf der latinischen Straſse gegen Rom herangezogen, etwa eine Viertelmeile vom collinischen Thor la- gerten. Es drohte ein Tag wie der 20. Juli 364 d. St. und der 15. Juni 455 n. Chr., die Tage der Kelten und der Vandalen. Die Zeiten waren nicht mehr, wo ein Handstreich gegen Rom ein thörichtes Unternehmen war und den Anrückenden konnte es an Verbindungen in der Hauptstadt nicht fehlen. Die Freiwilligen- schaar, meist vornehme Jünglinge, die aus der Stadt ausrückte, zerstob wie Spreu vor der ungeheuren Uebermacht. Die einzige Hoffnung der Rettung beruhte auf Sulla. Dieser war auf die Nachricht vom Abmarsch des samnitischen Heeres in der Rich- tung auf Rom gleichfalls eiligst aufgebrochen der Hauptstadt zu Hülfe. Den sinkenden Muth der Bürgerschaft belebte im Laufe des Morgens das Erscheinen seiner ersten Reiter unter Balbus; um Mittag erschien er selbst mit der Hauptmacht und ordnete sofort am Tempel der erycinischen Aphrodite vor dem collini- schen Thor (unweit Porta Pia) die Reihen zur Schlacht. Seine Unterbefehlshaber beschworen ihn nicht die durch den Gewalt- marsch erschöpften Truppen sofort in den Kampf zu schicken; aber Sulla erwog, was die Nacht über Rom bringen könne, und befahl noch am späten Nachmittag den Angriff. Die Schlacht war hart bestritten und blutig. Der linke Flügel Sullas, den er selbst anführte, wich zurück bis an die Stadtmauer, so daſs es nothwendig ward die Stadtthore zu schlieſsen; schon brachten Versprengte die Nachricht an Ofella, daſs die Schlacht verloren sei. Allein auf dem rechten Flügel warf Marcus Crassus den Feind und verfolgte ihn bis Antemnae, wodurch auch der andere Flügel wieder Luft bekam und eine Stunde nach Sonnenuntergang auch seinerseits zum Vorrücken übergehen konnte. Die ganze Nacht und noch den folgenden Morgen ward gefochten; erst der Ueber- tritt einer Abtheilung von 3000 Mann, die sofort die Waffen gegen die früheren Kameraden wandten, setzte dem Kampf ein Ziel. Rom war gerettet. Die Insurgentenarmee, für die es nir- gends einen Rückzug gab, wurde vollständig aufgerieben. Die in der Schlacht gemachten Gefangenen, 3-4000 an der Zahl, dar- unter die Generale Damasippus, Carrinas und den schwer ver- wundeten Pontius, lieſs Sulla am dritten Tage nach der Schlacht in das städtische Meierhaus auf dem Marsfeld führen und da- selbst bis auf den letzten Mann niederhauen, so daſs man in dem nahen Tempel der Bellona, wo Sulla eben eine Senatssitzung ab- hielt, deutlich das Klirren der Waffen und das Stöhnen der Ster- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0326" n="316"/><fw place="top" type="header">VIERTES BUCH. KAPITEL IX.</fw><lb/> geschwebt als am 25. October 672, als Pontius, Lamponius,<lb/> Carrinas, Damasippus, auf der latinischen Straſse gegen Rom<lb/> herangezogen, etwa eine Viertelmeile vom collinischen Thor la-<lb/> gerten. Es drohte ein Tag wie der 20. Juli 364 d. St. und der<lb/> 15. Juni 455 n. 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VIERTES BUCH. KAPITEL IX.
geschwebt als am 25. October 672, als Pontius, Lamponius,
Carrinas, Damasippus, auf der latinischen Straſse gegen Rom
herangezogen, etwa eine Viertelmeile vom collinischen Thor la-
gerten. Es drohte ein Tag wie der 20. Juli 364 d. St. und der
15. Juni 455 n. Chr., die Tage der Kelten und der Vandalen.
Die Zeiten waren nicht mehr, wo ein Handstreich gegen Rom ein
thörichtes Unternehmen war und den Anrückenden konnte es an
Verbindungen in der Hauptstadt nicht fehlen. Die Freiwilligen-
schaar, meist vornehme Jünglinge, die aus der Stadt ausrückte,
zerstob wie Spreu vor der ungeheuren Uebermacht. Die einzige
Hoffnung der Rettung beruhte auf Sulla. Dieser war auf die
Nachricht vom Abmarsch des samnitischen Heeres in der Rich-
tung auf Rom gleichfalls eiligst aufgebrochen der Hauptstadt zu
Hülfe. Den sinkenden Muth der Bürgerschaft belebte im Laufe
des Morgens das Erscheinen seiner ersten Reiter unter Balbus;
um Mittag erschien er selbst mit der Hauptmacht und ordnete
sofort am Tempel der erycinischen Aphrodite vor dem collini-
schen Thor (unweit Porta Pia) die Reihen zur Schlacht. Seine
Unterbefehlshaber beschworen ihn nicht die durch den Gewalt-
marsch erschöpften Truppen sofort in den Kampf zu schicken;
aber Sulla erwog, was die Nacht über Rom bringen könne, und
befahl noch am späten Nachmittag den Angriff. Die Schlacht
war hart bestritten und blutig. Der linke Flügel Sullas, den er
selbst anführte, wich zurück bis an die Stadtmauer, so daſs es
nothwendig ward die Stadtthore zu schlieſsen; schon brachten
Versprengte die Nachricht an Ofella, daſs die Schlacht verloren
sei. Allein auf dem rechten Flügel warf Marcus Crassus den Feind
und verfolgte ihn bis Antemnae, wodurch auch der andere Flügel
wieder Luft bekam und eine Stunde nach Sonnenuntergang auch
seinerseits zum Vorrücken übergehen konnte. Die ganze Nacht
und noch den folgenden Morgen ward gefochten; erst der Ueber-
tritt einer Abtheilung von 3000 Mann, die sofort die Waffen
gegen die früheren Kameraden wandten, setzte dem Kampf ein
Ziel. Rom war gerettet. Die Insurgentenarmee, für die es nir-
gends einen Rückzug gab, wurde vollständig aufgerieben. Die in
der Schlacht gemachten Gefangenen, 3-4000 an der Zahl, dar-
unter die Generale Damasippus, Carrinas und den schwer ver-
wundeten Pontius, lieſs Sulla am dritten Tage nach der Schlacht
in das städtische Meierhaus auf dem Marsfeld führen und da-
selbst bis auf den letzten Mann niederhauen, so daſs man in dem
nahen Tempel der Bellona, wo Sulla eben eine Senatssitzung ab-
hielt, deutlich das Klirren der Waffen und das Stöhnen der Ster-
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