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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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denselben entstandenen Zwistigkeiten geschickt benutzend, sich
zu entziehen oder sie einzeln zu schlagen und mit dem Haupt-
heer Sullas, wie es scheint in Apulien, die Verbindung herzustellen.
Sulla begrüsste ihn als Imperator, das heisst als einen im eigenen
Namen commandirenden und ihm selbst an Rang gleichstehenden
Offizier und zeichnete den Jüngling durch Ehrenbezeugungen aus,
wie er sie keinem seiner vornehmen Clienten erwies -- vermuth-
lich nicht ohne die Nebenabsicht der charakterlosen Schwäche
seiner eigenen Parteigenossen damit eine indirecte Züchtigung
zukommen zu lassen. -- Also moralisch und materiell ansehn-
lich verstärkt wandten Sulla und Metellus aus Apulien durch die
immer noch insurgirten samnitischen Gegenden sich nach Cam-
panien. Hieher hatte auch die feindliche Hauptmacht sich be-
geben und es schien die Entscheidung hier fallen zu müssen.
Das Heer des Consuls Gaius Norbanus stand um Capua, wo eben
unter dessen Schutz die neue Colonie mit allem demokratischen
Pomp sich constituirte. Bevor die zweite auf der appischen
Strasse nachrückende Consulararmee unter Scipio herankam,
stand Sulla dem Heer des Norbanus gegenüber. Ein letzter Ver-
mittlungsversuch, den Sulla machte, führte nur dazu, dass man
an seinen Boten sich vergriff; so warfen seine kampfgewohnten
Schaaren in frischer Erbitterung sich auf den Feind und ihr ge-
waltiger Stoss, wie sie vom Berge Tifata herab den in der Ebene
aufgestellten Feind angriffen, zersprengte denselben im ersten
Anlauf. Norbanus war gezwungen mit dem Rest seiner Mann-
schaft sich in die revolutionäre Colonie Capua und die Neubür-
gerstadt Neapolis zu werfen und dort sich blokiren zu lassen.
Sullas Truppen, bisher nicht ohne Besorgniss ihre schwache
Zahl mit den feindlichen Massen vergleichend, hatten durch die-
sen Sieg das Vollgefühl militärischer Ueberlegenheit gewonnen;
die Städte wurden umstellt und Sulla selbst rückte auf der appi-
schen Strasse vor gegen Teanum, wo Scipio stand. Auch ihm
bot er, ehe der Kampf begann, noch einmal die Hand zum Frie-
den; es scheint in gutem Ernste. Scipio, schwach wie er war,
ging darauf ein; ein Waffenstillstand ward geschlossen; zwischen
Cales und Teanum kamen die beiden Feldherren, beide Glieder
des gleichen Adelsgeschlechts, beide gebildet und feingesittet und
langjährige Collegen im Senat, persönlich zusammen; man liess
sich auf die einzelnen Fragen ein; schon war man so weit, dass
Scipio einen Boten nach Capua absandte, um die Meinung seines
Collegen einzuholen. Inzwischen mischten sich die Soldaten bei-
der Lager; die Sullaner, von ihrem Feldherrn reichlich mit Gelde

CINNA UND SULLA.
denselben entstandenen Zwistigkeiten geschickt benutzend, sich
zu entziehen oder sie einzeln zu schlagen und mit dem Haupt-
heer Sullas, wie es scheint in Apulien, die Verbindung herzustellen.
Sulla begrüſste ihn als Imperator, das heiſst als einen im eigenen
Namen commandirenden und ihm selbst an Rang gleichstehenden
Offizier und zeichnete den Jüngling durch Ehrenbezeugungen aus,
wie er sie keinem seiner vornehmen Clienten erwies — vermuth-
lich nicht ohne die Nebenabsicht der charakterlosen Schwäche
seiner eigenen Parteigenossen damit eine indirecte Züchtigung
zukommen zu lassen. — Also moralisch und materiell ansehn-
lich verstärkt wandten Sulla und Metellus aus Apulien durch die
immer noch insurgirten samnitischen Gegenden sich nach Cam-
panien. Hieher hatte auch die feindliche Hauptmacht sich be-
geben und es schien die Entscheidung hier fallen zu müssen.
Das Heer des Consuls Gaius Norbanus stand um Capua, wo eben
unter dessen Schutz die neue Colonie mit allem demokratischen
Pomp sich constituirte. Bevor die zweite auf der appischen
Straſse nachrückende Consulararmee unter Scipio herankam,
stand Sulla dem Heer des Norbanus gegenüber. Ein letzter Ver-
mittlungsversuch, den Sulla machte, führte nur dazu, daſs man
an seinen Boten sich vergriff; so warfen seine kampfgewohnten
Schaaren in frischer Erbitterung sich auf den Feind und ihr ge-
waltiger Stoſs, wie sie vom Berge Tifata herab den in der Ebene
aufgestellten Feind angriffen, zersprengte denselben im ersten
Anlauf. Norbanus war gezwungen mit dem Rest seiner Mann-
schaft sich in die revolutionäre Colonie Capua und die Neubür-
gerstadt Neapolis zu werfen und dort sich blokiren zu lassen.
Sullas Truppen, bisher nicht ohne Besorgniſs ihre schwache
Zahl mit den feindlichen Massen vergleichend, hatten durch die-
sen Sieg das Vollgefühl militärischer Ueberlegenheit gewonnen;
die Städte wurden umstellt und Sulla selbst rückte auf der appi-
schen Straſse vor gegen Teanum, wo Scipio stand. Auch ihm
bot er, ehe der Kampf begann, noch einmal die Hand zum Frie-
den; es scheint in gutem Ernste. Scipio, schwach wie er war,
ging darauf ein; ein Waffenstillstand ward geschlossen; zwischen
Cales und Teanum kamen die beiden Feldherren, beide Glieder
des gleichen Adelsgeschlechts, beide gebildet und feingesittet und
langjährige Collegen im Senat, persönlich zusammen; man lieſs
sich auf die einzelnen Fragen ein; schon war man so weit, daſs
Scipio einen Boten nach Capua absandte, um die Meinung seines
Collegen einzuholen. Inzwischen mischten sich die Soldaten bei-
der Lager; die Sullaner, von ihrem Feldherrn reichlich mit Gelde

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[309/0319] CINNA UND SULLA. denselben entstandenen Zwistigkeiten geschickt benutzend, sich zu entziehen oder sie einzeln zu schlagen und mit dem Haupt- heer Sullas, wie es scheint in Apulien, die Verbindung herzustellen. Sulla begrüſste ihn als Imperator, das heiſst als einen im eigenen Namen commandirenden und ihm selbst an Rang gleichstehenden Offizier und zeichnete den Jüngling durch Ehrenbezeugungen aus, wie er sie keinem seiner vornehmen Clienten erwies — vermuth- lich nicht ohne die Nebenabsicht der charakterlosen Schwäche seiner eigenen Parteigenossen damit eine indirecte Züchtigung zukommen zu lassen. — Also moralisch und materiell ansehn- lich verstärkt wandten Sulla und Metellus aus Apulien durch die immer noch insurgirten samnitischen Gegenden sich nach Cam- panien. Hieher hatte auch die feindliche Hauptmacht sich be- geben und es schien die Entscheidung hier fallen zu müssen. Das Heer des Consuls Gaius Norbanus stand um Capua, wo eben unter dessen Schutz die neue Colonie mit allem demokratischen Pomp sich constituirte. Bevor die zweite auf der appischen Straſse nachrückende Consulararmee unter Scipio herankam, stand Sulla dem Heer des Norbanus gegenüber. Ein letzter Ver- mittlungsversuch, den Sulla machte, führte nur dazu, daſs man an seinen Boten sich vergriff; so warfen seine kampfgewohnten Schaaren in frischer Erbitterung sich auf den Feind und ihr ge- waltiger Stoſs, wie sie vom Berge Tifata herab den in der Ebene aufgestellten Feind angriffen, zersprengte denselben im ersten Anlauf. Norbanus war gezwungen mit dem Rest seiner Mann- schaft sich in die revolutionäre Colonie Capua und die Neubür- gerstadt Neapolis zu werfen und dort sich blokiren zu lassen. Sullas Truppen, bisher nicht ohne Besorgniſs ihre schwache Zahl mit den feindlichen Massen vergleichend, hatten durch die- sen Sieg das Vollgefühl militärischer Ueberlegenheit gewonnen; die Städte wurden umstellt und Sulla selbst rückte auf der appi- schen Straſse vor gegen Teanum, wo Scipio stand. Auch ihm bot er, ehe der Kampf begann, noch einmal die Hand zum Frie- den; es scheint in gutem Ernste. Scipio, schwach wie er war, ging darauf ein; ein Waffenstillstand ward geschlossen; zwischen Cales und Teanum kamen die beiden Feldherren, beide Glieder des gleichen Adelsgeschlechts, beide gebildet und feingesittet und langjährige Collegen im Senat, persönlich zusammen; man lieſs sich auf die einzelnen Fragen ein; schon war man so weit, daſs Scipio einen Boten nach Capua absandte, um die Meinung seines Collegen einzuholen. Inzwischen mischten sich die Soldaten bei- der Lager; die Sullaner, von ihrem Feldherrn reichlich mit Gelde

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/319>, abgerufen am 25.11.2024.