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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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VIERTES BUCH. KAPITEL VIII.
zog daselbst die inzwischen nach Sullas Anordnung in Thessa-
lien erbauten Schiffe an sich und gewährte in ihrer den Helles-
pont beherrschenden Stellung dem Feldherrn der römischen Ar-
mee für das nächste Frühjahr den sicheren und bequemen
Uebergang nach Asien.

Mithradates versuchte zu unterhandeln. Unter anderen Ver-
hältnissen zwar hätte der Urheber des ephesischen Mordedicts
nie und nimmermehr hoffen dürfen zum Frieden mit Rom ge-
lassen zu werden; allein bei den inneren Convulsionen der rö-
mischen Republik, wo die herrschende Regierung den Mithrada-
tes gegenüberstehenden Feldherrn in die Acht erklärt hatte und
daheim gegen seine Parteigenossen in der grauenhaftesten Weise
wüthete, wo ein römischer General gegen den andern und doch
wieder beide gegen denselben Feind standen, hoffte er nicht bloss
einen Frieden, sondern einen günstigen Frieden erlangen zu
können. Er hatte die Wahl sich an Sulla oder an Fimbria zu
wenden; mit beiden liess er unterhandeln, doch scheint seine Ab-
sicht von Haus aus gewesen zu sein mit Sulla abzuschliessen, der
wenigstens in dem Horizont des Königs als seinem Nebenbuhler
entschieden überlegen erschien. Sein Feldherr Archelaos erhielt
den Auftrag Sulla aufzufordern auf Asien zu verzichten und dafür
die Hülfe des Königs anzunehmen gegen die demokratische Partei
in Rom. Aber Sulla, kühl und klar wie immer, schlug die Vor-
theile der kappadokischen Allianz für den ihm in Italien bevor-
stehenden Krieg sehr niedrig an und war überhaupt viel zu sehr
Römer, um in eine so entehrende und so nachtheilige Abtretung
zu willigen. In den Friedensconferenzen, die im Winter 669/70
zu Delion an der boeotischen Küste Euboea gegenüber stattfanden,
weigerte er sich bestimmt auch nur einen Fussbreit Landes ab-
zutreten, ging aber übrigens bis an die äussersten Grenzen der
Nachgiebigkeit. Er bewilligte dem König den Besitzstand, den er
vor dem Kriege gehabt, und forderte nichts als Auslieferung der
Gefangenen und Ueberläufer, Rücksendung der nach dem schwar-
zen Meer weggeführten Chier, Uebergabe von 80 Kriegsschiffen
zur Verstärkung der immer noch geringen römischen Flotte, end-
lich Ersatz der Kriegskosten mit der sehr mässigen Summe von
3000 Talenten (5 Mill. Thlr.) * Archelaos, deutlich erkennend,

* Die Angabe, dass Mithradates den Städten, die seine Partei ergriffen
hatten, im Frieden Straflosigkeit ausbedungen habe (Memnon 35), er-
scheint schon nach dem Charakter des Siegers wie des Besiegten wenig
glaublich. Die schriftliche Abfassung des Friedensvertrages ward versäumt,
was zu vielen Entstellungen benutzt ward.

VIERTES BUCH. KAPITEL VIII.
zog daselbst die inzwischen nach Sullas Anordnung in Thessa-
lien erbauten Schiffe an sich und gewährte in ihrer den Helles-
pont beherrschenden Stellung dem Feldherrn der römischen Ar-
mee für das nächste Frühjahr den sicheren und bequemen
Uebergang nach Asien.

Mithradates versuchte zu unterhandeln. Unter anderen Ver-
hältnissen zwar hätte der Urheber des ephesischen Mordedicts
nie und nimmermehr hoffen dürfen zum Frieden mit Rom ge-
lassen zu werden; allein bei den inneren Convulsionen der rö-
mischen Republik, wo die herrschende Regierung den Mithrada-
tes gegenüberstehenden Feldherrn in die Acht erklärt hatte und
daheim gegen seine Parteigenossen in der grauenhaftesten Weise
wüthete, wo ein römischer General gegen den andern und doch
wieder beide gegen denselben Feind standen, hoffte er nicht bloſs
einen Frieden, sondern einen günstigen Frieden erlangen zu
können. Er hatte die Wahl sich an Sulla oder an Fimbria zu
wenden; mit beiden lieſs er unterhandeln, doch scheint seine Ab-
sicht von Haus aus gewesen zu sein mit Sulla abzuschlieſsen, der
wenigstens in dem Horizont des Königs als seinem Nebenbuhler
entschieden überlegen erschien. Sein Feldherr Archelaos erhielt
den Auftrag Sulla aufzufordern auf Asien zu verzichten und dafür
die Hülfe des Königs anzunehmen gegen die demokratische Partei
in Rom. Aber Sulla, kühl und klar wie immer, schlug die Vor-
theile der kappadokischen Allianz für den ihm in Italien bevor-
stehenden Krieg sehr niedrig an und war überhaupt viel zu sehr
Römer, um in eine so entehrende und so nachtheilige Abtretung
zu willigen. In den Friedensconferenzen, die im Winter 669/70
zu Delion an der boeotischen Küste Euboea gegenüber stattfanden,
weigerte er sich bestimmt auch nur einen Fuſsbreit Landes ab-
zutreten, ging aber übrigens bis an die äuſsersten Grenzen der
Nachgiebigkeit. Er bewilligte dem König den Besitzstand, den er
vor dem Kriege gehabt, und forderte nichts als Auslieferung der
Gefangenen und Ueberläufer, Rücksendung der nach dem schwar-
zen Meer weggeführten Chier, Uebergabe von 80 Kriegsschiffen
zur Verstärkung der immer noch geringen römischen Flotte, end-
lich Ersatz der Kriegskosten mit der sehr mäſsigen Summe von
3000 Talenten (5 Mill. Thlr.) * Archelaos, deutlich erkennend,

* Die Angabe, daſs Mithradates den Städten, die seine Partei ergriffen
hatten, im Frieden Straflosigkeit ausbedungen habe (Memnon 35), er-
scheint schon nach dem Charakter des Siegers wie des Besiegten wenig
glaublich. Die schriftliche Abfassung des Friedensvertrages ward versäumt,
was zu vielen Entstellungen benutzt ward.
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[286/0296] VIERTES BUCH. KAPITEL VIII. zog daselbst die inzwischen nach Sullas Anordnung in Thessa- lien erbauten Schiffe an sich und gewährte in ihrer den Helles- pont beherrschenden Stellung dem Feldherrn der römischen Ar- mee für das nächste Frühjahr den sicheren und bequemen Uebergang nach Asien. Mithradates versuchte zu unterhandeln. Unter anderen Ver- hältnissen zwar hätte der Urheber des ephesischen Mordedicts nie und nimmermehr hoffen dürfen zum Frieden mit Rom ge- lassen zu werden; allein bei den inneren Convulsionen der rö- mischen Republik, wo die herrschende Regierung den Mithrada- tes gegenüberstehenden Feldherrn in die Acht erklärt hatte und daheim gegen seine Parteigenossen in der grauenhaftesten Weise wüthete, wo ein römischer General gegen den andern und doch wieder beide gegen denselben Feind standen, hoffte er nicht bloſs einen Frieden, sondern einen günstigen Frieden erlangen zu können. Er hatte die Wahl sich an Sulla oder an Fimbria zu wenden; mit beiden lieſs er unterhandeln, doch scheint seine Ab- sicht von Haus aus gewesen zu sein mit Sulla abzuschlieſsen, der wenigstens in dem Horizont des Königs als seinem Nebenbuhler entschieden überlegen erschien. Sein Feldherr Archelaos erhielt den Auftrag Sulla aufzufordern auf Asien zu verzichten und dafür die Hülfe des Königs anzunehmen gegen die demokratische Partei in Rom. Aber Sulla, kühl und klar wie immer, schlug die Vor- theile der kappadokischen Allianz für den ihm in Italien bevor- stehenden Krieg sehr niedrig an und war überhaupt viel zu sehr Römer, um in eine so entehrende und so nachtheilige Abtretung zu willigen. In den Friedensconferenzen, die im Winter 669/70 zu Delion an der boeotischen Küste Euboea gegenüber stattfanden, weigerte er sich bestimmt auch nur einen Fuſsbreit Landes ab- zutreten, ging aber übrigens bis an die äuſsersten Grenzen der Nachgiebigkeit. Er bewilligte dem König den Besitzstand, den er vor dem Kriege gehabt, und forderte nichts als Auslieferung der Gefangenen und Ueberläufer, Rücksendung der nach dem schwar- zen Meer weggeführten Chier, Uebergabe von 80 Kriegsschiffen zur Verstärkung der immer noch geringen römischen Flotte, end- lich Ersatz der Kriegskosten mit der sehr mäſsigen Summe von 3000 Talenten (5 Mill. Thlr.) * Archelaos, deutlich erkennend, * Die Angabe, daſs Mithradates den Städten, die seine Partei ergriffen hatten, im Frieden Straflosigkeit ausbedungen habe (Memnon 35), er- scheint schon nach dem Charakter des Siegers wie des Besiegten wenig glaublich. Die schriftliche Abfassung des Friedensvertrages ward versäumt, was zu vielen Entstellungen benutzt ward.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/296>, abgerufen am 25.11.2024.