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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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VIERTES BUCH. KAPITEL VIII.
Alexandreia; allein der aegyptische Hof lehnte die Bitte um Un-
terstützung mit Kriegsschiffen ebenso höflich wie entschieden ab.
Kaum irgendwo zeigt sich so deutlich wie hier der tiefe Verfall
des römischen Staats, der einst das Angebot der Könige von
Aegypten mit ihrer ganzen Seemacht den Römern beizustehen
dankbar abzulehnen vermocht hatte und jetzt selbst den fernen
Aegyptern bankerott erschien. Zu allem dem kam die finanzielle
Bedrängniss; schon hatte Sulla die Schatzhäuser des olympischen
Zeus, des delphischen Apollon, des epidaurischen Asklepios lee-
ren müssen, wofür die Götter entschädigt wurden durch Anwei-
sung der den Thebanern zur Strafe entzogenen Halbschied ihres
Gebiets. Aber weit schlimmer als all diese militärische und finan-
zielle Verlegenheit war der Rückschlag der politischen Umwäl-
zungen in Rom, deren rasche, durchgreifende, gewaltsame Voll-
endung die ärgsten Befürchtungen weit hinter sich gelassen
hatte. Die Revolution führte in der Hauptstadt das Regiment;
Sulla war abgesetzt, das asiatische Commando an seiner Stelle
dem demokratischen Consul Marcus Valerius Flaccus übertragen
worden, den man täglich in Griechenland erwarten konnte.
Zwar hatte die Soldatesca festgehalten an Sulla, der alles that um
sie bei guter Laune zu erhalten; aber was liess sich erwarten, wo
Geld und Zufuhr ausblieben, wo der Feldherr abgesetzt und ge-
ächtet, sein Nachfolger im Anmarsch war und zu allem diesem
der Krieg gegen den zähen seemächtigen Gegner aussichtslos
sich hinspann!

König Mithradates übernahm es den Gegner aus seiner be-
denklichen Lage zu befreien. Allem Anschein nach war er es,
der das Defensivsystem seiner Generale missbilligte und ihnen
Befehl schickte den Feind fördersamst zu überwinden. Schon
667 war sein Sohn Ariarathes aus Makedonien aufgebrochen um
Sulla im eigentlichen Griechenland zu bekämpfen; nur der plötz-
liche Tod, der den Prinzen auf dem Marsch am tisaeischen Vor-
gebirg in Thessalien ereilte, hatte die Expedition damals rück-
gängig gemacht. Sein Nachfolger Taxiles erschien jetzt (668),
das in Thessalien stehende römische Corps vor sich hertreibend,
mit einem Heer von angeblich 100000 Mann zu Fuss und 10000
Reitern an den Thermopylen. Mit ihm vereinigte sich Dromi-
chaetes. Auch Archelaos räumte -- es scheint weniger durch
Sullas Waffen als durch Befehle seines Herrn gezwungen -- den
Peiraeeus erst theilweise, sodann ganz und stiess in Boeotien zu
der pontischen Hauptarmee. Sulla, nachdem der Peiraeeus mit
all seinen vielbewunderten Bauwerken auf seinen Befehl zerstört.

VIERTES BUCH. KAPITEL VIII.
Alexandreia; allein der aegyptische Hof lehnte die Bitte um Un-
terstützung mit Kriegsschiffen ebenso höflich wie entschieden ab.
Kaum irgendwo zeigt sich so deutlich wie hier der tiefe Verfall
des römischen Staats, der einst das Angebot der Könige von
Aegypten mit ihrer ganzen Seemacht den Römern beizustehen
dankbar abzulehnen vermocht hatte und jetzt selbst den fernen
Aegyptern bankerott erschien. Zu allem dem kam die finanzielle
Bedrängniſs; schon hatte Sulla die Schatzhäuser des olympischen
Zeus, des delphischen Apollon, des epidaurischen Asklepios lee-
ren müssen, wofür die Götter entschädigt wurden durch Anwei-
sung der den Thebanern zur Strafe entzogenen Halbschied ihres
Gebiets. Aber weit schlimmer als all diese militärische und finan-
zielle Verlegenheit war der Rückschlag der politischen Umwäl-
zungen in Rom, deren rasche, durchgreifende, gewaltsame Voll-
endung die ärgsten Befürchtungen weit hinter sich gelassen
hatte. Die Revolution führte in der Hauptstadt das Regiment;
Sulla war abgesetzt, das asiatische Commando an seiner Stelle
dem demokratischen Consul Marcus Valerius Flaccus übertragen
worden, den man täglich in Griechenland erwarten konnte.
Zwar hatte die Soldatesca festgehalten an Sulla, der alles that um
sie bei guter Laune zu erhalten; aber was lieſs sich erwarten, wo
Geld und Zufuhr ausblieben, wo der Feldherr abgesetzt und ge-
ächtet, sein Nachfolger im Anmarsch war und zu allem diesem
der Krieg gegen den zähen seemächtigen Gegner aussichtslos
sich hinspann!

König Mithradates übernahm es den Gegner aus seiner be-
denklichen Lage zu befreien. Allem Anschein nach war er es,
der das Defensivsystem seiner Generale miſsbilligte und ihnen
Befehl schickte den Feind fördersamst zu überwinden. Schon
667 war sein Sohn Ariarathes aus Makedonien aufgebrochen um
Sulla im eigentlichen Griechenland zu bekämpfen; nur der plötz-
liche Tod, der den Prinzen auf dem Marsch am tisaeischen Vor-
gebirg in Thessalien ereilte, hatte die Expedition damals rück-
gängig gemacht. Sein Nachfolger Taxiles erschien jetzt (668),
das in Thessalien stehende römische Corps vor sich hertreibend,
mit einem Heer von angeblich 100000 Mann zu Fuſs und 10000
Reitern an den Thermopylen. Mit ihm vereinigte sich Dromi-
chaetes. Auch Archelaos räumte — es scheint weniger durch
Sullas Waffen als durch Befehle seines Herrn gezwungen — den
Peiraeeus erst theilweise, sodann ganz und stieſs in Boeotien zu
der pontischen Hauptarmee. Sulla, nachdem der Peiraeeus mit
all seinen vielbewunderten Bauwerken auf seinen Befehl zerstört.

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[280/0290] VIERTES BUCH. KAPITEL VIII. Alexandreia; allein der aegyptische Hof lehnte die Bitte um Un- terstützung mit Kriegsschiffen ebenso höflich wie entschieden ab. Kaum irgendwo zeigt sich so deutlich wie hier der tiefe Verfall des römischen Staats, der einst das Angebot der Könige von Aegypten mit ihrer ganzen Seemacht den Römern beizustehen dankbar abzulehnen vermocht hatte und jetzt selbst den fernen Aegyptern bankerott erschien. Zu allem dem kam die finanzielle Bedrängniſs; schon hatte Sulla die Schatzhäuser des olympischen Zeus, des delphischen Apollon, des epidaurischen Asklepios lee- ren müssen, wofür die Götter entschädigt wurden durch Anwei- sung der den Thebanern zur Strafe entzogenen Halbschied ihres Gebiets. Aber weit schlimmer als all diese militärische und finan- zielle Verlegenheit war der Rückschlag der politischen Umwäl- zungen in Rom, deren rasche, durchgreifende, gewaltsame Voll- endung die ärgsten Befürchtungen weit hinter sich gelassen hatte. Die Revolution führte in der Hauptstadt das Regiment; Sulla war abgesetzt, das asiatische Commando an seiner Stelle dem demokratischen Consul Marcus Valerius Flaccus übertragen worden, den man täglich in Griechenland erwarten konnte. Zwar hatte die Soldatesca festgehalten an Sulla, der alles that um sie bei guter Laune zu erhalten; aber was lieſs sich erwarten, wo Geld und Zufuhr ausblieben, wo der Feldherr abgesetzt und ge- ächtet, sein Nachfolger im Anmarsch war und zu allem diesem der Krieg gegen den zähen seemächtigen Gegner aussichtslos sich hinspann! König Mithradates übernahm es den Gegner aus seiner be- denklichen Lage zu befreien. Allem Anschein nach war er es, der das Defensivsystem seiner Generale miſsbilligte und ihnen Befehl schickte den Feind fördersamst zu überwinden. Schon 667 war sein Sohn Ariarathes aus Makedonien aufgebrochen um Sulla im eigentlichen Griechenland zu bekämpfen; nur der plötz- liche Tod, der den Prinzen auf dem Marsch am tisaeischen Vor- gebirg in Thessalien ereilte, hatte die Expedition damals rück- gängig gemacht. Sein Nachfolger Taxiles erschien jetzt (668), das in Thessalien stehende römische Corps vor sich hertreibend, mit einem Heer von angeblich 100000 Mann zu Fuſs und 10000 Reitern an den Thermopylen. Mit ihm vereinigte sich Dromi- chaetes. Auch Archelaos räumte — es scheint weniger durch Sullas Waffen als durch Befehle seines Herrn gezwungen — den Peiraeeus erst theilweise, sodann ganz und stieſs in Boeotien zu der pontischen Hauptarmee. Sulla, nachdem der Peiraeeus mit all seinen vielbewunderten Bauwerken auf seinen Befehl zerstört.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/290>, abgerufen am 22.11.2024.