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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DER OSTEN UND KÖNIG MITHRADATES.
dazu die kaum beschwichtigte Revolution, die jeden Augenblick
drohte wiederum und furchtbarer emporzulodern; dazu endlich
die fürchterliche Handels- und Geldkrise, indem die ungeheuren
Verluste der asiatischen Capitalisten zahllose Bankerotte nach sich
zogen. Vor allem war Mangel an zuverlässigen Truppen. Die Re-
gierung hätte dreier Armeen bedurft, um in Rom die Revolution
niederzuhalten, in Italien die Insurrection völlig zu ersticken und
in Asien Krieg zu führen; sie hatte ein einziges, das des Sulla;
denn die Nordarmee war unter der unzuverlässigen Leitung des
Gnaeus Strabo nicht viel als eine Verlegenheit mehr. Die Wahl
unter jenen drei Aufgaben stand bei Sulla; er entschied sich, wie
wir sahen, für den asiatischen Krieg. Es war nichts Geringes, man
darf vielleicht sagen eine grosse patriotische That, dass in diesem
Conflict des allgemeinen vaterländischen und des besondern Par-
teiinteresses das erstere die Oberhand behielt und Sulla trotz der
Gefahren, die seine Entfernung aus Italien für seine Verfassung
und für seine Partei nach sich zog, dennoch im Frühling 667
landete an der Küste von Epeiros. Aber er kam nicht, wie sonst
römische Oberfeldherrn im Osten aufzutreten pflegten. Es war
das Wenigste, dass sein Heer von 5 Legionen oder höchstens
30000 Mann * wenig stärker war als eine gewöhnliche Consular-
armee. Sonst hatte in den östlichen Kriegen eine römische
Flotte niemals gefehlt, ja ohne Ausnahme die See beherrscht;
Sulla, gesandt um zwei Continente und die Inseln des aegaeischen
Meeres wieder zu erobern, kam ohne ein einziges Kriegsschiff.
Sonst hatte der Feldherr eine volle Kasse mit sich geführt und
den grössten Theil seiner Bedürfnisse zur See aus der Heimath
bezogen; Sulla kam mit leeren Händen -- denn die für den
Feldzug von 666 mit Noth flüssig gemachten Summen waren in
Italien draufgegangen -- und sah sich ausschliesslich angewiesen
auf Requisitionen. Sonst hatte der Feldherr seinen einzigen
Gegner im feindlichen Lager gefunden und hatten die politischen
Factionen dem Feinde gegenüber seit der Beendigung des Stän-
dekampfes ohne Ausnahme zusammengestanden; unter Mithra-
dates Feldzeichen fochten namhafte römische Männer, grosse
Landschaften Italiens begehrten mit ihm in Bündniss zu treten
und es war wenigstens zweifelhaft, ob die demokratische Partei
das rühmliche Beispiel, das Sulla ihr gegeben, befolgen und mit

* Man muss sich erinnern, dass seit dem Bundesgenossenkrieg auf die
Legion, da sie nicht mehr von italischen Contingenten begleitet ist, minde-
stens nur die halbe Mannszahl kommt wie vordem.

DER OSTEN UND KÖNIG MITHRADATES.
dazu die kaum beschwichtigte Revolution, die jeden Augenblick
drohte wiederum und furchtbarer emporzulodern; dazu endlich
die fürchterliche Handels- und Geldkrise, indem die ungeheuren
Verluste der asiatischen Capitalisten zahllose Bankerotte nach sich
zogen. Vor allem war Mangel an zuverlässigen Truppen. Die Re-
gierung hätte dreier Armeen bedurft, um in Rom die Revolution
niederzuhalten, in Italien die Insurrection völlig zu ersticken und
in Asien Krieg zu führen; sie hatte ein einziges, das des Sulla;
denn die Nordarmee war unter der unzuverlässigen Leitung des
Gnaeus Strabo nicht viel als eine Verlegenheit mehr. Die Wahl
unter jenen drei Aufgaben stand bei Sulla; er entschied sich, wie
wir sahen, für den asiatischen Krieg. Es war nichts Geringes, man
darf vielleicht sagen eine groſse patriotische That, daſs in diesem
Conflict des allgemeinen vaterländischen und des besondern Par-
teiinteresses das erstere die Oberhand behielt und Sulla trotz der
Gefahren, die seine Entfernung aus Italien für seine Verfassung
und für seine Partei nach sich zog, dennoch im Frühling 667
landete an der Küste von Epeiros. Aber er kam nicht, wie sonst
römische Oberfeldherrn im Osten aufzutreten pflegten. Es war
das Wenigste, daſs sein Heer von 5 Legionen oder höchstens
30000 Mann * wenig stärker war als eine gewöhnliche Consular-
armee. Sonst hatte in den östlichen Kriegen eine römische
Flotte niemals gefehlt, ja ohne Ausnahme die See beherrscht;
Sulla, gesandt um zwei Continente und die Inseln des aegaeischen
Meeres wieder zu erobern, kam ohne ein einziges Kriegsschiff.
Sonst hatte der Feldherr eine volle Kasse mit sich geführt und
den gröſsten Theil seiner Bedürfnisse zur See aus der Heimath
bezogen; Sulla kam mit leeren Händen — denn die für den
Feldzug von 666 mit Noth flüssig gemachten Summen waren in
Italien draufgegangen — und sah sich ausschlieſslich angewiesen
auf Requisitionen. Sonst hatte der Feldherr seinen einzigen
Gegner im feindlichen Lager gefunden und hatten die politischen
Factionen dem Feinde gegenüber seit der Beendigung des Stän-
dekampfes ohne Ausnahme zusammengestanden; unter Mithra-
dates Feldzeichen fochten namhafte römische Männer, groſse
Landschaften Italiens begehrten mit ihm in Bündniſs zu treten
und es war wenigstens zweifelhaft, ob die demokratische Partei
das rühmliche Beispiel, das Sulla ihr gegeben, befolgen und mit

* Man muſs sich erinnern, daſs seit dem Bundesgenossenkrieg auf die
Legion, da sie nicht mehr von italischen Contingenten begleitet ist, minde-
stens nur die halbe Mannszahl kommt wie vordem.
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[277/0287] DER OSTEN UND KÖNIG MITHRADATES. dazu die kaum beschwichtigte Revolution, die jeden Augenblick drohte wiederum und furchtbarer emporzulodern; dazu endlich die fürchterliche Handels- und Geldkrise, indem die ungeheuren Verluste der asiatischen Capitalisten zahllose Bankerotte nach sich zogen. Vor allem war Mangel an zuverlässigen Truppen. Die Re- gierung hätte dreier Armeen bedurft, um in Rom die Revolution niederzuhalten, in Italien die Insurrection völlig zu ersticken und in Asien Krieg zu führen; sie hatte ein einziges, das des Sulla; denn die Nordarmee war unter der unzuverlässigen Leitung des Gnaeus Strabo nicht viel als eine Verlegenheit mehr. Die Wahl unter jenen drei Aufgaben stand bei Sulla; er entschied sich, wie wir sahen, für den asiatischen Krieg. Es war nichts Geringes, man darf vielleicht sagen eine groſse patriotische That, daſs in diesem Conflict des allgemeinen vaterländischen und des besondern Par- teiinteresses das erstere die Oberhand behielt und Sulla trotz der Gefahren, die seine Entfernung aus Italien für seine Verfassung und für seine Partei nach sich zog, dennoch im Frühling 667 landete an der Küste von Epeiros. Aber er kam nicht, wie sonst römische Oberfeldherrn im Osten aufzutreten pflegten. Es war das Wenigste, daſs sein Heer von 5 Legionen oder höchstens 30000 Mann * wenig stärker war als eine gewöhnliche Consular- armee. Sonst hatte in den östlichen Kriegen eine römische Flotte niemals gefehlt, ja ohne Ausnahme die See beherrscht; Sulla, gesandt um zwei Continente und die Inseln des aegaeischen Meeres wieder zu erobern, kam ohne ein einziges Kriegsschiff. Sonst hatte der Feldherr eine volle Kasse mit sich geführt und den gröſsten Theil seiner Bedürfnisse zur See aus der Heimath bezogen; Sulla kam mit leeren Händen — denn die für den Feldzug von 666 mit Noth flüssig gemachten Summen waren in Italien draufgegangen — und sah sich ausschlieſslich angewiesen auf Requisitionen. Sonst hatte der Feldherr seinen einzigen Gegner im feindlichen Lager gefunden und hatten die politischen Factionen dem Feinde gegenüber seit der Beendigung des Stän- dekampfes ohne Ausnahme zusammengestanden; unter Mithra- dates Feldzeichen fochten namhafte römische Männer, groſse Landschaften Italiens begehrten mit ihm in Bündniſs zu treten und es war wenigstens zweifelhaft, ob die demokratische Partei das rühmliche Beispiel, das Sulla ihr gegeben, befolgen und mit * Man muſs sich erinnern, daſs seit dem Bundesgenossenkrieg auf die Legion, da sie nicht mehr von italischen Contingenten begleitet ist, minde- stens nur die halbe Mannszahl kommt wie vordem.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/287>, abgerufen am 22.11.2024.