Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.VIERTES BUCH. KAPITEL I. zusammengewirkt haben mögen. Indess begleitete ihn freiwilligeine grosse Anzahl von Freunden und Clienten, unter ihnen sein Bruder Maximus Aemilianus, der vor einigen Jahren mit Aus- zeichnung gegen Viriathus commandirt hatte. Gestützt auf diese zuverlässige Schaar, die als Feldherrnwache constituirt ward, be- gann Scipio das tief zerrüttete Heer zu reorganisiren (620). Vor allen Dingen musste der Tross das Lager räumen -- es fan- den sich bis 2000 Dirnen und eine Unzahl Wahrsager und Pfaf- fen von allen Sorten -- und da der Soldat zum Fechten un- brauchbar war, musste er wenigstens schanzen und mar- schiren. Den ersten Sommer vermied der Feldherr jeden Kampf mit den Numantinern; er begnügte sich die Vorräthe in der Um- gegend zu vernichten und die Vaccaeer, die den Numantinern Korn verkauften, zu züchtigen und zur Anerkennung der Ober- hoheit Roms zu zwingen. Erst gegen den Winter zog Scipio sein Heer um Numantia zusammen; ausser dem numidischen Contin- gent von Reitern, Fusssoldaten und zwölf Elephanten unter An- führung des Prinzen Iugurtha und den zahlreichen spanischen Zuzügen waren es vier Legionen, überhaupt eine Heermasse von 60000 Mann, die eine Stadt einschlossen mit einer waffenfähigen Bürgerschaft von höchstens 8000 Köpfen. Dennoch boten die Belagerten oftmals den Kampf an; allein Scipio, wohl erkennend, dass die vieljährige Zuchtlosigkeit nicht mit einem Schlag sich ausrotten lasse, verweigerte jedes Gefecht, und wo es dennoch bei den Ausfällen der Belagerten dazu kam, rechtfertigte die feige kaum durch das persönliche Erscheinen des Feldherrn gehemmte Flucht der Legionarier diese Taktik nur zu sehr. Nie hat ein Feldherr seine Soldaten verächtlicher behandelt als Scipio die numantinische Armee, der er nicht bloss mit bitteren Reden, sondern vor allem durch die That bewies, was er von ihr halte. Zum ersten Mal führten die Römer, wo es nur an ihnen lag das Schwert zu brauchen, den Kampf mit Hacke und Spaten. In dem ganzen Umfang der Stadtmauern von reichlich einer hal- ben deutschen Meile ward eine doppelt so ausgedehnte, mit Mauern, Thürmen und Gräben versehene zwiefache Umwallungs- linie aufgeführt und auch der Duerofluss, auf dem den Belagerten anfangs noch durch kühne Schiffer und Taucher einige Vorräthe zugekommen waren, endlich abgesperrt. So musste die Stadt, die zu erstürmen man nicht wagte, durch Hunger erdrückt wer- den, um so mehr als es der Bürgerschaft nicht möglich gewesen war sich während des letzten Sommers zu verproviantiren. Bald litten die Numantiner Mangel an Allem. Einer ihrer kühnsten VIERTES BUCH. KAPITEL I. zusammengewirkt haben mögen. Indeſs begleitete ihn freiwilligeine groſse Anzahl von Freunden und Clienten, unter ihnen sein Bruder Maximus Aemilianus, der vor einigen Jahren mit Aus- zeichnung gegen Viriathus commandirt hatte. Gestützt auf diese zuverlässige Schaar, die als Feldherrnwache constituirt ward, be- gann Scipio das tief zerrüttete Heer zu reorganisiren (620). Vor allen Dingen muſste der Troſs das Lager räumen — es fan- den sich bis 2000 Dirnen und eine Unzahl Wahrsager und Pfaf- fen von allen Sorten — und da der Soldat zum Fechten un- brauchbar war, muſste er wenigstens schanzen und mar- schiren. Den ersten Sommer vermied der Feldherr jeden Kampf mit den Numantinern; er begnügte sich die Vorräthe in der Um- gegend zu vernichten und die Vaccaeer, die den Numantinern Korn verkauften, zu züchtigen und zur Anerkennung der Ober- hoheit Roms zu zwingen. Erst gegen den Winter zog Scipio sein Heer um Numantia zusammen; auſser dem numidischen Contin- gent von Reitern, Fuſssoldaten und zwölf Elephanten unter An- führung des Prinzen Iugurtha und den zahlreichen spanischen Zuzügen waren es vier Legionen, überhaupt eine Heermasse von 60000 Mann, die eine Stadt einschlossen mit einer waffenfähigen Bürgerschaft von höchstens 8000 Köpfen. Dennoch boten die Belagerten oftmals den Kampf an; allein Scipio, wohl erkennend, daſs die vieljährige Zuchtlosigkeit nicht mit einem Schlag sich ausrotten lasse, verweigerte jedes Gefecht, und wo es dennoch bei den Ausfällen der Belagerten dazu kam, rechtfertigte die feige kaum durch das persönliche Erscheinen des Feldherrn gehemmte Flucht der Legionarier diese Taktik nur zu sehr. Nie hat ein Feldherr seine Soldaten verächtlicher behandelt als Scipio die numantinische Armee, der er nicht bloſs mit bitteren Reden, sondern vor allem durch die That bewies, was er von ihr halte. Zum ersten Mal führten die Römer, wo es nur an ihnen lag das Schwert zu brauchen, den Kampf mit Hacke und Spaten. In dem ganzen Umfang der Stadtmauern von reichlich einer hal- ben deutschen Meile ward eine doppelt so ausgedehnte, mit Mauern, Thürmen und Gräben versehene zwiefache Umwallungs- linie aufgeführt und auch der Duerofluſs, auf dem den Belagerten anfangs noch durch kühne Schiffer und Taucher einige Vorräthe zugekommen waren, endlich abgesperrt. So muſste die Stadt, die zu erstürmen man nicht wagte, durch Hunger erdrückt wer- den, um so mehr als es der Bürgerschaft nicht möglich gewesen war sich während des letzten Sommers zu verproviantiren. Bald litten die Numantiner Mangel an Allem. Einer ihrer kühnsten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0026" n="16"/><fw place="top" type="header">VIERTES BUCH. KAPITEL I.</fw><lb/> zusammengewirkt haben mögen. 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VIERTES BUCH. KAPITEL I.
zusammengewirkt haben mögen. Indeſs begleitete ihn freiwillig
eine groſse Anzahl von Freunden und Clienten, unter ihnen sein
Bruder Maximus Aemilianus, der vor einigen Jahren mit Aus-
zeichnung gegen Viriathus commandirt hatte. Gestützt auf diese
zuverlässige Schaar, die als Feldherrnwache constituirt ward, be-
gann Scipio das tief zerrüttete Heer zu reorganisiren (620).
Vor allen Dingen muſste der Troſs das Lager räumen — es fan-
den sich bis 2000 Dirnen und eine Unzahl Wahrsager und Pfaf-
fen von allen Sorten — und da der Soldat zum Fechten un-
brauchbar war, muſste er wenigstens schanzen und mar-
schiren. Den ersten Sommer vermied der Feldherr jeden Kampf
mit den Numantinern; er begnügte sich die Vorräthe in der Um-
gegend zu vernichten und die Vaccaeer, die den Numantinern
Korn verkauften, zu züchtigen und zur Anerkennung der Ober-
hoheit Roms zu zwingen. Erst gegen den Winter zog Scipio sein
Heer um Numantia zusammen; auſser dem numidischen Contin-
gent von Reitern, Fuſssoldaten und zwölf Elephanten unter An-
führung des Prinzen Iugurtha und den zahlreichen spanischen
Zuzügen waren es vier Legionen, überhaupt eine Heermasse von
60000 Mann, die eine Stadt einschlossen mit einer waffenfähigen
Bürgerschaft von höchstens 8000 Köpfen. Dennoch boten die
Belagerten oftmals den Kampf an; allein Scipio, wohl erkennend,
daſs die vieljährige Zuchtlosigkeit nicht mit einem Schlag sich
ausrotten lasse, verweigerte jedes Gefecht, und wo es dennoch
bei den Ausfällen der Belagerten dazu kam, rechtfertigte die feige
kaum durch das persönliche Erscheinen des Feldherrn gehemmte
Flucht der Legionarier diese Taktik nur zu sehr. Nie hat ein
Feldherr seine Soldaten verächtlicher behandelt als Scipio die
numantinische Armee, der er nicht bloſs mit bitteren Reden,
sondern vor allem durch die That bewies, was er von ihr
halte. Zum ersten Mal führten die Römer, wo es nur an ihnen
lag das Schwert zu brauchen, den Kampf mit Hacke und Spaten.
In dem ganzen Umfang der Stadtmauern von reichlich einer hal-
ben deutschen Meile ward eine doppelt so ausgedehnte, mit
Mauern, Thürmen und Gräben versehene zwiefache Umwallungs-
linie aufgeführt und auch der Duerofluſs, auf dem den Belagerten
anfangs noch durch kühne Schiffer und Taucher einige Vorräthe
zugekommen waren, endlich abgesperrt. So muſste die Stadt,
die zu erstürmen man nicht wagte, durch Hunger erdrückt wer-
den, um so mehr als es der Bürgerschaft nicht möglich gewesen
war sich während des letzten Sommers zu verproviantiren. Bald
litten die Numantiner Mangel an Allem. Einer ihrer kühnsten
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