die Samniten besetzt hielten, von Sulla ihnen entrissen und Nola umstellt. Auch in Lucanien drang der römische Feldherr Aulus Gabinius ein und errang nicht geringe Erfolge; allein nachdem er bei einem Angriff auf das feindliche Lager gefallen war, herrschte der Insurgentenführer Lamponius mit den Seinen wie- derum fast ungestört in der weiten und öden lucanisch-bretti- schen Landschaft und machte sogar einen Versuch sich Rhegions zu bemächtigen, den indess der sicilische Statthalter Gaius Nor- banus vereitelte. Trotz einzelner Unfälle näherte man sich un- aufhaltsam dem Ziel; der Fall von Nola, die Unterwerfung von Samnium, die Möglichkeit ansehnliche Streitkräfte für Asien ver- fügbar zu machen schienen nicht mehr fern, als die Wendung der Dinge in der Hauptstadt der fast schon erstickten Insurrection unvermuthet Luft machte.
Rom war in fürchterlicher Gährung. Drusus Angriff auf die Rittergerichte und sein durch die Ritterpartei bewirkter jäher Sturz, sodann der zweischneidige varische Prozesskrieg hatten die bitterste Zwietracht gesäet zwischen Aristokratie und Bour- geoisie so wie zwischen den Gemässigten und den Ultras. Die Ereignisse hatten der Partei der Nachgiebigkeit vollständig Recht gegeben; was sie beantragt hatte freiwillig zu verschenken, das hatte man mehr als halb gezwungen zugestehen müs- sen; allein die Art, wie dies Zugeständniss erfolgt war, trug eben wie die Weigerung den Charakter des eigensinnigen und kurzsichtigen Neides. Statt allen italischen Gemeinden das gleiche Recht zu gewähren, hatte man die Zurücksetzung nur etwas gemildert und geändert; man hatte eine grosse Anzahl ita- lischer Gemeinden in der alten Lage gelassen unter dem Namen der Bundesgenossenschaft in voller Unterthänigkeit zu leben und von dem Begehren nach Aufnahme in den Bürgerverband ewig sich gepeinigt zu fühlen; man hatte den Neubürgern was man ihnen gab wieder mit einer ehrenrührigen Makel behaftet, die sie neben die Altbürger ungefähr stellte wie die Freigelassenen stan- den neben den Freigebornen. Die letzte Beschränkung verletzte um so tiefer, als sie bei der damaligen Beschaffenheit der Co- mitien politisch sinnlos war und die scheinheilige Fürsorge der Regierung für die unbefleckte Reinheit der Comitien jedem Un- befangenen lächerlich erscheinen musste; beide Restrictionen aber waren insofern gefährlich, als man in den Neubürgern so wie in den noch nicht zum Bürgerrecht zugelassenen italischen Gemeinden jedem Demagogen bequeme Hebel hinreichte um mit Unterstützung dieser Klassen anderweitige Zwecke zu erlangen.
EMPÖRUNG DER ITALIKER. SULPICISCHE REVOLUTION.
die Samniten besetzt hielten, von Sulla ihnen entrissen und Nola umstellt. Auch in Lucanien drang der römische Feldherr Aulus Gabinius ein und errang nicht geringe Erfolge; allein nachdem er bei einem Angriff auf das feindliche Lager gefallen war, herrschte der Insurgentenführer Lamponius mit den Seinen wie- derum fast ungestört in der weiten und öden lucanisch-bretti- schen Landschaft und machte sogar einen Versuch sich Rhegions zu bemächtigen, den indeſs der sicilische Statthalter Gaius Nor- banus vereitelte. Trotz einzelner Unfälle näherte man sich un- aufhaltsam dem Ziel; der Fall von Nola, die Unterwerfung von Samnium, die Möglichkeit ansehnliche Streitkräfte für Asien ver- fügbar zu machen schienen nicht mehr fern, als die Wendung der Dinge in der Hauptstadt der fast schon erstickten Insurrection unvermuthet Luft machte.
Rom war in fürchterlicher Gährung. Drusus Angriff auf die Rittergerichte und sein durch die Ritterpartei bewirkter jäher Sturz, sodann der zweischneidige varische Prozeſskrieg hatten die bitterste Zwietracht gesäet zwischen Aristokratie und Bour- geoisie so wie zwischen den Gemäſsigten und den Ultras. Die Ereignisse hatten der Partei der Nachgiebigkeit vollständig Recht gegeben; was sie beantragt hatte freiwillig zu verschenken, das hatte man mehr als halb gezwungen zugestehen müs- sen; allein die Art, wie dies Zugeständniſs erfolgt war, trug eben wie die Weigerung den Charakter des eigensinnigen und kurzsichtigen Neides. Statt allen italischen Gemeinden das gleiche Recht zu gewähren, hatte man die Zurücksetzung nur etwas gemildert und geändert; man hatte eine groſse Anzahl ita- lischer Gemeinden in der alten Lage gelassen unter dem Namen der Bundesgenossenschaft in voller Unterthänigkeit zu leben und von dem Begehren nach Aufnahme in den Bürgerverband ewig sich gepeinigt zu fühlen; man hatte den Neubürgern was man ihnen gab wieder mit einer ehrenrührigen Makel behaftet, die sie neben die Altbürger ungefähr stellte wie die Freigelassenen stan- den neben den Freigebornen. Die letzte Beschränkung verletzte um so tiefer, als sie bei der damaligen Beschaffenheit der Co- mitien politisch sinnlos war und die scheinheilige Fürsorge der Regierung für die unbefleckte Reinheit der Comitien jedem Un- befangenen lächerlich erscheinen muſste; beide Restrictionen aber waren insofern gefährlich, als man in den Neubürgern so wie in den noch nicht zum Bürgerrecht zugelassenen italischen Gemeinden jedem Demagogen bequeme Hebel hinreichte um mit Unterstützung dieser Klassen anderweitige Zwecke zu erlangen.
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EMPÖRUNG DER ITALIKER. SULPICISCHE REVOLUTION.
die Samniten besetzt hielten, von Sulla ihnen entrissen und Nola
umstellt. Auch in Lucanien drang der römische Feldherr Aulus
Gabinius ein und errang nicht geringe Erfolge; allein nachdem
er bei einem Angriff auf das feindliche Lager gefallen war,
herrschte der Insurgentenführer Lamponius mit den Seinen wie-
derum fast ungestört in der weiten und öden lucanisch-bretti-
schen Landschaft und machte sogar einen Versuch sich Rhegions
zu bemächtigen, den indeſs der sicilische Statthalter Gaius Nor-
banus vereitelte. Trotz einzelner Unfälle näherte man sich un-
aufhaltsam dem Ziel; der Fall von Nola, die Unterwerfung von
Samnium, die Möglichkeit ansehnliche Streitkräfte für Asien ver-
fügbar zu machen schienen nicht mehr fern, als die Wendung
der Dinge in der Hauptstadt der fast schon erstickten Insurrection
unvermuthet Luft machte.
Rom war in fürchterlicher Gährung. Drusus Angriff auf die
Rittergerichte und sein durch die Ritterpartei bewirkter jäher
Sturz, sodann der zweischneidige varische Prozeſskrieg hatten
die bitterste Zwietracht gesäet zwischen Aristokratie und Bour-
geoisie so wie zwischen den Gemäſsigten und den Ultras. Die
Ereignisse hatten der Partei der Nachgiebigkeit vollständig Recht
gegeben; was sie beantragt hatte freiwillig zu verschenken,
das hatte man mehr als halb gezwungen zugestehen müs-
sen; allein die Art, wie dies Zugeständniſs erfolgt war, trug
eben wie die Weigerung den Charakter des eigensinnigen und
kurzsichtigen Neides. Statt allen italischen Gemeinden das
gleiche Recht zu gewähren, hatte man die Zurücksetzung nur
etwas gemildert und geändert; man hatte eine groſse Anzahl ita-
lischer Gemeinden in der alten Lage gelassen unter dem Namen
der Bundesgenossenschaft in voller Unterthänigkeit zu leben und
von dem Begehren nach Aufnahme in den Bürgerverband ewig
sich gepeinigt zu fühlen; man hatte den Neubürgern was man
ihnen gab wieder mit einer ehrenrührigen Makel behaftet, die sie
neben die Altbürger ungefähr stellte wie die Freigelassenen stan-
den neben den Freigebornen. Die letzte Beschränkung verletzte
um so tiefer, als sie bei der damaligen Beschaffenheit der Co-
mitien politisch sinnlos war und die scheinheilige Fürsorge der
Regierung für die unbefleckte Reinheit der Comitien jedem Un-
befangenen lächerlich erscheinen muſste; beide Restrictionen
aber waren insofern gefährlich, als man in den Neubürgern so
wie in den noch nicht zum Bürgerrecht zugelassenen italischen
Gemeinden jedem Demagogen bequeme Hebel hinreichte um mit
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/247>, abgerufen am 31.07.2024.
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