Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.MARIUS UND DRUSUS. zu erdenken, als wie sie der Held von Aquae und Vercellae nachjener Katastrophe einnahm -- nur um so kläglicher, weil man nicht anders konnte als sie mit dem Glanze vergleichen, der nur wenige Monate zuvor denselben Mann umgab. Weder auf aristo- kratischer noch auf demokratischer Seite gedachte weiter Jemand des siegreichen Feldherrn bei der Besetzung der Consulatstellen; ja der Mann der sechs Consulate konnte nicht einmal wagen sich 656 um die Censur zu bewerben. Er ging fort in den Osten, wie er sagte um ein Gelübde dort zu lösen, in der That um nicht von der triumphirenden Rückkehr seines Todfeindes, des Quin- tus Metellus Zeuge zu sein; man liess ihn gehen. Er kam wie- der zurück und öffnete sein Haus; seine Säle standen leer. Im- mer hoffte er, dass es wieder Kämpfe und Schlachten geben und man seines erprobten Armes abermals bedürfen werde; allein es blieb tiefer Friede. Selbst im Osten, wo die Römer Ursache genug gehabt hätten energisch zu interveniren, Gelegenheit zu einem Kriege zu machen schlug ihm fehl wie jeder andere seiner Wünsche. Und dabei frass der einmal in ihm aufgestachelte Hunger nach Ehren, je öfter er getäuscht ward, immer tiefer sich ein in sein Gemüth; abergläubisch wie er war, nährte er in seinem Busen ein altes Orakelwort, das ihm sieben Consulate verhiess und sann in finsteren Gedanken, wie es möglich werden möge, dass dies Wort seine Erfüllung und er seine Rache be- komme, während er allen, nur sich selbst nicht, unbedeutend und unschädlich erschien. -- Folgenreicher noch als die Beseitigung des gefährlichen Mannes war die tiefe Erbitterung, welche in der Partei der materiellen Interessen seit der Schilderhebung des Saturninus gegen die sogenannten Popularen bestand. Mit der rücksichtslosesten Härte verurtheilten die Rittergerichte jeden, der zu den oppositionellen Ansichten sich bekannte; so ward Sextus Titius mehr noch als wegen seines Ackergesetzes dess- wegen verdammt, weil er des Saturninus Bild im Hause gehabt hatte; so Gaius Appuleius Decianus, weil er als Volkstribun das Verfahren gegen Saturninus als ein ungesetzliches bezeichnet hatte. Es war der Aristokratie sogar möglich für ältere von den Popularen ihr zugefügte Unbill nun vor den Rittergerichten Ge- nugthuung zu erhalten; so ward von denselben jetzt (659) Gaius Norbanus in die Verbannung gesandt, weil er neun Jahre zuvor den Consular Quintus Caepio angegriffen hatte (S. 170). War man auch der Regierung an sich nicht geneigter als früher, so er- schien doch jetzt, seit man sich wenn auch nur einen Augenblick am Rande der eigentlichen Herrschaft der Canaille gefunden hatte, MARIUS UND DRUSUS. zu erdenken, als wie sie der Held von Aquae und Vercellae nachjener Katastrophe einnahm — nur um so kläglicher, weil man nicht anders konnte als sie mit dem Glanze vergleichen, der nur wenige Monate zuvor denselben Mann umgab. Weder auf aristo- kratischer noch auf demokratischer Seite gedachte weiter Jemand des siegreichen Feldherrn bei der Besetzung der Consulatstellen; ja der Mann der sechs Consulate konnte nicht einmal wagen sich 656 um die Censur zu bewerben. Er ging fort in den Osten, wie er sagte um ein Gelübde dort zu lösen, in der That um nicht von der triumphirenden Rückkehr seines Todfeindes, des Quin- tus Metellus Zeuge zu sein; man lieſs ihn gehen. Er kam wie- der zurück und öffnete sein Haus; seine Säle standen leer. Im- mer hoffte er, daſs es wieder Kämpfe und Schlachten geben und man seines erprobten Armes abermals bedürfen werde; allein es blieb tiefer Friede. Selbst im Osten, wo die Römer Ursache genug gehabt hätten energisch zu interveniren, Gelegenheit zu einem Kriege zu machen schlug ihm fehl wie jeder andere seiner Wünsche. Und dabei fraſs der einmal in ihm aufgestachelte Hunger nach Ehren, je öfter er getäuscht ward, immer tiefer sich ein in sein Gemüth; abergläubisch wie er war, nährte er in seinem Busen ein altes Orakelwort, das ihm sieben Consulate verhieſs und sann in finsteren Gedanken, wie es möglich werden möge, daſs dies Wort seine Erfüllung und er seine Rache be- komme, während er allen, nur sich selbst nicht, unbedeutend und unschädlich erschien. — Folgenreicher noch als die Beseitigung des gefährlichen Mannes war die tiefe Erbitterung, welche in der Partei der materiellen Interessen seit der Schilderhebung des Saturninus gegen die sogenannten Popularen bestand. Mit der rücksichtslosesten Härte verurtheilten die Rittergerichte jeden, der zu den oppositionellen Ansichten sich bekannte; so ward Sextus Titius mehr noch als wegen seines Ackergesetzes deſs- wegen verdammt, weil er des Saturninus Bild im Hause gehabt hatte; so Gaius Appuleius Decianus, weil er als Volkstribun das Verfahren gegen Saturninus als ein ungesetzliches bezeichnet hatte. Es war der Aristokratie sogar möglich für ältere von den Popularen ihr zugefügte Unbill nun vor den Rittergerichten Ge- nugthuung zu erhalten; so ward von denselben jetzt (659) Gaius Norbanus in die Verbannung gesandt, weil er neun Jahre zuvor den Consular Quintus Caepio angegriffen hatte (S. 170). 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zu erdenken, als wie sie der Held von Aquae und Vercellae nach
jener Katastrophe einnahm — nur um so kläglicher, weil man
nicht anders konnte als sie mit dem Glanze vergleichen, der nur
wenige Monate zuvor denselben Mann umgab. Weder auf aristo-
kratischer noch auf demokratischer Seite gedachte weiter Jemand
des siegreichen Feldherrn bei der Besetzung der Consulatstellen;
ja der Mann der sechs Consulate konnte nicht einmal wagen sich
656 um die Censur zu bewerben. Er ging fort in den Osten, wie
er sagte um ein Gelübde dort zu lösen, in der That um nicht
von der triumphirenden Rückkehr seines Todfeindes, des Quin-
tus Metellus Zeuge zu sein; man lieſs ihn gehen. Er kam wie-
der zurück und öffnete sein Haus; seine Säle standen leer. Im-
mer hoffte er, daſs es wieder Kämpfe und Schlachten geben und
man seines erprobten Armes abermals bedürfen werde; allein es
blieb tiefer Friede. Selbst im Osten, wo die Römer Ursache
genug gehabt hätten energisch zu interveniren, Gelegenheit zu
einem Kriege zu machen schlug ihm fehl wie jeder andere seiner
Wünsche. Und dabei fraſs der einmal in ihm aufgestachelte
Hunger nach Ehren, je öfter er getäuscht ward, immer tiefer
sich ein in sein Gemüth; abergläubisch wie er war, nährte er in
seinem Busen ein altes Orakelwort, das ihm sieben Consulate
verhieſs und sann in finsteren Gedanken, wie es möglich werden
möge, daſs dies Wort seine Erfüllung und er seine Rache be-
komme, während er allen, nur sich selbst nicht, unbedeutend und
unschädlich erschien. — Folgenreicher noch als die Beseitigung
des gefährlichen Mannes war die tiefe Erbitterung, welche in der
Partei der materiellen Interessen seit der Schilderhebung des
Saturninus gegen die sogenannten Popularen bestand. Mit der
rücksichtslosesten Härte verurtheilten die Rittergerichte jeden,
der zu den oppositionellen Ansichten sich bekannte; so ward
Sextus Titius mehr noch als wegen seines Ackergesetzes deſs-
wegen verdammt, weil er des Saturninus Bild im Hause gehabt
hatte; so Gaius Appuleius Decianus, weil er als Volkstribun das
Verfahren gegen Saturninus als ein ungesetzliches bezeichnet
hatte. Es war der Aristokratie sogar möglich für ältere von den
Popularen ihr zugefügte Unbill nun vor den Rittergerichten Ge-
nugthuung zu erhalten; so ward von denselben jetzt (659) Gaius
Norbanus in die Verbannung gesandt, weil er neun Jahre zuvor
den Consular Quintus Caepio angegriffen hatte (S. 170). War
man auch der Regierung an sich nicht geneigter als früher, so er-
schien doch jetzt, seit man sich wenn auch nur einen Augenblick
am Rande der eigentlichen Herrschaft der Canaille gefunden hatte,
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Zitationshilfe: | Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/209>, abgerufen am 31.07.2024. |