Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.MARIUS UND DRUSUS. gen auf offenem Markt zur Sprache gebracht; er hauptsächlichhatte gegen die Regierung Marius Wiederwahl zum Consul für 652 durchgesetzt; er hatte gegen den Besieger Numidiens Quin- tus Metellus, als derselbe sich für 652 um die Censur bewarb, einen Auflauf erregt und ihn auf dem Capitol belagert gehalten, bis die Ritter ihn nicht ohne Blutvergiessen befreiten. Die Wuth des Senats ist begreiflich; die mithradatischen Enthüllungen hät- ten dem Volkstribun fast das Leben gekostet und die schimpf- liche Ausstossung des Saturninus wie des Glaucia aus dem Senat bei Gelegenheit der Revision des Senatorenverzeichnisses durch die Censoren von 652 war nur gescheitert an der Schlaffheit des dem Quintus Metellus zugegebenen Collegen. Saturninus war entschieden der energischste Feind des Senats und der thätigste und beredteste Führer der Volkspartei seit Gaius Gracchus, frei- lich auch gewaltthätig und rücksichtslos wie keiner vor ihm, im- mer bereit in die Strasse hinabzusteigen und statt mit Worten den Gegner mit Knitteln zu widerlegen. -- Solcher Art waren die beiden Führer der sogenannten Popularpartei, die mit dem sieg- reichen Feldherrn jetzt gemeinschaftliche Sache machten. Es war natürlich; die Interessen und die Zwecke gingen zusammen und auch schon bei Marius früheren Bewerbungen hatte wenig- stens Saturninus aufs Entschiedenste und Erfolgreichste für ihn Partei genommen. Jetzt wurde ausgemacht, dass für 654 Marius um das sechste Consulat, Saturninus um das zweite Tri- bunat, Glaucia um die Praetur sich bewerben sollten, um gestützt auf diese Aemter die beabsichtigte Staatsumwälzung durchzufüh- ren. Der Senat versuchte die gefährliche Verschwörung im Keim zu ersticken, indem er zwar die Ernennung des minder gefähr- lichen Glaucia geschehen liess, aber that was er konnte um Ma- rius und Saturninus Wahl zu hindern oder doch wenigstens je- nem an Quintus Metellus einen entschlossenen Gegner als Colle- gen an die Seite zu setzen. Von beiden Parteien wurden alle Hebel, erlaubte und unerlaubte, in Bewegung gesetzt; selbst Ma- rius verschmähte es nicht Stimmenbettel, es heisst sogar auch Stimmenkauf zu betreiben; ja als in den tribunicischen Wahlen neun Männer von der Liste der Regierungspartei bereits procla- mirt waren und auch die zehnte Stelle einem achtbaren Mann derselben Farbe Quintus Nunnius gesichert schien, ward dieser von einem wüsten Haufen, der vorzugsweise aus entlassenen Soldaten des Marius bestanden haben soll, angefallen und er- schlagen. So gelangte man, freilich auf die gewaltsamste Weise, zum Ziel. Marius wurde gewählt als Consul, Glaucia als Praetor. MARIUS UND DRUSUS. gen auf offenem Markt zur Sprache gebracht; er hauptsächlichhatte gegen die Regierung Marius Wiederwahl zum Consul für 652 durchgesetzt; er hatte gegen den Besieger Numidiens Quin- tus Metellus, als derselbe sich für 652 um die Censur bewarb, einen Auflauf erregt und ihn auf dem Capitol belagert gehalten, bis die Ritter ihn nicht ohne Blutvergieſsen befreiten. Die Wuth des Senats ist begreiflich; die mithradatischen Enthüllungen hät- ten dem Volkstribun fast das Leben gekostet und die schimpf- liche Ausstoſsung des Saturninus wie des Glaucia aus dem Senat bei Gelegenheit der Revision des Senatorenverzeichnisses durch die Censoren von 652 war nur gescheitert an der Schlaffheit des dem Quintus Metellus zugegebenen Collegen. Saturninus war entschieden der energischste Feind des Senats und der thätigste und beredteste Führer der Volkspartei seit Gaius Gracchus, frei- lich auch gewaltthätig und rücksichtslos wie keiner vor ihm, im- mer bereit in die Straſse hinabzusteigen und statt mit Worten den Gegner mit Knitteln zu widerlegen. — Solcher Art waren die beiden Führer der sogenannten Popularpartei, die mit dem sieg- reichen Feldherrn jetzt gemeinschaftliche Sache machten. Es war natürlich; die Interessen und die Zwecke gingen zusammen und auch schon bei Marius früheren Bewerbungen hatte wenig- stens Saturninus aufs Entschiedenste und Erfolgreichste für ihn Partei genommen. Jetzt wurde ausgemacht, daſs für 654 Marius um das sechste Consulat, Saturninus um das zweite Tri- bunat, Glaucia um die Praetur sich bewerben sollten, um gestützt auf diese Aemter die beabsichtigte Staatsumwälzung durchzufüh- ren. Der Senat versuchte die gefährliche Verschwörung im Keim zu ersticken, indem er zwar die Ernennung des minder gefähr- lichen Glaucia geschehen lieſs, aber that was er konnte um Ma- rius und Saturninus Wahl zu hindern oder doch wenigstens je- nem an Quintus Metellus einen entschlossenen Gegner als Colle- gen an die Seite zu setzen. Von beiden Parteien wurden alle Hebel, erlaubte und unerlaubte, in Bewegung gesetzt; selbst Ma- rius verschmähte es nicht Stimmenbettel, es heiſst sogar auch Stimmenkauf zu betreiben; ja als in den tribunicischen Wahlen neun Männer von der Liste der Regierungspartei bereits procla- mirt waren und auch die zehnte Stelle einem achtbaren Mann derselben Farbe Quintus Nunnius gesichert schien, ward dieser von einem wüsten Haufen, der vorzugsweise aus entlassenen Soldaten des Marius bestanden haben soll, angefallen und er- schlagen. So gelangte man, freilich auf die gewaltsamste Weise, zum Ziel. 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Saturninus war<lb/> entschieden der energischste Feind des Senats und der thätigste<lb/> und beredteste Führer der Volkspartei seit Gaius Gracchus, frei-<lb/> lich auch gewaltthätig und rücksichtslos wie keiner vor ihm, im-<lb/> mer bereit in die Straſse hinabzusteigen und statt mit Worten<lb/> den Gegner mit Knitteln zu widerlegen. — Solcher Art waren die<lb/> beiden Führer der sogenannten Popularpartei, die mit dem sieg-<lb/> reichen Feldherrn jetzt gemeinschaftliche Sache machten. Es<lb/> war natürlich; die Interessen und die Zwecke gingen zusammen<lb/> und auch schon bei Marius früheren Bewerbungen hatte wenig-<lb/> stens Saturninus aufs Entschiedenste und Erfolgreichste für<lb/> ihn Partei genommen. Jetzt wurde ausgemacht, daſs für 654<lb/> Marius um das sechste Consulat, Saturninus um das zweite Tri-<lb/> bunat, Glaucia um die Praetur sich bewerben sollten, um gestützt<lb/> auf diese Aemter die beabsichtigte Staatsumwälzung durchzufüh-<lb/> ren. 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MARIUS UND DRUSUS.
gen auf offenem Markt zur Sprache gebracht; er hauptsächlich
hatte gegen die Regierung Marius Wiederwahl zum Consul für
652 durchgesetzt; er hatte gegen den Besieger Numidiens Quin-
tus Metellus, als derselbe sich für 652 um die Censur bewarb,
einen Auflauf erregt und ihn auf dem Capitol belagert gehalten,
bis die Ritter ihn nicht ohne Blutvergieſsen befreiten. Die Wuth
des Senats ist begreiflich; die mithradatischen Enthüllungen hät-
ten dem Volkstribun fast das Leben gekostet und die schimpf-
liche Ausstoſsung des Saturninus wie des Glaucia aus dem Senat
bei Gelegenheit der Revision des Senatorenverzeichnisses durch
die Censoren von 652 war nur gescheitert an der Schlaffheit des
dem Quintus Metellus zugegebenen Collegen. Saturninus war
entschieden der energischste Feind des Senats und der thätigste
und beredteste Führer der Volkspartei seit Gaius Gracchus, frei-
lich auch gewaltthätig und rücksichtslos wie keiner vor ihm, im-
mer bereit in die Straſse hinabzusteigen und statt mit Worten
den Gegner mit Knitteln zu widerlegen. — Solcher Art waren die
beiden Führer der sogenannten Popularpartei, die mit dem sieg-
reichen Feldherrn jetzt gemeinschaftliche Sache machten. Es
war natürlich; die Interessen und die Zwecke gingen zusammen
und auch schon bei Marius früheren Bewerbungen hatte wenig-
stens Saturninus aufs Entschiedenste und Erfolgreichste für
ihn Partei genommen. Jetzt wurde ausgemacht, daſs für 654
Marius um das sechste Consulat, Saturninus um das zweite Tri-
bunat, Glaucia um die Praetur sich bewerben sollten, um gestützt
auf diese Aemter die beabsichtigte Staatsumwälzung durchzufüh-
ren. Der Senat versuchte die gefährliche Verschwörung im Keim
zu ersticken, indem er zwar die Ernennung des minder gefähr-
lichen Glaucia geschehen lieſs, aber that was er konnte um Ma-
rius und Saturninus Wahl zu hindern oder doch wenigstens je-
nem an Quintus Metellus einen entschlossenen Gegner als Colle-
gen an die Seite zu setzen. Von beiden Parteien wurden alle
Hebel, erlaubte und unerlaubte, in Bewegung gesetzt; selbst Ma-
rius verschmähte es nicht Stimmenbettel, es heiſst sogar auch
Stimmenkauf zu betreiben; ja als in den tribunicischen Wahlen
neun Männer von der Liste der Regierungspartei bereits procla-
mirt waren und auch die zehnte Stelle einem achtbaren Mann
derselben Farbe Quintus Nunnius gesichert schien, ward dieser
von einem wüsten Haufen, der vorzugsweise aus entlassenen
Soldaten des Marius bestanden haben soll, angefallen und er-
schlagen. So gelangte man, freilich auf die gewaltsamste Weise,
zum Ziel. Marius wurde gewählt als Consul, Glaucia als Praetor.
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