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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DIE VÖLKER DES NORDENS.
seit der Alpen, gefolgt von einer Anzahl erprobter Offiziere, un-
ter denen der kühne Fänger des Jugurtha Lucius Sulla bald sich
abermals hervorthat, und von zahlreichen Schaaren italischer
und bundesgenössischer Soldaten. Zunächst fand er den Feind,
gegen den er geschickt war, nicht vor. Die wunderlichen Leute,
die bei Arausio gesiegt hatten, waren inzwischen, nachdem sie
die Landschaft westlich der Rhone ausgeraubt hatten, über die
Pyrenäen gestiegen und schlugen sich eben in Spanien mit den
tapfern Bewohnern der Nordküste und des Binnenlandes herum;
es schien als wollten die Deutschen ihr Talent nicht zuzugreifen
gleich bei ihrem ersten Auftreten in der Geschichte beweisen.
So fand Marius volle Zeit einestheils die abgefallenen Tektosagen
wieder zum Gehorsam zu bringen, die schwankende Treue der
unterthänigen gallischen und ligurischen Gaue wieder zu befesti-
gen und innerhalb wie ausserhalb der römischen Provinz von
den gleich den Römern durch die Kimbrer gefährdeten Bunds-
genossen, wie zum Beispiel von den Massalioten, den Allobrogen,
den Sequanern, Beistand und Zuzug zu erlangen; andrerseits
durch strenge Mannszucht und unparteiische Gerechtigkeit gegen
Vornehme und Geringe das ihm anvertraute Heer zu disciplini-
ren und durch Märsche und ausgedehnte Schanzarbeiten -- na-
mentlich die Anlegung eines später den Massalioten überwiese-
nen Rhonekanals zur leichten Herbeischaffung der von Italien
dem Heer nachgesandten Transporte -- die Soldaten für die
ernstere Kriegsarbeit tüchtig zu machen. Auch er verhielt sich in
strenger Defensive und überschritt nicht die Grenzen der römi-
schen Provinz. Endlich, es scheint im Laufe des J. 651, fluthete
der Kimbrenstrom wieder zurück über die Pyrenäen, nachdem
er jenseit derselben an dem tapfern Widerstand der spanischen
Völkerschaften, namentlich der Keltiberer sich gebrochen hatte.
Diesmal scheint der Zug am atlantischen Ocean hinauf gegangen
zu sein, wo alles den schrecklichen Männern sich unterwarf von
den Pyrenäen bis zur Seine. Erst hier, an der Landesgrenze der
tapfern Eidgenossenschaft der Belgen, trafen sie auf ernstlichen
Widerstand; allein eben auch hier, während sie im Gebiet der
Vellocasser (bei Rouen) standen, kam ihnen ansehnlicher Zuzug.
Nicht bloss drei Quartiere der Helvetier, darunter die Tigoriner
und Toygener, welche früher an der Garonne mit den Römern
gefochten hatten, gesellten, wie es scheint um diese Zeit, sich zu
den Kimbrern, sondern es stiessen auch zu ihnen die stammver-
wandten Teutonen unter ihrem König Teutobod, welche durch
uns nicht überlieferte Fügungen aus ihrer Heimath an der Ost-

DIE VÖLKER DES NORDENS.
seit der Alpen, gefolgt von einer Anzahl erprobter Offiziere, un-
ter denen der kühne Fänger des Jugurtha Lucius Sulla bald sich
abermals hervorthat, und von zahlreichen Schaaren italischer
und bundesgenössischer Soldaten. Zunächst fand er den Feind,
gegen den er geschickt war, nicht vor. Die wunderlichen Leute,
die bei Arausio gesiegt hatten, waren inzwischen, nachdem sie
die Landschaft westlich der Rhone ausgeraubt hatten, über die
Pyrenäen gestiegen und schlugen sich eben in Spanien mit den
tapfern Bewohnern der Nordküste und des Binnenlandes herum;
es schien als wollten die Deutschen ihr Talent nicht zuzugreifen
gleich bei ihrem ersten Auftreten in der Geschichte beweisen.
So fand Marius volle Zeit einestheils die abgefallenen Tektosagen
wieder zum Gehorsam zu bringen, die schwankende Treue der
unterthänigen gallischen und ligurischen Gaue wieder zu befesti-
gen und innerhalb wie auſserhalb der römischen Provinz von
den gleich den Römern durch die Kimbrer gefährdeten Bunds-
genossen, wie zum Beispiel von den Massalioten, den Allobrogen,
den Sequanern, Beistand und Zuzug zu erlangen; andrerseits
durch strenge Mannszucht und unparteiische Gerechtigkeit gegen
Vornehme und Geringe das ihm anvertraute Heer zu disciplini-
ren und durch Märsche und ausgedehnte Schanzarbeiten — na-
mentlich die Anlegung eines später den Massalioten überwiese-
nen Rhonekanals zur leichten Herbeischaffung der von Italien
dem Heer nachgesandten Transporte — die Soldaten für die
ernstere Kriegsarbeit tüchtig zu machen. Auch er verhielt sich in
strenger Defensive und überschritt nicht die Grenzen der römi-
schen Provinz. Endlich, es scheint im Laufe des J. 651, fluthete
der Kimbrenstrom wieder zurück über die Pyrenäen, nachdem
er jenseit derselben an dem tapfern Widerstand der spanischen
Völkerschaften, namentlich der Keltiberer sich gebrochen hatte.
Diesmal scheint der Zug am atlantischen Ocean hinauf gegangen
zu sein, wo alles den schrecklichen Männern sich unterwarf von
den Pyrenäen bis zur Seine. Erst hier, an der Landesgrenze der
tapfern Eidgenossenschaft der Belgen, trafen sie auf ernstlichen
Widerstand; allein eben auch hier, während sie im Gebiet der
Vellocasser (bei Rouen) standen, kam ihnen ansehnlicher Zuzug.
Nicht bloſs drei Quartiere der Helvetier, darunter die Tigoriner
und Toygener, welche früher an der Garonne mit den Römern
gefochten hatten, gesellten, wie es scheint um diese Zeit, sich zu
den Kimbrern, sondern es stieſsen auch zu ihnen die stammver-
wandten Teutonen unter ihrem König Teutobod, welche durch
uns nicht überlieferte Fügungen aus ihrer Heimath an der Ost-

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[173/0183] DIE VÖLKER DES NORDENS. seit der Alpen, gefolgt von einer Anzahl erprobter Offiziere, un- ter denen der kühne Fänger des Jugurtha Lucius Sulla bald sich abermals hervorthat, und von zahlreichen Schaaren italischer und bundesgenössischer Soldaten. Zunächst fand er den Feind, gegen den er geschickt war, nicht vor. Die wunderlichen Leute, die bei Arausio gesiegt hatten, waren inzwischen, nachdem sie die Landschaft westlich der Rhone ausgeraubt hatten, über die Pyrenäen gestiegen und schlugen sich eben in Spanien mit den tapfern Bewohnern der Nordküste und des Binnenlandes herum; es schien als wollten die Deutschen ihr Talent nicht zuzugreifen gleich bei ihrem ersten Auftreten in der Geschichte beweisen. So fand Marius volle Zeit einestheils die abgefallenen Tektosagen wieder zum Gehorsam zu bringen, die schwankende Treue der unterthänigen gallischen und ligurischen Gaue wieder zu befesti- gen und innerhalb wie auſserhalb der römischen Provinz von den gleich den Römern durch die Kimbrer gefährdeten Bunds- genossen, wie zum Beispiel von den Massalioten, den Allobrogen, den Sequanern, Beistand und Zuzug zu erlangen; andrerseits durch strenge Mannszucht und unparteiische Gerechtigkeit gegen Vornehme und Geringe das ihm anvertraute Heer zu disciplini- ren und durch Märsche und ausgedehnte Schanzarbeiten — na- mentlich die Anlegung eines später den Massalioten überwiese- nen Rhonekanals zur leichten Herbeischaffung der von Italien dem Heer nachgesandten Transporte — die Soldaten für die ernstere Kriegsarbeit tüchtig zu machen. Auch er verhielt sich in strenger Defensive und überschritt nicht die Grenzen der römi- schen Provinz. Endlich, es scheint im Laufe des J. 651, fluthete der Kimbrenstrom wieder zurück über die Pyrenäen, nachdem er jenseit derselben an dem tapfern Widerstand der spanischen Völkerschaften, namentlich der Keltiberer sich gebrochen hatte. Diesmal scheint der Zug am atlantischen Ocean hinauf gegangen zu sein, wo alles den schrecklichen Männern sich unterwarf von den Pyrenäen bis zur Seine. Erst hier, an der Landesgrenze der tapfern Eidgenossenschaft der Belgen, trafen sie auf ernstlichen Widerstand; allein eben auch hier, während sie im Gebiet der Vellocasser (bei Rouen) standen, kam ihnen ansehnlicher Zuzug. Nicht bloſs drei Quartiere der Helvetier, darunter die Tigoriner und Toygener, welche früher an der Garonne mit den Römern gefochten hatten, gesellten, wie es scheint um diese Zeit, sich zu den Kimbrern, sondern es stieſsen auch zu ihnen die stammver- wandten Teutonen unter ihrem König Teutobod, welche durch uns nicht überlieferte Fügungen aus ihrer Heimath an der Ost-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/183>, abgerufen am 29.11.2024.