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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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VIERTES BUCH. KAPITEL V.
zuerst betrat die Bahn der transalpinischen Eroberungspolitik.
In der vielgetheilten keltischen Nation hatte der Gau der Bituri-
gen seine wirkliche Hegemonie verloren und nur eine Ehrenvor-
standschaft behalten; der effectiv führende Gau war in dem Ge-
biet von den Pyrenäen bis zum Rhein und vom Mittelmeer bis
zum Ocean um diese Zeit der der Arverner*, wonach es nicht
gerade übertrieben erscheint, dass er bis 180000 Mann ins Feld
zu stellen vermochte. Mit ihnen rangen die Haeduer (um Autun)
um die Hegemonie in diesem Gebiet als ungleiche Rivalen; wäh-
rend in dem nordöstlichen Gallien die Könige der Suessionen
(um Soissons) den bis nach Britannien hinüber sich erstrecken-
den Völkerbund der Belgen unter ihrer Schutzherrschaft vereinig-
ten. Griechische Reisende jener Zeit wussten viel zu erzählen
von der prachtvollen Hofhaltung des Arvernerkönigs Luerius, wie
derselbe umgeben von seinem glänzenden Clangefolge, den Jä-
gern mit der gekoppelten Meute und der wandernden Sänger-
schaar, auf dem silberbeschlagenen Wagen durch die Städte sei-
nes Reiches fuhr, das Gold mit vollen Händen auswerfend unter
die Menge, vor allem aber das Herz des Dichters mit dem leuch-
tenden Regen erfreuend -- die Schilderungen von der offenen
Tafel, die er in einem Raume von 1500 Doppelschritten ins Ge-
vierte abhielt und zu der jeder des Weges Kommende geladen
war, erinnern lebhaft an die Hochzeitstafel Camachos. In der
That zeugen die zahlreichen, noch jetzt vorhandenen arverni-
schen Goldmünzen dieser Zeit dafür, dass der Arvernergau zu
ungemeinem Reichthum und einer verhältnissmässig hoch gestei-
gerten Civilisation gediehen war. Flaccus Angriff traf indess zu-
nächst nicht auf die Arverner, sondern auf die kleineren Stämme
in dem Gebiet zwischen den Alpen und der Rhone, wo die ur-
sprünglich ligurischen Einwohner mit nachgerückten keltischen
Schaaren sich vermischt hatten und eine der keltiberischen ver-
gleichbare keltoligurische Bevölkerung entstanden war. Er focht
(629. 630) mit Glück gegen die Salyer oder Salluvier in der
Gegend von Aix und im Thal der Durance und gegen ihre nörd-
lichen Nachbarn, die Vocontier (Dep. Vaucluse und Drome),
ebenso sein Nachfolger Gaius Sextius Calvinus (631. 632)
gegen die Allobrogen, einen mächtigen keltischen Clan in dem
reichen Thal der Isere, der auf die Bitte des landflüchtigen Kö-
nigs der Salyer Tutomotulus gekommen war, ihm sein Land wie-

* In der Auvergne. Ihre Hauptstadt, Nemetum oder Nemossus, lag
nicht weit von Clermont.

VIERTES BUCH. KAPITEL V.
zuerst betrat die Bahn der transalpinischen Eroberungspolitik.
In der vielgetheilten keltischen Nation hatte der Gau der Bituri-
gen seine wirkliche Hegemonie verloren und nur eine Ehrenvor-
standschaft behalten; der effectiv führende Gau war in dem Ge-
biet von den Pyrenäen bis zum Rhein und vom Mittelmeer bis
zum Ocean um diese Zeit der der Arverner*, wonach es nicht
gerade übertrieben erscheint, daſs er bis 180000 Mann ins Feld
zu stellen vermochte. Mit ihnen rangen die Haeduer (um Autun)
um die Hegemonie in diesem Gebiet als ungleiche Rivalen; wäh-
rend in dem nordöstlichen Gallien die Könige der Suessionen
(um Soissons) den bis nach Britannien hinüber sich erstrecken-
den Völkerbund der Belgen unter ihrer Schutzherrschaft vereinig-
ten. Griechische Reisende jener Zeit wuſsten viel zu erzählen
von der prachtvollen Hofhaltung des Arvernerkönigs Luerius, wie
derselbe umgeben von seinem glänzenden Clangefolge, den Jä-
gern mit der gekoppelten Meute und der wandernden Sänger-
schaar, auf dem silberbeschlagenen Wagen durch die Städte sei-
nes Reiches fuhr, das Gold mit vollen Händen auswerfend unter
die Menge, vor allem aber das Herz des Dichters mit dem leuch-
tenden Regen erfreuend — die Schilderungen von der offenen
Tafel, die er in einem Raume von 1500 Doppelschritten ins Ge-
vierte abhielt und zu der jeder des Weges Kommende geladen
war, erinnern lebhaft an die Hochzeitstafel Camachos. In der
That zeugen die zahlreichen, noch jetzt vorhandenen arverni-
schen Goldmünzen dieser Zeit dafür, daſs der Arvernergau zu
ungemeinem Reichthum und einer verhältniſsmäſsig hoch gestei-
gerten Civilisation gediehen war. Flaccus Angriff traf indeſs zu-
nächst nicht auf die Arverner, sondern auf die kleineren Stämme
in dem Gebiet zwischen den Alpen und der Rhone, wo die ur-
sprünglich ligurischen Einwohner mit nachgerückten keltischen
Schaaren sich vermischt hatten und eine der keltiberischen ver-
gleichbare keltoligurische Bevölkerung entstanden war. Er focht
(629. 630) mit Glück gegen die Salyer oder Salluvier in der
Gegend von Aix und im Thal der Durance und gegen ihre nörd-
lichen Nachbarn, die Vocontier (Dep. Vaucluse und Drome),
ebenso sein Nachfolger Gaius Sextius Calvinus (631. 632)
gegen die Allobrogen, einen mächtigen keltischen Clan in dem
reichen Thal der Isere, der auf die Bitte des landflüchtigen Kö-
nigs der Salyer Tutomotulus gekommen war, ihm sein Land wie-

* In der Auvergne. Ihre Hauptstadt, Nemetum oder Nemossus, lag
nicht weit von Clermont.
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[154/0164] VIERTES BUCH. KAPITEL V. zuerst betrat die Bahn der transalpinischen Eroberungspolitik. In der vielgetheilten keltischen Nation hatte der Gau der Bituri- gen seine wirkliche Hegemonie verloren und nur eine Ehrenvor- standschaft behalten; der effectiv führende Gau war in dem Ge- biet von den Pyrenäen bis zum Rhein und vom Mittelmeer bis zum Ocean um diese Zeit der der Arverner *, wonach es nicht gerade übertrieben erscheint, daſs er bis 180000 Mann ins Feld zu stellen vermochte. Mit ihnen rangen die Haeduer (um Autun) um die Hegemonie in diesem Gebiet als ungleiche Rivalen; wäh- rend in dem nordöstlichen Gallien die Könige der Suessionen (um Soissons) den bis nach Britannien hinüber sich erstrecken- den Völkerbund der Belgen unter ihrer Schutzherrschaft vereinig- ten. Griechische Reisende jener Zeit wuſsten viel zu erzählen von der prachtvollen Hofhaltung des Arvernerkönigs Luerius, wie derselbe umgeben von seinem glänzenden Clangefolge, den Jä- gern mit der gekoppelten Meute und der wandernden Sänger- schaar, auf dem silberbeschlagenen Wagen durch die Städte sei- nes Reiches fuhr, das Gold mit vollen Händen auswerfend unter die Menge, vor allem aber das Herz des Dichters mit dem leuch- tenden Regen erfreuend — die Schilderungen von der offenen Tafel, die er in einem Raume von 1500 Doppelschritten ins Ge- vierte abhielt und zu der jeder des Weges Kommende geladen war, erinnern lebhaft an die Hochzeitstafel Camachos. In der That zeugen die zahlreichen, noch jetzt vorhandenen arverni- schen Goldmünzen dieser Zeit dafür, daſs der Arvernergau zu ungemeinem Reichthum und einer verhältniſsmäſsig hoch gestei- gerten Civilisation gediehen war. Flaccus Angriff traf indeſs zu- nächst nicht auf die Arverner, sondern auf die kleineren Stämme in dem Gebiet zwischen den Alpen und der Rhone, wo die ur- sprünglich ligurischen Einwohner mit nachgerückten keltischen Schaaren sich vermischt hatten und eine der keltiberischen ver- gleichbare keltoligurische Bevölkerung entstanden war. Er focht (629. 630) mit Glück gegen die Salyer oder Salluvier in der Gegend von Aix und im Thal der Durance und gegen ihre nörd- lichen Nachbarn, die Vocontier (Dep. Vaucluse und Drome), ebenso sein Nachfolger Gaius Sextius Calvinus (631. 632) gegen die Allobrogen, einen mächtigen keltischen Clan in dem reichen Thal der Isere, der auf die Bitte des landflüchtigen Kö- nigs der Salyer Tutomotulus gekommen war, ihm sein Land wie- * In der Auvergne. Ihre Hauptstadt, Nemetum oder Nemossus, lag nicht weit von Clermont.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/164>, abgerufen am 04.12.2024.